Plattentektonik der Erde hat sich „vor Kurzem“ grundlegend verändert

Neue Hinweise auf eine „konservierte Ursuppe“ im Inneren der Erde fanden jüngst dänische Geologen. Demnach könnte sich die Plattentektonik lange Zeit auf den oberen Erdmantel beschränkt haben und sich darunter „tiefere“ Einblicke in die Vergangenheit verbergen.
Der Grabenbruch im Nationalpark Tingvellir markiert den Mittelantlantischen Rücken auf Island und ist ein eindrückliches Zeichen der Plattentektonik der Erde.
Der Grabenbruch im Nationalpark Tingvellir markiert den Mittelantlantischen Rücken auf Island und ist ein eindrückliches Zeichen der Plattentektonik der Erde.Foto: iStock
Von 7. August 2023

Die Erde ist wirklich einzigartig unter den Planeten des Sonnensystems. Sie hat riesige Wasserozeane und reichlich Leben. Aber die Erde ist auch deshalb einzigartig, weil sie ein Planet mit Plattentektonik ist, ein Prozess, der Geologie und Klima geformt hat und weiter formt – und möglicherweise auch die Entwicklung des Lebens.

Plattentektonik beschreibt die Bewegung und das Zusammenspiel der kontinentalen Platten auf der Erdoberfläche. Diese Bewegung wird durch eine sehr langsame Bewegung des Erdmantels, die sogenannte Konvektion, angetrieben, welche Wärme aus dem Erdinneren an die Oberfläche unseres Planeten transportiert.

Forscher gehen davon aus, dass die Konvektion im Erdmantel kurz nach der Entstehung der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren einsetzte und dass sie auf der Ebene des gesamten Erdmantels stattfindet. Letzteres führte zu der Annahme, dass, wenn Platten an der Erdoberfläche zusammenstoßen und eine von ihnen nachgibt, diese in den heißen Erdmantel sinkt. Beim weiteren Sinken „auf eine Art Plattenfriedhof über dem Metallkern der Erde“ findet demnach eine kräftige Durchmischung statt.

Plattentektonik jünger als angenommen

Eine neue Studie der Universität Kopenhagen, die Ende Juli in der Fachzeitschrift „Nature“ erschien, legt jedoch nahe, dass diese Art der Plattentektonik ein jüngeres Merkmal der Erdgeschichte sein könnte:

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Konvektion im Erdmantel während des größten Teils der Erdgeschichte in zwei verschiedene Schichten unterteilt war, nämlich in obere und untere Mantelregionen, die voneinander isoliert waren“, sagte Zhengbin Deng, Gastforscher an der Universität Kopenhagen.

Dieser Übergang zwischen dem oberen und dem unteren Erdmantel findet in einer Tiefe von etwa 660 Kilometern unter der Erdoberfläche statt, so die Forscher weiter. Den Grund, dass er ausgerechnet dort liege, sehen sie im Phasenübergang einiger Mineralien in dieser Tiefe. Auf diese Weise hätten die Regionen des oberen und unteren Erdmantels weitgehend isoliert bleiben können.

Schlüssel aus Titan

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Recycling und die Vermischung [von Platten] in der Vergangenheit auf den oberen Erdmantel beschränkt war, wo eine starke Konvektion herrscht. Dies unterscheidet sich stark von dem, was wir heute unter Plattentektonik verstehen, wo subduzierende Platten in den unteren Mantel absinken“, erklärte der ebenfalls an der Studie beteiligte Professor Martin Schiller.

Ihre Erkenntnis beruht auf neuen Messungen der Isotopenzusammensetzung des Elements Titan in verschiedenen Steinen. Isotope sind Versionen desselben Elements, die sich in ihrer Masse leicht unterscheiden.

Im Fall von Titan verändern sich die Isotope, wenn sich Erdkruste bildet. Anhand der Zusammensetzung von bis zu 3,8 Milliarden Jahre alten Steinen einerseits und moderner Lava andererseits konnten die Forscher schließlich nachvollziehen, wie Oberflächenmaterial der Erdkruste im Laufe der geologischen Zeit recycelt wird.

Konservierte Ursuppe im Inneren der Erde

Wenn sich das Recycling und die Vermischung der kontinentalen Platten auf den oberen Erdmantel beschränken, wie in der neuen Studie postuliert, bedeutet dies, dass der untere Erdmantel ungestörtes Urmaterial enthalten könnte. Daraus ergibt sich das Konzept eines „Urmantels“, der sich auf Material bezieht, das seit den frühen Stadien der Erdentstehung vor etwa 4,5 Milliarden Jahren relativ unverändert und konserviert geblieben ist.

Die Idee der geologischen Ursuppe ist derweil nicht neu. Zwar wurde sie bereits auf Grundlage der Isotopenzusammensetzung seltener Gase aus Lavasteinen aus modernen, tiefliegenden Vulkanen vorgeschlagen, die Interpretation dieser Daten ist jedoch nicht eindeutig.

So glauben einige Forscher, dass die Gassignaturen aus dem Erdkern statt aus dem (tiefen) Erdmantel stammen. Da Titan nach jetzigem Wissensstand im Erdkern nicht vorkommt, bietet es eine neue Perspektive auf diese seit Langem geführte Debatte:

„Unsere neuen Titan-Isotopendaten ermöglichen eine robuste Identifizierung der modernen, tiefliegenden Vulkane, die aus dem Erdmantel stammen“, fasst Professor Martin Bizzarro zusammen. Das sei insofern spannend, „weil es ein Zeitfenster in die ursprüngliche Zusammensetzung unseres Planeten öffnet und es uns eventuell ermöglicht, die Quelle der flüchtigen Stoffe auf der Erde zu identifizieren, die für die Entwicklung des Lebens unerlässlich waren“.



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