Die Radikalisierung der Klimaaktivisten

Sie ist eine von vielen Gruppen innerhalb der Klimabewegung: Die letzte Generation. Was sie alle vereint: Sie hoffen, mit einer Systemveränderung die Klimaveränderung aufhalten zu können – und dabei gehen sie immer radikaler vor.
Klimaaktivisten auf dem Weg zur RAF 2.0?
Klimaaktivisten der Aktion „Aufstand der letzten Generation“.Foto: Christian Charisius/dpa
Von 10. Mai 2022

Sitzblockade. Wann sich die Aktivisten für ihre Protestaktion treffen, besprechen sie über Gruppen auf Signal. Sie kommen zu dem vereinbarten Ort, tragen gelbe Schutzwesten und Masken mit der Aufschrift „Die letzte Generation“. Sobald die Ampel rot ist, stellen sich neun Aktivisten mit Bannern vor die Autos und blockieren die Straße. Schnell setzen sie sich hin, die Leute links und rechts außen kleben sich auf die Straße fest. Die Personen in der Mitte sitzen ohne Kleber, es soll eine Gasse für Rettungswagen frei bleiben. 

Innerhalb einer Minute sind zwei Polizeibeamte vor Ort. Sie entnehmen den Protestierenden den Kleber und warten auf ihre Kollegen. Innerhalb weniger Minuten finden sich vier Polizeiwagen am Tatort. Mittlerweile blockieren jedoch nicht nur die Protestierenden die Straße, sondern auch die Autos stehen im Stau und das Durchkommen für Rettungswagen ist schwer. Am 12. April verzögerte sich die Weiterfahrt eines Rettungswagens in Frankfurt um anderthalb Minuten. Es ist tragisch, wenn jede Sekunde zählt. 

Zum Ende der Aktion sind sechs Streifenwagen, ein Sonderwagen, vier Hundertschaften und ein Lautsprecherkraftwagen im Einsatz. 

Die Polizei gibt über Lautsprecher bekannt, dass der Verdacht der Nötigung vorläge, es keinen Ansprechpartner gebe, die Versammlung unangemeldet sei und gegen Auflagen verstoßen wurde. Somit wird die Versammlung von der Polizei aufgelöst. Die festgeklebten Hände werden von Spezialisten mit Aceton von der Straße gelöst. Als Alternative gäbe es ölhaltige Lösungsmittel. 

Gegen Klimawandel

„System Change not Climate Change“ lautet das Motto der Klimabewegung. Die Forderung ist, dass fossile Infrastruktur für Kohle, Erdöl und fossiles Gas gestoppt werden und es keine Exportgarantien mehr gibt. Außerdem fordern sie ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. „Die Politik soll wieder ihre Aufgabe machen“, sagt ein Aktivist namens Tim in einem Vortrag für die „Letzte Generation“.  

Die „Letzte Generation“ agiert innerhalb der Klimabewegung und gewinnt seit einigen Wochen und Monaten immer mehr an Aufmerksamkeit. Sie verstehen sich als die letzte Generation, die noch etwas tun kann, um die Welt zu retten und vor dem Untergang zu bewahren. Durch Aktionen des zivilen Ungehorsams wollen sie die Politik beeinflussen und zu mehr Nachhaltigkeit drängen. Die Gruppe der Aktivisten ist international in neun Ländern vernetzt. 

Radikalisierung der Protestbewegung

Hungerstreiks, Luftballons, die den Flugverkehr stören sollen, Containern, Abseilen von Baustellen, Zerstören von Gehwegen, Verunreinigung von Gebäuden, Autoreifen aufstechen, Verschütten von Öl auf der Straße und Sabotage in Gaskraftwerken oder an Pipelines: All diese Aktionen fanden bereits unter dem Banner der Klimabewegung statt. Angeteasert wird, dass es zerdepperte Autoshowrooms und zerstörte Autos geben könne. Sie selber schreiben auf ihrer Seite, dass ihr Protest friedlich und ruhig sei. Medial wird von einer Radikalisierung der Klimabewegung gesprochen, doch auch die Klimaaktivisten sprechen von radikalen Aktionen. 

„Früher oder später wird manchen Aktivisten der Kragen platzen“, sagt Tim in seinem Vortrag. Gewalt schließt er nicht aus. Mehrmals betonte er auch, dass die Aktionen „weh tun“ müssen. Ähnlich wie bei Revolutionen könne sich nur mit „Schmerz“ etwas ändern. 

Auch die Sprache erinnert nicht an einen ruhigen, friedlichen Austausch. Der Spruch „Ich liebe dich, aber ich hasse dein Auto“, wurde an Autos in Berlin geklemmt, nachdem die Luft aus den Reifen gelassen wurde. 

Frei fühlen im Gefängnis

Einige Aktivisten sind sogar bereit, ins Gefängnis zu gehen. In der dritten April-Woche gab es über 230 Festnahmen, teilweise waren sie über zwei Wochen in einer Zelle. „Die Regierung sperrt friedliche Bürgerinnen und Bürger für ihren zivilen Widerstand gegen den fossilen Wahnsinn ein, anstatt ihr zerstörerisches Weiter-so endlich zu beenden“, erklärt die „Letzte Generation“ in ihrem Newsletter. 

Der Aktivist Theo war mit 31 Jahren fünf Tage in Gewahrsam und sagt: „Wir wissen, dass uns unser System in den Kollaps treibt und tun so, als sei es gesünder, das zu verdrängen. Ich kann es aber nicht mehr verdrängen.“

In einem Video auf Twitter berichtet Aktivistin Melli, dass sie sich in der Einzelzelle sogar freier fühlen würde, als wenn sie sich draußen durch die Repressionen von ihrem Protest abbringen lasse. 

Um die Strafen zu umgehen, möchte die „Letzte Generation“ in die breite Masse der Gesellschaft. Wiederholungstäter werden vor Gericht härter bestraft als Ersttäter. 

Die „Letzte Generation“ arbeitet ausschließlich über Spendengelder, mit welchen sie unter anderem Flyer finanzieren. Sie haben keine regelmäßigen Einnahmen. Insofern müssen Aktivisten die Strafen für Verstöße privat zahlen, gibt Tim in dem Vortrag bekannt. Die Strafen sollen die Klimaaktivisten abschrecken. Dass es sich jedoch nicht nur um Abschreckung handelt, sondern sie auch rechtswidrig handeln, scheinen einige der Protestierenden zu vergessen.   

Im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches werden Straftaten gegen die Umwelt behandelt. Unter §324a Absatz 1 steht: „Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Stoffe in den Boden einbringt, eindringen lässt oder freisetzt und diesen dadurch 1. in einer Weise, die geeignet ist, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu beschädigen, oder 2. in bedeutendem Umfang verunreinigt oder sonst nachteilig verändert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Ebenso ist der Versuch strafbar. Fahrlässiges Handeln wird mit bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bestraft. 

Mit der Aktion, Öl auf der Straße zu verschütten, handeln die Klimaaktivisten entgegen ihrer Maxime stark umweltschädigend. Bereits in der Fahrschule lernt man, dass ein Tropfen Öl bis zu 600 Liter Trinkwasser verunreinigen kann. 

In Frankfurt musste eine Radfahrerin ins Krankenhaus eingeliefert werden, nachdem sie auf dem ausgeschütteten Öl ausgerutscht war.  

Die Polizei Hessen teilt auf Nachfrage der Epoch Times mit, dass sie „aus polizeitaktischen Gesichtspunkten keine Auskünfte zu jeweiligen Bewertungen und daraus folgende polizeiliche Maßnahmen geben können“. Auf „drastische und stark emotionalisierte Aktionen“ der „Letzten Generation“ sei die Polizei in der Vergangenheit vorbereitet gewesen und polizeilichen Maßnahmen würden angepasst werden. Generell gelte allerdings das Recht auf Versammlungsfreiheit, gegen verursachte Gefahren und verstoßene Gesetze würde die Polizei in den juristisch gegebenen Möglichkeiten vorgehen.

Sektencharakter der Bewegung

Durch das von Tim mehrmals betonte Weltuntergangsszenario wurde ihm von seinem privaten Umfeld bereits gesagt, dass er zur Psychotherapie gehen solle. Kann von einer Sektenähnlichen Bewegung gesprochen werden?

Eine Mitarbeiterin des Bundesverwaltungsamtes in der Abteilung Sekten und Psychogruppen teilte telefonisch mit, dass es für Sekten keine klare Definition gebe und sie sie allgemein als problematische Gruppen betiteln würden. Die Klassiker seien religiöse oder „Psycho“-Gruppen. Die Klimabewegung falle nicht unter diese Klassiker, habe allerdings stark fanatische Anteile, wie sie in Sekten beobachtet werden können.

Bisher beobachtet der Bund die Klimabewegung nicht weiter in Hinblick auf ihren Sektencharakter. Eine Untersuchung der Bewegung sei auch für die Zukunft noch nicht vorgesehen. Manche Kriterien zur Bestimmung von Sekten sieht die Mitarbeiterin in der Klimabewegung jedoch erfüllt.

Wissenschaft ist Maßstab – Gesellschaft ist egal

Als Legitimation für ihre Aktionen und Ansichten nennen Klimaaktivisten stets die Wissenschaft. Auch in dem Vortrag betonte Tim mehrfach, dass sie nach der Meinung der Wissenschaft handeln würden. Dass es jedoch nicht die eine Meinung der Wissenschaft gibt, blenden sie aus. 

„Die Wissenschaft unterstützt unsere Forderungen“, schreiben sie in ihrem Newsletter. „Am Freitag haben mehrere Wissenschaftler*innen die Untermainbrücke in Frankfurt blockiert und ebenfalls gefordert: ‚Stoppt den fossilen Wahnsinn!‘“

Der Geologe Prof. Dr. Niko Froitzheim schließt sich der Bewegung an und sagt: „Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie die Regierung die wissenschaftlichen Fakten ignoriert, weiter fossile Infrastruktur ausbaut und damit die Zukunft der menschlichen Zivilisation zerstört.“

Sogar der Jesuitenorden solidarisiert sich mit der radikalen Klimabewegung. Jesuit Jörg Alt nahm an der Aktion „Essen Retten Leben Retten“ teil und wartet derzeit auf seinen Strafprozess wegen besonders schwerem Diebstahl. Er teilt mit, dass es Zeiten geben könne, in denen gewaltfreier ziviler Ungehorsam und ziviler Widerstand nötig seien, um eine Beschäftigung mit dringenden Fragen „unübersehbar“ und „unignorierbar“ zu machen. 

In der breiten Gesellschaft kommen die Aktionen der „letzten Generation“ allerdings nicht immer gut an. „Wenn diese jungen Leute meinen, damit was zu bewirken. Sie bewirken was, sicherlich: Hass gegen sie“, sagt ein Mann während einer Straßenblockade. 

Andere kritische Stimmen können mit der Weltuntergangrhetorik und den apokalyptischen Zukunftsszenarien, dass sie die letzte Generation seien, die den absoluten Klimakollaps aufhalten können, wenig anfangen. Auf Twitter betonen Nutzer ihre „Null Toleranz gegen unbelehrbare Terroristen“.  

Aktionen gehen weiter

Neue Ideenfindung: Die Räder zum Fluss des Erdöls bei Pipelines sind für einen Notfall gedacht. Die Räder können zugedreht werden, wir würden uns schließlich mitten in einem Klimanotfall befinden, so die „Letzte Generation“ auf Twitter. Über Signal dürfte es geplant gewesen sein, die Versorgung mit Erdöl in Deutschland zu stören. 

Im Nachhinein erscheint folgendes Video: „Hallo, ich bin Maja. Um mich dem fossilen Wahnsinn zu stellen, habe ich mich dazu entschlossen, friedlich und gewaltfrei eine Pipeline zu blockieren und den Ölhahn abzudrehen. Im Angesicht der Klimakrise, in der wir schon viel zu tief drinstecken, um sie zu ignorieren, sehe ich diese Störung als ein Mittel an, um auf die Dringlichkeit der Krise aufmerksam zu machen und die Regierung zum Handeln zu bewegen. “  

Mehrere Aktivisten wurden festgenommen. Eine von ihnen hatte das Notfall-Rad einer Öl-Pipeline zugedreht. Weitere wurden eingesperrt, obwohl sie das Gelände der Pipeline nicht betreten haben.

Abschrecken lassen sie sich von den Strafen nicht und machen weiter. Ihr Motto: „Wir können uns gemeinsam gegen fossile Zerstörung und für das Leben entscheiden.“



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