Gesetz gegen Hass im Netz gebilligt – Bitkom: Gesetz schießt weit über Ziel hinaus

Die Bundesregierung billigte heute den Gesetzesentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gegen Hasskriminalität. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sieht die Verschärfungen kritisch. Die Behörden brauchen mehr Personal und Digitalkompetenz - keine fragwürdigen, neuen Befugnisse", sagte Bitcom-Chef.
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Symbolbild.Foto: istock
Epoch Times19. Februar 2020

Wer andere im Netz beleidigt oder bedroht, muss künftig mit härteren Strafen als bisher rechnen. Und wer Opfer einer Online-Attacke wird, hat bessere Chancen, dass die Urheber juristisch belangt werden.

Das sieht das Gesetz von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht gegen Hasskriminalität vor, das die Bundesregierung am Mittwoch gebilligt hat.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sieht die Verschärfungen krititisch. Auch wenn Rechtsextremismus und Hasskriminalität keinen Platz in der Gesellschaft haben dürften, schieße das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz über dieses Ziel weit hinaus, sagte Rohleder am Mittwoch. Der Entwurf breche gleichzeitig mit einigen Grundsätzen des Rechtsstaats.

„Die Auslegung der Gesetze und die Durchsetzung geltenden Rechts obliegen auch im Internet den Gerichten und Staatsanwaltschaften – nicht privaten Unternehmen“, so der Bitkom-Hauptgeschäftsführer.

Im Ergebnis würden die betroffenen Plattformen dazu verleitet, eher zu viele als zu wenige Nutzerdaten an Strafverfolgungsbehörden zu melden – auch aus Sorge vor Bußgeldern. „Grundprinzipien des Datenschutzes werden damit konterkariert.“

Gleichzeitig fehle vor allem Staatsanwaltschaften das nötige Personal, um die dann gemeldeten Daten überhaupt effizient bearbeiten zu können. „Eine wirksame Strafverfolgung bleibt damit aus.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität brauchen die zuständigen Behörden mehr Personal und Digitalkompetenz – keine fragwürdigen, neuen Befugnisse“, sagte Rohleder. Deutschland komme auch international eine Vorbildfunktion zu, wenn es um die Verteidigung bürgerlicher Freiheiten gehe.

„Das jetzt vorgelegte Gesetz birgt die Gefahr, Blaupause für die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet zu werden“, so der Bitkom-Hauptgeschäftsführer. Das Bundeskabinett hatte das Gesetzespaket am Mittwochvormittag beschlossen und damit in den parlamentarischen Prozess gegeben.

Laut Entwurf sollen soziale Netzwerke unter anderem dazu verpflichtet werden, IP-Adressen und Portnummer von Nutzern schon dann proaktiv an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten, wenn auch nur der Verdacht eines Vergehens bestehen könnte.

Richterbund: Schärfere Vorschriften längst „überfällig“

Der Deutsche Richterbund (DRB) hingegen hat die Regierungspläne für ein schärferes Vorgehen gegen Hasskriminalität begrüßt, zugleich aber eine personelle Verstärkung zur Umsetzung der neuen Vorschriften gefordert.

„Es ist überfällig, dass der Rechtsstaat sich bei Bedrohungen, Hass und Hetze im Netz konsequenter wehrt“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Das Bundeskabinett hatte zuvor einen Gesetzentwurf beschlossen, der deutlich höhere Strafen für solche Delikte vorsieht.

„Mit dem neuen Gesetz gegen Hasskriminalität kommt eine große Aufgabe auf die Justiz zu“, sagte Rebehn aber auch. „Sollen die nun verschärften Vorschriften nicht nur auf dem Papier stehen, braucht es hunderte zusätzliche Staatsanwälte und Richter, mehr Spezialisierung und einfachere Meldewege zur Justiz“, forderte der DRB-Geschäftsführer.

Schätzungen der Bundesregierung, wonach dazu in den Ländern Investitionen von 24 Millionen Euro pro Jahr erforderlich wären, seien „angesichts der zu erwartenden sechsstelligen Fallzahlen sicher nicht zu hoch gegriffen“, sagte Rebehn weiter.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht künftig einen Strafrahmen von ein bis drei Jahren Haft vor, wenn jemand im Netz mit Mord oder Vergewaltigung droht. Dies ist eine Verdreifachung des bisherigen Strafrahmens. Künftig können auch Drohungen mit sexuellen Übergriffen, Gewalttaten und erheblichen Sachbeschädigungen im Netz mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

So sehen die Strafverschärfungen aus

Drohungen im Netz:

Wer im Netz mit Mord oder Vergewaltigung droht, der muss künftig dreimal so hohe Strafen fürchten wie bisher: der Strafrahmen wird von bis zu einem auf drei Jahre verdreifacht. Künftig erfasst der entsprechende Strafrechtsparagraf 241 auch Drohungen mit sexuellen Übergriffen, Gewalttaten und erheblichen Sachbeschädigungen – etwa die Drohung, das Auto anzuzünden. Hier ist das Strafmaß bei öffentlichen Drohungen im Netz bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Diffamierung von Kommunalpolitikern:

Der Strafrechtsparagraf 188 zur üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens wird dahingehend verändert, dass er künftig „Politiker bis hin zur kommunalen Ebene“ schützt, wie es im Gesetzentwurf heißt. Bislang waren nur Politiker bis zur Landesebene klar von dem Gesetz erfasst. Der Strafrahmen wird auf fünf Jahre erhöht.

Beleidigungen:

Beleidigungen im Netz werden nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuches (StGB) künftig mit bis zu zwei Jahren statt bis zu einem Jahr Haft bestraft werden.

Antisemitische Delikte:

Wird eine Tat aus antisemitische Motiven heraus begangen, wird dies nach Paragraf 46 StGB in Zukunft ausdrücklich strafverschärfend wirken.

Medizinisches Personal:

Wer in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen arbeitet, soll strafrechtlich in gleicher Weise geschützt sein wie Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes.

Das Notdienst-Personal soll in den Schutzbereich des StGB-Paragrafen 115 aufgenommen werden, der die Gleichstellung dieses Personenkreises mit Vollstreckungsbeamten regelt.

PFLICHTEN DER NETZWERKBETREIBER:

Netzwerkbetreiber müssen künftig schwere Straftaten wie Morddrohungen der dafür vorgesehenen Zentralstelle beim Bundeskriminalamt melden.

Dazu gehört auch das Verbreiten von Propagandamitteln, die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie die Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen.

Darüber hinaus gilt die Meldepflicht auch für Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen, die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, die Belohnung und Billigung von Straftaten sowie Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit. Auch Kinderpornografie muss gemeldet werden.

In Lambrechts Entwurf wird von 250.000 gemeldeten Fällen pro Jahr ausgegangen. Für Delikte wie Beleidigung oder üble Nachrede gilt die Meldepflicht nicht. Die sozialen Netzwerke sollen die Nutzer aber darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige stellen können.

Betreiber sozialer Netzwerke, die der Meldepflicht nicht nachkommen, müssen künftig mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro rechnen, wenn sie der geplanten Meldepflicht für strafbare Inhalte nicht nachkommen.

MELDERECHT:

Künftig sollen Menschen, die von Bedrohungen und Beleidigungen betroffen sind, leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können.

Die Meldebehörden sollen berücksichtigen müssen, ob der Betroffene einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht.

Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird wie bisher bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben. (afp/dts/nh)



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