Seit 850 Jahren: Grönlandeis zeigt Wandel kanadischer Wälder
Obwohl das grönländische Eis tausende Kilometer nordöstlich von Nordamerika liegt, birgt es Hinweise auf die Umweltgeschichte des fernen Kontinents. Das Eisschild ist stellenweise mehr als drei Kilometer dick und wächst durch Schneeverwehungen, die sich im Laufe der Zeit auftürmen.
Doch Schnee ist nicht das Einzige, das die Luft dorthin trägt und sich schließlich niederlegt. So befinden sich unter dem weißen Pulver auch mikroskopisch kleine Pollen und Aschestücke, die wertvolle Informationen aus der Vergangenheit speichern.
In ihrer neuen Studie haben US-amerikanische Forscher vom Desert Research Institute (DRI) eben jene Pollen aus dem ewigen Eis untersucht. Damit konnten sie nachvollziehen, wie sich die Wälder im Osten Kanadas im Laufe der Zeit veränderten.
Jedes Korn zählt
Die Untersuchung von Eiskernen aus arktischen Landschaften wird seit Langem auf der ganzen Welt durchgeführt. Nun stehen jedoch erstmals die darin enthaltenen Pollen im Mittelpunkt von Forschungen.
Indem die Forscher um Sandra Brügger vom DRI jedes Pollenkorn sorgfältig unter dem Mikroskop analysierten, konnten sie erstmals die Veränderungen der kanadischen Wälder über einen Zeitraum von 850 Jahren aufzeichnen. In dieser Zeit erfuhr der Kontinent mit der sogenannten Kleinen Eiszeit um 1400 und der Ankunft der europäischen Siedler und der anschließenden intensiven Abholzung um 1650 enorme umweltliche Veränderungen.
Mit diesem Einblick in die Vergangenheit können zukünftige Veränderungen der Waldbedeckung besser bewertet werden, so die Forscher in einer Pressemitteilung. „Unsere Ergebnisse sind aufregend, denn Pollen, die Tausende Kilometer zurückgelegt haben, können Veränderungen aufzeigen, die in diesen Wäldern in großem Maßstab stattgefunden haben“, erklärt Brügger.
Da Pollen im Vergleich zu anderen atmosphärischen Partikeln relativ groß sind, reisen jedoch nur wenige von ihnen über die Ozeane und bleiben im arktischen Eis erhalten. Um ein aussagekräftiges Bild der Vergangenheit zu erhalten, mussten Brügger und ihre Kollegen genügend Pollen sammeln. Hierfür verdampften sie vorsichtig das Wasser aus den Eiskernen, um an die winzigen Körner zu gelangen.
Erst warm, dann kalt
Im Vergleich zu Pollen aus Seesedimenten sei es somit möglich, Veränderungen fast auf das Jahr genau datieren zu können. „Das hilft uns, die Informationen beispielsweise mit der Ankunft der europäischen Siedler im östlichen Nordamerika in Verbindung zu bringen – ein Ereignis, dass wir aus historischen Quellen kennen“, so Brügger.
Der Eiskern wurde in Südgrönland entnommen und enthielt vor allem Pollen von Nadelwäldern der Nordatlantikküste sowie kleinere Mengen aus der nördlichen Tundravegetation und europäischen Wäldern.
Zwischen etwa 1160 und 1400, einer Periode, die als mittelalterliche Warmzeit bekannt ist, stammten etwa 60 Prozent der Pollenaufzeichnungen von nördlichen Baumarten wie Kiefer, Fichte und Tanne. Nach dem Beginn der Kleinen Eiszeit um 1400 machten dieselben Arten fast 80 Prozent der Pollenfunde aus, was eine Ausdehnung dieser Wälder im Zuge der Abkühlung des Klimas belegt.
Mehr Siedler, weniger Wälder
Die Pollen derselben Nadelbaumarten veränderten sich zwischen 1650 und 1760 erneut und gingen auf etwa 40 Prozent der Eisaufzeichnungen zurück. Dies könnte laut den Forschern auf die umfangreiche Abholzung der Region durch europäische Siedler in dieser Zeit zurückzuführen sein. Zunehmende Waldbrände als Ursache für den Rückgang schlossen die Wissenschaftler aus, da sie weder Holzkohle noch Asche in den Eiskernen fanden.
Um 1760 steigen schließlich die chemischen Signaturen für fossile Brennstoffe, was den Beginn der Industrialisierung im östlichen Nordamerika markiert. Dies ist ungefähr der Zeitpunkt, an dem die Pollen auch deutlich mehr Veränderungen durch menschliche Aktivitäten widerspiegelten als klimatische Einflüsse. Daher schließen die Forscher, dass ab diesem Punkt der Geschichte mehr Menschen in der Region lebten, die das Ökosystem beeinflussten.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gingen die Nadelwälder dann weiter zurück. Zu dieser Zeit wurden in ganz Ostkanada die Wälder weiter abgeholzt und für Ackerland gerodet. Eine Erholung und damit ein Wachstum der Kiefernwälder begann schließlich um 1950, wie mehr Pollen im Eiskern zeigen.
„Ich hätte nicht erwartet, dass die Geschichte so deutlich im Eis niedergeschrieben ist“, erklärt Brügger. Die Forscherin plant nun, ihre Forschungen zeitlich auszuweiten und mehr alte Pollen zu untersuchen. Somit möchte Brügger einen tieferen Einblick erhalten und die Veränderungen der letzten 8.000 Jahre rekonstruieren.
Die Studie erschien am 28. Januar 2024 in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.
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