Stärker im internationalen Wettbewerb: Digitalisierung verändert die Unis
Diese Zeiten dürften an den Unis vorbei sein. Daten und Informationen wandern zunehmend ins Netz ab, in virtuellen Klassenräumen oder Labors können sich Studenten und Forscher weltweit vernetzen. Vorlesungen gibt es als Video-Clip im Internet. Die Digitalisierung hat auch das Forschen und Lehren an den Hochschulen längst erfasst.
„Digitalisierung ist ein Wettbewerbsmerkmal. Wir gewinnen und halten Wissenschaftler über dieses Thema“, sagt Torsten Eymann. Er ist Vizepräsident der Uni Bayreuth – mit Spezialgebiet Digitalisierung.
Der weltweite Zugriff auf Informationen via Internet bringt die Hochschulen in neue Wettbewerbssituationen – Studenten und Forscher aus der ganzen Welt können sich über jede noch so kleine Uni informieren. So sieht das auch das Hochschulforum Digitalisierung der deutschen Hochschulrektorenkonferenz (HRK), das im vergangenen Herbst Thesen zur Digitalisierung vorgestellt hat. Darin heißt es: „Insgesamt sind die Hochschulen im Zuge der Digitalisierung noch stärker dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt.“
Unis mit „weltweiter Kundschaft“
Das muss, wie Eymann findet, kein Nachteil sein oder die Verantwortlichen unter Druck setzen. Vielmehr gelte es, die positiven Seiten hervorzuheben: Werden wissenschaftliche Arbeiten von den Bibliotheken digital erfasst und gut verschlagwortet, können Interessenten aus aller Welt auf die Forschungsergebnisse zugreifen und sie zitieren. Für Bayreuther Dissertationen gebe es inzwischen zahlreiche Zugriffe etwa aus Asien: „Das kommt uns zugute.“ Denn den Unis müsse klar sein, dass sie nicht national arbeiten, sondern „weltweite Kundschaft“ hätten.
Das hat man an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München schnell als Chance begriffen: Als erste deutsche Uni habe man „MOOCs“, das sind freizugängliche Onlinevorlesungen, angeboten, sagt Vizepräsident Martin Wirsing. „Das hat uns international noch mehr Sichtbarkeit gebracht.“ Es habe bislang rund 780 000 Hörer aus 200 Ländern bei diesem Angebot gegeben. Professoren, die sich beteiligt hätten, hätten verstärktes Interesse an ihren Arbeitsbereichen registriert.
Doch auch im studentischen Alltag hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Über E-Learning-Plattformen können Studenten Hintergrundmaterial oder elektronische Übungsblätter abrufen, ebenso kapitelweise Lehrbücher oder gar Videoclips. Das habe den Vorteil, dass man in den anschließenden Präsenzveranstaltungen auf Detailfragen eingehen könne, sagt Wirsing. „Das ist sicher sinnvoll“, da es die Veranstaltungen straffe und entlaste. Wichtig beim Einsatz neuer Medien in der Lehre ist ihm vor allem eines: Sie müssten dem besseren und erfolgreicherem Lernen dienen. Power-Point- Präsentationen etwa hätten für den Lernerfolg nichts gebracht. „Es müssen also Systeme eingeführt werden, die den Lernerfolg tatsächlich verbessern.“
Lernen kann individueller werden
Wie sich Lehrveranstaltungen konkret verändern, hänge stark vom Fach und vom Dozenten ab, sagt Eymann. Bislang werde in vielen Fächern in großen Vorlesungen das Wissen vermittelt, danach werde nachgearbeitet. Aber auch andersherum sei es möglich: Studenten informieren sich vorher über den Stoff und offene Fragen werden in der Lehrveranstaltung geklärt. „Das wäre sicher möglich, braucht aber eine andere Herangehensweise“, sagt Eymann. Der Dozent müsse zum Beispiel die Informationsflut aus dem Netz strukturieren: Was ist wissenschaftliches Wissen, was nicht?
Das Lernen kann individueller werden, wie es im Thesenpapier der HRK heißt: „Studierende haben im Rahmen digitaler Lehr- und Lernangebote die Möglichkeit, in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu lernen, und können stärker selbst festlegen, welche Lernmedien sie einsetzen und welche Plattformen sie im Lernprozess nutzen wollen.“
Schattenseiten
Doch in der schönen neuen digitalen Uni-Welt gibt es auch Schattenseiten. Was ist etwa mit weniger bemittelten Studenten, die sich Smartphone und Tablet nicht leisten können? Werden die abgeschnitten vom Informationsfluss? Eymann sagt, hier könne er sich vorstellen, dass Stiftungen diesen Studenten gezielt unter die Arme greifen. Aber die Trennlinien insgesamt würden schärfer werden – zwischen technikaffinen Studenten und Dozenten, die digitalen Neuerungen offen gegenüberstehen und denjenigen, die skeptischer sind. Zudem steige der Investitionsbedarf – Beamer, leistungsfähiges W-Lan, Tonanlagen, Großrechner mit viel Speicherkapazität seien notwendig.
(dpa)
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