Die Kernkraft in Zahlen: Laufzeiten, Stromproduktion, Folgekosten

Mit dem Abschalten der letzten deutschen Atomkraftwerke geht eine Ära zu Ende. Die Folgen sind schwer kalkulierbar.
Das Archivbild vom 1993 zeigt das Atomkraftwerk in Mülheim-Kärlich bei Koblenz. Die Anlage lief nach dem Probebetrieb wegen fehlender Baugenehmigung nur 100 Tage regulär.
Das Archivbild vom 1993 zeigt das Atomkraftwerk in Mülheim-Kärlich bei Koblenz. Die Anlage lief nach dem Probebetrieb wegen fehlender Baugenehmigung nur 100 Tage regulär.Foto: Frank Kleefeldt/dpa
Epoch Times12. April 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Rund sechs Jahrzehnte lang haben Kernkraftwerke in Deutschland Strom produziert. Bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Müll aus diesen Anlagen geht es um eine Million Jahre. War es das wert? Versuch einer kleinen Bilanz in Zahlen.

Anzahl:

Seit 1962 gingen in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft 37 Kernkraftwerke ans Netz – Forschungsreaktoren nicht eingerechnet. Die erste Einspeisung in der Bundesrepublik gab es 1961 im Versuchsatomkraftwerk Kahl in Bayern. In der DDR ging 1966 die Anlage in Rheinsberg (heute im Land Brandenburg) in Betrieb.

Laufzeiten:

Sehr lange am Netz waren mit 37 Jahren zum Beispiel die Kernkraftwerke in Grohnde (Niedersachsen), Gundremmingen (Bayern) und Obrigheim (Baden-Württemberg) – aber auch andere Anlagen liefen über 30 Jahre. Nur ganz kurz in Betrieb war dagegen der rund sieben Milliarden D-Mark (3,6 Milliarden Euro) teure Meiler in Mülheim-Kärlich nahe Koblenz. Er lief nach dem Probebetrieb wegen fehlender Baugenehmigung nur 100 Tage. In den DDR-Anlagen Rheinsberg und Greifswald ging das Atomstrom-Zeitalter kurz nach der Wende wegen Sicherheitsbedenken zu Ende. Eine riesige Anlage nahe Stendal blieb eine Bauruine.

Nie in Betrieb gegangen:

Nicht alle Kernkraftwerke gingen ans Netz. Der „Schnelle Brüter“ im nordrhein-westfälischen Kalkar war zum Beispiel 1985 fertig – ging aber wegen Bürgerprotesten und Sicherheitsbedenken nie in Betrieb. Die Investitionsruine kostete rund sieben Milliarden D-Mark (3,6 Milliarden Euro) und ist heute ein Freizeitpark.

Stromproduktion:

Nach Angaben des Vereins Kerntechnik Deutschland erzeugten deutsche Kernkraftwerke zwischen 1961 und Ende 2021 rund 5.560 Milliarden Kilowattstunden Strom brutto. Mit einer Kilowattstunde Strom kann man zum Beispiel eine Stunde staubsaugen. Der Anteil der Kernenergie am deutschen Strommix lag viele Jahre bei rund einem Drittel. Der schrittweise deutsche Atomausstieg führte dazu, dass er 2022 nur noch 6,4 Prozent ausmachte. Zum Vergleich: Grüne Energie brachte es im vergangenen Jahr auf einen Anteil von 46,3 Prozent, Kohle lag bei 33,3 und Erdgas bei 11,4 Prozent.

Atomstrom im Vergleich:

Eine Kostenanalyse von Strom aus Kernenergie in Deutschland ist selbst für die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags ein Problem. Für die Zeit vor 2007 existierten beispielsweise keine umfassenden Daten zu den externen Kosten und dem Marktwert von Kernenergie, heißt es. Für 2021 hat der Dienst die gesamtgesellschaftlichen Stromkosten – also zum Beispiel inklusive Subventionen und möglichen Umweltschäden – verglichen. Mit 37,8 Cent pro Kilowattstunde war Atomstrom demnach mit Abstand am teuersten. Kohle liegt nach der Berechnung zwischen 23,3 und 25,6 Cent, Solar bei 22,8 Cent und Wind zwischen 8,8 und 18,5 Cent pro Kilowattstunde.

Folgekosten:

Allein die Menge hoch radioaktiver Abfälle aus Brennelementen wird in Deutschland auf rund 10.500 Tonnen geschätzt. Eine Kommission hat die gesamten Entsorgungskosten für Deutschland im Jahr 2016 auf rund 48,8 Milliarden Euro kalkuliert (mit Preisen von 2014). Ein Endlager in Deutschland gibt es noch nicht. In einer Broschüre für das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung heißt es, dass in Deutschland ein bis zwei Generationen von der Kernenergie profitiert hätten. Endlager beträfen das Leben von mehr als 33.000 künftigen Generationen.

Neue Risiken:

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind kerntechnische Anlagen das erste Mal zum Ziel kriegerischer Auseinandersetzungen geworden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung listet auf der gesellschaftlichen Kostenseite auch die Gefahr der Weiterverbreitung waffenfähigen radioaktiven Materials aus Atommeilern auf.

Dazu kämen die bekannten Risiken radioaktiver Strahlung wie nach den großen Havarien in Harrisburg (USA/1977), Tschernobyl (Sowjetunion/Ukraine/1986) und Fukushima (Japan/2011). Der Verein Kerntechnik Deutschland, zu dem auch Energieversorger gehören, sieht den Nutzen der Kernenergie dennoch um das mindestens Achtfache höher als die gesellschaftlichen Kosten. (dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion