Deutscher Forscher: „KI ist nicht das, was Sie denken“

Vor allem die sogenannte „schwache KI“ beeinflusst in immer mehr Bereichen unser Leben. Über Datenerfassung, vermeintliche Intelligenz und vieles mehr sprach Epoch Times mit einem KI-Forscher.
Künstliche Intelligenz (KI) ist nicht gleich künstliche Intelligenz.
Künstliche Intelligenz (KI) ist nicht gleich künstliche Intelligenz.Foto: iStock
Von 16. September 2023

Intelligent ist nicht, wer alles weiß, sondern wer sein Wissen anwenden kann. Nach dieser Definition ist Künstliche Intelligenz (KI) mitunter meilenweit von ihrem Anspruch entfernt. Was viele Menschen überraschen könnte, ist in Wissenschaft und Industrie gelebter Alltag, erklärt ein KI-Forscher gegenüber Epoch Times.

Weil er in seiner mehr als 20-jährigen Karriere auf zwei Kontinenten mehrfach miterlebt hat, „wie Kollegen oder ganze Abteilungen verschwunden wurden“, zieht er es vor, unerkannt zu bleiben.

Was er zu berichten weiß, hat durchaus Konfliktpotenzial und entspricht so gar nicht dem, was der „Mainstream“ zu wissen glaubt. Um die Kommunikation zu erleichtern, soll er, in Anlehnung an den mathematischen Ausdruck für eine Variable, im Folgenden Herr N heißen.

Was ist eigentlich „künstliche Intelligenz“?

Viele Menschen verstehen unter KI eine Maschine, die denkt. Ganz so einfach ist es nicht. Um des Pudels Kern wirklich zu treffen, müssen wir einen Schritt zurückgehen: „Künstlich“ besagt, dass es etwas Erschaffenes ist. Im Fall der KI geht es zudem um eine virtuelle Maschine und dieses Computerprogramm ist in den meisten Fällen exakt so „intelligent“, wie seine Entwickler vorgeben.

Intelligenz darf dabei auch nicht als Klugheit verstanden werden, sondern vielmehr im Sinn des amerikanischen Geheimdienstes CIA. Die „Central Intelligence Agency“ ist schließlich keine Hochschule, weshalb die offensichtliche Übersetzung als „Zentrale Intelligenz-Agentur“, falsch ist. Stattdessen besteht die Aufgabe der CIA, wie die des deutschen Bundesnachrichtendiensts, im Sammeln von Nachrichten von und durch Menschen mit dem Mittel der Überwachung. Die inhaltlich korrekte Übersetzung lautet daher „Zentrale Informationsbeschaffungsagentur“.

So muss man sich auch eine KI vorstellen. Künstliche Intelligenz ist zunächst einmal eine Maschine zur Informationsbeschaffung und zwar für sehr, sehr viele Informationen. KI ist in diesem Sinn nicht schlau, sondern vor allem schnell und gut im Verknüpfen von Daten.

Was unterscheidet KI von einer Datenbank?

Eine Datenbank ist eine große Sammlung von Informationen, eine KI kann diese Information auswerten. Das kann ein Mensch auch, aber er ist viel langsamer. Beispielsweise habe ich mich viel mit dem autonomen Fahren beschäftigt. Sagen wir, dort gibt es eine Datenbank mit Millionen Fotos, die Verkehrszeichen und ähnliches abbilden. Verschiedene Verkehrszeichen bei Tag, bei Nacht, im Regen, im Nebel, verschmutzt, verdeckt und so weiter.

Diese Bilder wertet die KI aus und entwickelt ein abstraktes Verständnis jedes einzelnen Verkehrszeichens. Das nennt man maschinelles Lernen. „Sieht“ die Kamera des Autos bei der Fahrt nun ein Schild am Straßenrand, untersucht die Maschine es auf die zuvor erkannten Merkmale. Hat es einen hinreichend guten Treffer erzielt, wird die dazugehörige Aktion eingeleitet und zum Beispiel die Geschwindigkeit angepasst.

Das ist dasselbe Prinzip, das ein Mensch anwendet, jedoch mit zwei wesentlichen Unterschieden: Die KI kann die Bilder in wenigen Sekunden erfassen und auswerten, wozu der Mensch Tage, wenn nicht Wochen brauchen würde. Andererseits genügt dem Menschen bereits ein einzelnes Bild eines Verkehrszeichens, um die wesentlichen Merkmale zu erfassen und das Schild am Straßenrand wiederzuerkennen, selbst dann, wenn es in einem anderen Land vielleicht etwas anders aussieht.

Eine KI und eine Datenbank sind in diesem Sinne also nicht vergleichbar. Eine KI baut auf einer Datenbank auf. Was sie unterscheidet, ist die Fähigkeit der KI, Daten zu erfassen und Zusammenhänge zu erkennen. Und das ist sehr mächtig, denn es können sehr vieldimensionale, nicht lineare und zeitlich nicht gleichzeitige Phänomene erfasst werden. Ob die gefundenen Zusammenhänge dann sinnvoll oder nicht sinnvoll sind, ist eine andere Frage.

Was dahintersteckt, ist ein sogenanntes neuronales Netz, also die Nachahmung der Prozesse des Gehirns. Weil ein Computer und speziell Quantencomputer unheimlich viele Operationen parallel machen können, ist es aber viel schneller als der Mensch. Ein weiteres Beispiel aus meiner Arbeit ist die Analyse von Brennstoffzellen. Die KI hat quasi in fünf Minuten geschafft, woran wir früher mit klassischen Methoden fünf Monate gesessen haben.

Wo begegnen Menschen – wissentlich oder unwissentlich – einer solchen künstlichen Intelligenz?

Eigentlich ständig. Vor allem im Internet ist praktisch alles, was sie sehen von einer KI beeinflusst.

Können Sie etwas genauer werden?

Zum Beispiel in Google Maps und anderem für die Routenplanung, die Auswahl der angezeigten Beiträge in den sozialen Medien, natürlich auch, wenn man einfach eine Google-Suche macht, aber auch in der Bestimmung der Kreditwürdigkeit. Da wird dann vielleicht geschaut, wer ähnliches gekauft hat und wie und wann er bezahlt hat.

Wenn eine Webseite vorschlägt, welches T-Shirt man jetzt kaufen könnte, diese ganze personalisierte Werbung, macht das eine KI. Im Prinzip ist der gesamte Verkauf, nicht nur im Internet, betroffen. Das haben vor allem die Amerikaner und Chinesen vorangetrieben. In Deutschland kommt es jetzt auch. Ein anderer Bereich ist zum Beispiel die Optimierung von Fabriken, von Produktionsanlagen, von Produkten. Da ist Deutschland ganz gut unterwegs, aber das spürt der Endkunde nicht so direkt.

KI ist auch in Nachrichten, in Fahrzeugen.

Also überall da, wo man große Datenmengen hat.

Genau. Da wo man Tausende Leute bräuchte, da setzt man KI ein. Das geht sogar bis in die Entwicklung. Wenn eine Firma etwas Neues entwickeln möchte, bräuchten sie zum Beispiel 100 Programmierer, die das umsetzten. Dafür nimmt man jetzt KI und maschinelles Lernen.

Die KI entwickelt nicht Hundert Stellen Programmcode, sondern Tausende, testet sie alle und entwickelt sie weiter. Weil die KI so schnell ist, ist es unwichtig, ob sie gleich zu Beginn alles richtig macht. Dadurch spart die Firma unheimlich Ressourcen, auch wenn die Komplexität sehr hoch ist.

Es geht also ums Geld. Was erhofft man sich noch vom Einsatz der KI?

Natürlich. Menschliche Programmierer sind eine Kosten- und Zeitfrage. Wenn man Kundendaten auswertet, verspricht man sich mehr Umsatz, mehr Gewinn. Aber es gibt noch ganz viele, viele weitere Dinge, zum Beispiel die Optimierung der Logistik, der Lieferketten, der Lieferrouten, von technischen Prozessen und, und, und.

Es wird auch die Optimierung des Gesundheitswesens angestrebt. Da gibt es Projekte, wo der Mensch kontinuierlich überwacht wird, wo einfach erkannt wird, wie es den Menschen geht. Also zum Beispiel ein Krebspatient: Statt alle drei Monate beim Arzt erstellt die KI einen kontinuierlichen Bericht, wie sich das und das Medikament auf sein Wohlbefinden auswirkt. Da ist schon sehr viel Positives dabei. Das Negative aber natürlich auch.

Das ist die nächste Frage.

Genau. Das kann völlig in die andere Richtung gehen.

Da gibt es einerseits die automatisierte Erkennung von Betrug im Finanzwesen, andererseits die weltweite Überwachung von Überweisungen. Es gibt das Krisenmanagement, wo man auf die Bevölkerungsbewegung schaut und ob Menschen aus bestimmten Regionen zum Beispiel mitteilen, dass sie gerade Hochwasser haben. Das hat immer eine Kehrseite.

Es gibt KI-Roboter, die Aufgaben machen, für die keine Fachkräfte gefunden wurden. Ich erinnere mich an einen Fall in einem Krankenhaus, bei dem jetzt ein Roboter die Vorbereitung der Frühstückstabletts übernimmt. Er ersetzt Personal, aber er tut es, weil für diese Aufgabe kein Mensch gefunden wurde. In Zukunft ist es vielleicht anders. Aber vielleicht auch nicht – wenn sich Roboter um die Pflege kümmern, Menschen tragen, ohne sie zu verletzten, und vielleicht auch ein bisschen mit den Menschen sprechen können, dann wird der Pfleger entlastet und kann sich um andere Dinge kümmern.

Ich denke, es gibt da einen anderen Faktor und der ist die Unterscheidung zwischen schwacher und starker KI. Die Begriffe finde ich etwas unglücklich, aber so finden Sie sie im Internet. Schwache KI ist eigentlich alles, was ich Ihnen gesagt habe. Die starke KI wäre etwas, was wirklich intelligent ist, was eben die Menschheit ausrotten könnte, wenn da was schiefläuft.

Dann gibt es da noch die ganzen Sprachmodelle wie Bard oder ChatGPT. Da ist schon sehr viel möglich und Boston Dynamics entwickelt Hunde und sehr humanoide Roboter. Da kann man sich natürlich schon so eine Kriegsführung vorstellen. Wenn man so etwas will, bräuchte man aber keine KI dafür. Das geht auch anders, aber durch KI halt noch viel besser. Das ist schon eher eine Bedrohung. Vielleicht wird es aber auch wie im Sport, dass sich KI-Armeen duellieren.

Wenn sich KI-Armeen wie beim Sport duellieren, wäre das das schöne Szenario sozusagen. Wenn man beginnt, denen irgendwelche Emotionen einzuimpfen oder sie stur auf das Töten trainiert, dann ist alles möglich. Was ich damit sagen will, ist: Natürlich gibt es große Gefahren.

Was können wir dagegen tun?

Das ist eine gute Frage.

Auch hier muss man wohl unterschieden, um was für eine KI es sich handelt. Gegen die Datenerfassung können Nutzer nichts tun und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Informationen, die nicht entstehen, können nicht gesammelt werden. Wer seine T-Shirts im Laden kauft und auch nicht online nach Angeboten sucht, braucht im Regelfall nicht mit gezielter T-Shirt-Webrung im Internet zu rechnen.

Bei Sprachmodellen besteht nicht nur die Gefahr, dass sie nicht immer objektiv sind. Das sind sie tatsächlich nicht. Momentan sind da gewisse Dinge und Meinungen stärker vertreten. Dagegen ist der einzelne Nutzer wirklich machtlos. Er hat die Möglichkeit, sie nicht zu nutzen, aber das eigentlich Spannende ist für mich der Lerneffekt für den Menschen.

Man erkennt, was eigentlich Intelligenz ist und dass man sie – teilweise – auslagern kann, eben eine KI sozusagen. Das Schöne daran finde ich, dass man sich dann wirklich auch mit spirituellen Themen beschäftigen kann. Das ist für mich etwas Tolles. Erhöhen sich die Menschen auf einer spirituellen Ebene, werden auch (KI-)Soldaten und Kriege überflüssig.

Die KI führt also zurück zum eigentlichen Menschsein?

Ja, wenn die Menschen es erkennen.

Wenn ich mir die Arbeitswelt so anschaue – da läuft jeder wie ein Roboter durch die Gegend. Wir sind gefangen in unseren täglichen Jobs, sozusagen. Wir Menschen können dadurch unabhängiger werden. Früher haben wir Kartoffeln per Hand ausgegraben, das kann eine Maschine. Dann haben wir Eisenblöcke in der Fabrik hin und her bewegt, das kann auch eine Maschine. Das hat aber nicht unbedingt dazu geführt, dass die Menschen weniger Arbeit hatten.

Indem man Themen auslagert, müssen wir als Mensch uns nicht darum kümmern und wir haben mehr Möglichkeiten, uns mit dem zu beschäftigen, was den Menschen ausmacht. Wir haben die Möglichkeit, uns mit Themen zu beschäftigen, die die Menschheit wirklich weiterbringen können.

Das klingt nach einem hoffnungsvollen Ausblick. Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch.

Ich bedanke mich ebenfalls.

(Das Interview führte Tim Sumpf)



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