Studie: Drastisch höherer Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß bei vielen Autos als vom Hersteller angegeben
Auf Europas Straßen sind nach einer neuen Studie des Umweltforscher-Verbunds ICCT im vergangenen Jahr Millionen Autos mit deutlich überhöhtem Verbrauch und CO2-Ausstoß unterwegs gewesen.
Die Organisation, die den VW-Diesel-Skandal in den USA 2015 mit aufgedeckt hatte, nennt in der Analyse eine durchschnittliche Abweichung zwischen tatsächlichen Fahrwerten und offiziellen Herstellerangaben von 42 Prozent. Der ICCT startete die Zeitreihe zum Kraftstoffverbrauch im Jahr 2001. Damals betrug die mittlere Abweichung aller einbezogenen Automodelle nur 9 Prozent.
„Sämtliche Datenquellen bestätigen, dass die Lücke zwischen dem von Herstellern veröffentlichten Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlich vom Kunden festgestellten Verbrauch einen neuen Höchststand erreicht hat“, erklärte ICCT-Mitglied Uwe Tietge. Wegen der direkten Kopplung von Spritverbrauch und CO2-Emissionen könnten die betroffenen Autofahrer so auch das Klima viel mehr belastet haben als gedacht.
Die Hauptursache der „Diskrepanz“ sieht ICCT-Europa-Chef Peter Mock darin, dass die Autokonzerne „immer systematischer Schlupflöcher in der bestehenden Regulierung ausnutzen“. So würden zahlreiche für den Prüfstand verwendete Wagen gezielt für die Testsituation optimiert. Auf der Straße hätten sie dann teils ganz andere Verbrauchswerte.
Nach Angaben der Wissenschaftler flossen Daten für etwa eine Million Autos in die Untersuchung ein. Trotz Unterschieden im Fahrverhalten der Besitzer habe man durch die Vielzahl der Einzelbeobachtungen damit schlüssige Ergebnisse, die einen klaren Trend für die Flotte der Neufahrzeuge anzeigten.
Pikant aus Sicht des ICCT: Spätestens nach der EU-Einigung auf verpflichtende CO2-Regeln für die Autobranche 2008 sanken die offiziellen CO2-Werte „deutlich schneller“ – aber der echte Ausstoß des Treibhausgases offenbar längst nicht im selben Maß.
„Besonders hohe Abweichungen werden im Premium-Segment beobachtet, wo in der Realität der Kraftstoffverbrauch einiger Fahrzeugmodelle – im Durchschnitt – mehr als 50 Prozent höher liegt als vom Hersteller angegeben“, kritisiert die Organisation. Auch bei Hybridautos sei die Schere zuletzt deutlich aufgegangen. Vor allem beim Start einer neuen Modellgeneration sei der Anstieg oft sprunghaft. „In der Folge sind die erzielten CO2-Reduktionen seit 2001 in der Realität nur etwa halb so hoch wie anhand der Zertifizierungswerte zu erwarten.“
Für ihre Analyse griffen die Autoren der Studie auf Angaben privater Autonutzer bei spezialisierten Verbrauchs-Webseiten, Tankdaten von Leasingfirmen, Straßentests von Fachzeitschriften und Messungen von Autoclubs zurück. Nie sei die „Kluft zwischen offiziellem und tatsächlichem Verbrauch“ so groß gewesen, betonten sie.
Tests des ICCT und der West Virginia University zur Emission von Stickoxiden bei Dieselautos in den USA hatten dazu geführt, dass die dortigen Behörden auf die Manipulationen von VW aufmerksam wurden. Die im September 2015 ausgebrochene „Dieselgate“-Affäre rückte eine ganze Branche ins Zwielicht. Bei VW führte sie zu Milliardenrücklagen für Strafen und Rechtskosten, der Konzern stürzte in eine Krise.
Bisher drehte sich der Skandal allerdings vorrangig um gesundheitsschädliche Stickoxide (NOx) – nicht um das Klimagas CO2 und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen auf die Kfz-Steuer.
Im Frühjahr hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nach Nachmessungen bei NOx auch bei CO2 auffällige Daten festgestellt. Berichten zufolge bestätigten sich im Sommer dann teils deutlich höhere CO2-Werte. „Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen“, hieß es aus dem Bundesverkehrsministerium. VW kündigte an, die Daten für zwei Modelle nach oben anpassen zu müssen. Auch Audi geriet zuletzt unter Druck.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte für die deutschen Hersteller jüngst betont: „Der Verkehrssektor leistet bereits heute einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung.“ Mock sagte der Deutschen Presse-Agentur, auch bei CO2 und Kraftstoffverbrauch sei „eine Vielzahl von legalen und halblegalen Schlupflöchern“ möglich. „Da gibt es auch keine starke Behörde und keine guten Testverfahren.“ (dpa)
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