Tabu-Thema Hirntod – Stuttgarter Spezialist Bavastro: „Ein hirntoter Mensch ist nicht tot“

Der Experte Paolo Bavastro widerlegte, dass der Hirntod den Tod eines Menschen bedeutet. Er brachte im Jahr 1991 das Kind einer für hirntot erklärten Patientin zur Welt. Das noch immer unter dem Volk verbreitete Auffassung über den Hirntod wird jetzt von der Bundesregierung genutzt, um Organentnahmen zu zentralisieren und zu fördern.
Vom Koma zum Winterschlaf.
Ein Transplantationsmediziner hält in der Pathologie des Südstadt-Klinikums ein Herz in den Händen.Foto: Bernd Wüstneck/dpa
Epoch Times15. April 2019

85 Kliniken sind in Berlin und Brandenburg derzeit befugt, Spenderorgane zu entnehmen. Nach Auffassung der Gesundheitssenatorin Dilek Kollat müssen die Abläufe neu organisiert werden. Eine zentrale Klinik, wie beispielsweise die Charité, soll zukünftig die Organentnahmen übernehmen.

Bereits zum 1. April traten das „Zweite Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes“ in Kraft. Hiernach sollen „Krankenhäuser mehr Zeit und Geld für Organtransplantationen bekommen“, so das Gesundheitsministerium.

Die Regierung setzt Transplantationsbeauftragte ein, sobald Patienten nach ärztlicher Beurteilung als Organspender in Betracht kommen, sprich, wenn der Hirntod festgestellt wurde.  Das Herz schlägt noch, das Blut pulsiert. Ist der Patient wirklich tot?

„Ein hirntoter Mensch ist nicht tot.“

„Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist es nicht offenkundig, dass der Hirntod mit dem Tod gleichzusetzen ist“, stellt Professor Dieter Birnbacher, ehemaliger Vorsitzender der Zentralen Ethikkommision der Bundesärztekammer, laut „Ärztezeitung“ fest.

Der Hirntod ist kein wissenschaftlicher Fakt. Er ist keine medizinische Diagnose. Er ist eine soziale Übereinkunft. Es ist wichtig zu wissen, was man meint, wenn man sagt, jemand sei tot. Wenn man jemanden meint, der kalt ist und dessen Körper steift ist, und der beerdigt werden kann, dann sind Hirntote nicht tot. Sie können in diesem Zustand noch Jahre weiterleben“, so Dr. Robert Truog, amerikanischer Kinderarzt laut „Expresszeitung“ (Ausgabe 21/November 2018).

„Ein hirntoter Mensch ist nicht tot“, betonte auch Kardiologe Paolo Bavastro bereits vor Jahren in einem Interview mit „Deutschlandfunk“.

Ein Arzt hält im Kreißsaal einer Frauenklinik ein neugeborenes Baby, das per Kaiserschnitt zur Welt kam, in den Händen (Symbolbild). Foto: Daniel Karmann/Illustration/dpa

Eine Hirntote bringt ihr Kind zur Welt

Bavastro, ehemaliger Chefarzt einer Stuttgarter Klinik, hatte 1991 eine 31-jährige, für hirntot erklärte Patientin behandelt, die schwanger war. Die Schwangerschaft wurde über 84 Tage aufrechterhalten und das Kind kam per Kaiserschnitt zur Welt:

Die Auffassung hat sich insofern verändert durch die ganz elementare evidente Tatsache, dass die Hirntodsituation, wenn sie denn als Tod definiert wird, bedeuten würde, diese Patientin war eine Leiche, und in einer Leiche entwickelt sich ein Embryo bis zur Lebensfähigkeit, das ist ein Widerspruch in sich. Und dadurch hat sich täglich die Evidenz gezeigt: Der Hirntod ist nicht der Tod des Menschen!“

Was die Patientin nach der Feststellung des Hirntods auf der Ebene des Bewusstseins tatsächlich erlebt habe, könne Bavastro nicht sagen. Fest steht, dass das Herz schlug, der Körper temperiert war, Ausscheidungen wie Urin als auch Stuhl funktionierten und der Körper geschwitzt hat.

Die Menschen müssen aufgeklärt werden

Dass Menschen, die über diesen Umstand Bescheid wissen, ihre Organe nicht spenden und die Spenderzahl deutschlandweit sinken würde, ist für Bavastro laut „Deutschlandfunk“ kein Argument:

Die Menschen, die muss ich doch aufklären! Ich kann doch nicht sagen: Ich lasse sie unaufgeklärt, nur damit ich zu mehr Organen komme. Das wäre eine zynische Argumentationskette!“

Aber was ist mit den vielen Menschen, die sterben, weil sie kein Spenderorgan erhalten? Auch darauf hat Bavastro eine glasklare Antwort:

Widerspruch! Sie sterben nicht, weil Organe fehlen, sondern sie sterben an ihrer Krankheit! Das ist auch eine unredliche Argumentation.“

Der Kardiologe, der seit 2003 seine eigene Praxis führt, hat immer einen Zettel bei sich, auf den er geschrieben hat:

Der Hirntod ist nicht der Tod! Und solange das Gesetz so unklar ist, wie es jetzt im Moment ist, und nicht die strengste Zustimmungslösung gilt, bin ich kein Organspender.“

Über den Fakt, ob jemand seine Organe spenden will oder nicht, muss aktiv aufgeklärt werden.

Wer soll denn die Menschen, wenn sie einen Führerschein, wenn sie einen Personalausweis beantragen, wer soll sie denn aufklären? Die Menschen am Schalter, die den Führerschein ausgeben, mit Sicherheit nicht! Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) oder die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die schreiben schlicht und einfach: Bist du bereit, Organe nach deinem Tod zu spenden? Das ist keine Aufklärung! Wer soll denn die Aufklärung sachgerecht und korrekt machen, in so einer ganz schwierigen und komplizierten Situation? Das müsste eine neutrale Stelle sein, die wirklich auch die Menschen aufklärt, was der Hirntod ist!“

Bereits im Jahr 1996 trug der Spezialist sein Anliegen vor dem Deutschen Bundestag vor – ohne Zustimmung. Seit über zwanzig Jahren kämpft der Arzt um Aufklärung der Patienten zum Thema Hirntod und Organspende.

Jeder, der nicht widerspricht, gilt als Organspender

Bundesgesundheitsminister Spahn plant die Einführung der Widerspruchslösung. Was ist damit gemeint? Bislang musste man in Deutschland ausdrücklich sein Einverständnis für die Organentnahme nach seinem Tod erklärt haben, beispielsweise im Organspenderausweis.

Die Widerspruchslösung besagt, dass automatisch alle Patienten, bei denen der Hirntod festgestellt wird, potentielle Organspender sind, soweit sie dem nicht zu Lebzeiten widersprochen haben.  Anders gesagt: Wer zu seinen Lebzeiten nicht ausdrücklich darüber bestimmt, dass seine Organe im Körper bleiben, gilt automatisch als potentieller Organspender. Ein Organspenderausweis, bei dem ein „Ja“ oder „Nein“ angekreuzt ist, schafft Klarheit. (sua)

 



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