Artenschutz in Reservate verbannt
Am Freitag ging die 9. Vertragsstaatenkonferenz über Biologische Vielfalt zu Ende. Die Bilanz nach zwei Wochen Verhandlungen ist mehr als ernüchternd. In Bonn hatte man sich eigentlich damit beschäftigen wollen, wie der Artenschwund gestoppt oder zumindest verlangsamt werden kann. Nachdem in den Monaten zuvor noch eine Fülle von Medienartikeln mit eindrücklichen Zahlen aufgewartet hatten, etwa, dass in Bayern die Rinderrassen von 35 im Jahr 1900 auf vier im Jahr 2003 geschrumpft waren und insgesamt nur noch rund zehn Pflanzenarten und fünf Nutztierrassen die Basis der gesamten Welternährung bilden, wird jetzt fast nur noch über die Ausweisung von Schutzgebieten diskutiert.
Deutschland hat zugesagt, bis 2012 einen Betrag von 500 Millionen Euro und danach diese Summe jährlich für ein weltweites Schutzgebietsnetz bereitzustellen. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat denn auch 46.380 Hektar ehemals militärisch genutzter Liegenschaften von der Bundesregierung übertragen bekommen. Auf den Flächen, die aufgrund des jahrzehntelangen militärischen Übungsbetriebs kaum Eingriffen ausgesetzt waren, konnten sich bedrohte Arten wie der Wiedekopf oder seltene Insektenarten halten. Das von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas auf der Konferenz vorgestellte europaweite Netz „Natura 2000″ umfasst inzwischen über 26.000 Schutzgebiete auf etwa 20 Prozent der Fläche der EU-Mitgliedstaaten. Es soll als „wesentliches Instrument“ zum Stopp des Artensterbens bis zum Jahr 2010 dienen. Dann sollen sich auf der Folgekonferenz in Japan nämlich schon erste Erfolge abzeichnen.
Auch wenn viele Umweltverbände einen Vorstoß in diese Richtung, vor allem die finanziellen Beihilfen für den globalen Urwaldschutz, die von allen Industriestaaten nur Deutschland und Norwegen getätigt haben, begrüßen, schleicht sich doch der Gedanke ein, es werde hier eine Art Reservate- oder Relikte-Politik betrieben. Die Hauptprobleme – die im Eiltempo voranschreitende Flächenversiegelung (100 Hektar pro Tag) und die Intensivierung und Chemisierung in der Landwirtschaft – bleiben ausgeklammert. Ein Bauer, der sich entscheiden kann zwischen Programmen wie dem MEKA, das vorsieht, Teilflächen mit bunten Blühmischungen zu versehen, wofür er jedoch nur 140 Euro erhält, oder dem Anbau von Biospritpflanzen unter hohem Pestizideinsatz, der ihm 1.400 Euro einbringt, sät keine Blumen auf seine Felder.
Die heilige Kuh Gentechnik, größter Vernichter der Artenvielfalt, wurde auf der Konferenz nicht angetastet. Der Anbau gentechnisch veränderter Bäume – nach Risikoanalyse und bei Beachtung des Vorsorgeprinzips – bleibt erlaubt. Besonders paradox, dass Kanada, das 12 Jahre Erfahrung mit genetisch modifizierten Pflanzen hinter sich hat und sich inzwischen mit gentechnisch verändertem Superunkraut herumschlägt, neben Brasilien und der EU bei diesem Beschluss Vorreiter war. Und gerade mal die afrikanischen Länder hatten sich ihm entgegengesetzt und dafür plädiert, Gentech-Bäume nicht in die Natur freizusetzen. Aufgrund der langen Lebensdauer von Bäumen gehen Experten davon aus, dass früher oder später die natürlichen Wälder auf der ganzen Welt kontaminiert und die Baumgesundheit darunter leiden könnte.
Indessen werden immer mehr Stimmen laut, die ökologische Mindeststandards in der Landwirtschaft fordern, einige gehen weiter und sehen als letztendliche Lösung die komplette Umstellung auf biologisch erzeugte Produkte. Wissenschaftliche Studien haben zudem belegt, dass ein ökologischer Landbau gerade in den Ländern der Südhalbkugel neben der Schonung der natürlichen Ressourcen sogar zu Ertragssteigerungen führt.
Tief enttäuscht von den Ergebnissen der Konvention für Biologische Vielfalt zeigten sich die Organisatoren des Gegengipfels „Planet Diversity“, bei dem zum Auftakt der Verhandlungen 700 Vertreter und Vertreterinnen von Bauern-, Umwelt-, Entwicklungs- und anderen Nichtregierungsorganisationen aus 100 Ländern ihre Erwartungen an die Regierungsvertreter zum Ausdruck brachten. Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft formulierte es drastisch: „Solange Vielfalt als Zoo behandelt wird und nicht als unsere gemeinsame Lebensgrundlage, wird das Artensterben weiter voranschreiten.“
Text erschienen in Epoch Times Deutschland in Nr. 23/08
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion