„Klimapolitischer Irrweg“: Über 70 Organisationen warnen vor CO₂-Endlagern in der Nordsee
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace und mehr als 70 weitere internationale Organisationen und Initiativen haben mit einem offenen Brief an den Bundestag vor Endlagern für Kohlenstoffdioxid in der Nordsee gewarnt.
Der Bundestag solle die Abscheidung und unterirdische Deponierung von Kohlenstoffdioxid aus Industrieabgasen nicht erlauben, erklärte Greenpeace am Mittwoch in Berlin. Die von der „Industrie inszenierte“ Debatte darüber sei ein „klimapolitischer Irrweg“.
Die 70 Unterzeichner-Organisationen kommen laut Greenpeace unter anderem aus Deutschland, Dänemark, Polen und den USA. Sie forderten, die geplante Novelle des Kohlenstoffdioxid-Speichergesetzes nicht zu beschließen. „Mit der Gesetzesänderung würden die Weichen dafür gestellt, mit Milliarden Steuergeldern den Ausstieg aus fossilen Energien zu verschleppen oder sogar zu verhindern“, erklärte Greenpeace.
Greenpeace: Ausstieg aus fossilen Energieträgern muss Vorrang haben
Das CCS-Gesetz und die dazugehörige Strategie des Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck (Grüne) enthält eine Reihe von Maßnahmen, die letztlich dazu führen sollen, dass die bislang in Deutschland unzulässigen Technologien CCS und CCU eingesetzt werden können.
CCS steht für Carbon Capture and Storage: Kohlendioxid oder CO₂ wird nicht in die Atmosphäre ausgestoßen, sondern abgeschieden und dann dauerhaft in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten gespeichert. CCU bedeutet Carbon Capture and Utilization, dabei wird das CO₂ nach der Abscheidung genutzt.
Die Technologien gelten als möglicherweise wichtiger Beitrag zum Klimaschutz in Bereichen, in denen CO₂ nicht gänzlich eingespart werden kann, stecken allerdings noch in den Kinderschuhen.
„Der sozial-ökologische Wandel der Industrie muss Vorrang vor CO₂-Endlagern haben“, erklärte Karsten Smid von Greenpeace. Die Diskussion über CCS verhinderte „die notwendigen Schritte zu echter Veränderung“. Die Unterzeichnenden des offenen Briefes sprachen sich stattdessen für „einen raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Erdgas, Kohle und Erdöl“ aus. Meeresschutzvereinbarungen dürften für CCS-Vorhaben nicht aufgeweicht werden.
Maßnahmen zum Abscheiden und zur Speicherung von Kohlenstoffdioxid könnten Deutschland laut Greenpeace bis 2045 bis zu 81,5 Milliarden Euro kosten. Sie erreichten dabei „keine nennenswerten Fortschritte für den Klimaschutz oder eine breite Anwendungsreife“, heißt es in einer Studie der Fossil-Exit-Forschungsgruppe, die Greenpeace vergangenen Woche veröffentlicht hatte.
Das CCS-Gesetz wurde Ende September in erster Lesung im Bundestag beraten. Ob und wie es damit nach dem Ampel-Aus weiter geht, ist derzeit unklar. (afp/red)
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