Mütter, kümmert euch um eure Kinder – Feinfühligkeit leidet bei Handygebrauch

Tobende Kinder auf der einen Seite, Erwachsene im Bann ihres Smartphones auf der anderen. Ein mittlerweile alltägliches Bild auf deutschen Spielplätzen. Als ganz unproblematisch gilt der Konsum nicht. Eine neue Studie vom Leibniz-Instituts für Wissensmedien bringt etwas mehr Klarheit in die Diskussion.
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Mutter mit Handy und Kind auf Spielplatz.Foto: iStock
Epoch Times30. November 2019

Der Griff zum Handy kann negative Folgen für die Eltern-Kind-Interaktion haben, wie eine jetzt veröffentlichte Studie des Leibniz-Instituts für Wissensmedien zeigt. Es kommt dabei auf die Dauer der Nutzung an: Wenn Eltern zu lange am Handy sind, leidet ihre Feinfühligkeit.

Eltern gehören zu den intensivsten Smartphone-Nutzenden, behaupten Marktforschungsunternehmen. Ob im Supermarkt, in der Bahn oder zu Hause – viele nehmen das Handy auch in Gegenwart ihrer Kinder zur Hand. Als ganz unproblematisch gilt der Konsum nicht. Seit langem warnen Expertinnen und Experten vor den Auswirkungen der eingeschränkten Aufmerksamkeit.

„Heute schon mit ihrem Kind gesprochen?“ fragten etwa im Jahr 2017 bundesweit Plakate provokativ und sollten damit Eltern zur Reflexion des eigenen Medienverhaltens animieren. Ob die Smartphone-Nutzung von Eltern allerdings tatsächlich mit reduzierter Aufmerksamkeit und Vernachlässigung einhergeht, war wissenschaftlich bisher kaum belegt. Die Ergebnisse einer Studie von Forscherinnen des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen und der Universität Hohenheim sprechen nun für diesen Zusammenhang.

Wer länger am Handy ist, reagiert weniger sensibel

Für die Studie beobachtete das Forscherteam 89 Mütter mit ihren Kindern auf verschiedenen Spielplätzen. Dabei untersuchten die Wissenschaftlerinnen, wie oft und wie lange Mütter das Smartphone zur Hand nahmen und wie sie in dieser Zeit mit dem Kind interagierten. Hatte die Mutter ihre Tochter oder ihren Sohn im Blick oder bemerkte sie erst nach dem fünften Rufen, dass das Kind auf der Schaukel angestoßen werden möchte?

Das Ergebnis: Mütter, die ihr Smartphone für eine längere Zeit nutzten, verhielten sich weniger einfühlsam gegenüber ihrem Kind. Sie waren also weniger empfänglich für dessen Signale und reagierten auf Anfragen weniger angemessen. Während einer Beobachtungszeit von zehn Minuten griff fast die Hälfte der Mütter im Durchschnitt 80 Sekunden lang zum Handy. Werden Eltern also unsensibel, je mehr sie am Handy sind? Möglich. Eine Aussage über die langfristigen Auswirkungen der Nutzung trifft die Studie nicht.

Studienleiterin und Kommunikationswissenschaftlerin Lara Wolfers erklärt: „Nach unseren Daten verschlechtert eine längere Nutzung die Interaktionen zwischen Mutter und Kind direkt in der Situation. Wie die Nutzung aber über die Situation hinaus wirkt, können wir mit dieser Studie nicht aussagen.“ Die Anzahl der Nutzungsepisoden, also wie oft die Mutter zum Handy griff, hatte keinen Einfluss auf die Feinfühligkeit. Ein schneller Blick auf das Handy scheint demnach unproblematisch.

Weniger Eltern-Bashing, mehr Reflektion

Kurz mal auf das Display geschaut und man gilt gleich als Monster, so etwa empfinden viele Eltern eine vermehrte Kritik an ihrer Nutzung des mobilen Begleiters.

Mittlerweile wird sogar von „Mom- oder Dad-Shaming“ gesprochen, dem öffentlichen Anprangern von elterlichem Verhalten.

Zu Unrecht, wie Wolfers betont: „Die meisten Eltern benutzen das Smartphone in Gegenwart ihrer Kinder sehr reflektiert und konsumieren Inhalte, die wenig Konzentration benötigen.“ Kaum eine der beobachteten Mütter etwa spielte oder arbeitete, wie Befragungen zum Nutzerverhalten im Anschluss der Beobachtung zeigten.

Wenn Mütter ihr Handy nutzten, dann um den Alltag zu organisieren, Fotos zu machen oder mit Freunden und Familie zu schreiben. Durch den Kontakt zu den Bekannten zeigten sich die Mütter der Studie sogar feinfühliger, als wenn das Smartphone für andere Tätigkeiten zur Hand genommen wurde. Das Smartphone bietet hier mitunter einen Zugang zu Unterstützung oder auch ein offenes Ohr.

Das Smartphone: Elterlicher Anti-Stressfaktor

„Die öffentliche Diskussion zu Eltern und ihrer Handynutzung ist oft sehr negativ und einseitig“, meint Wolfers. Im Rahmen ihrer Dissertation erforscht die Doktorandin derzeit am Leibniz-Instituts für Wissensmedie, wie Eltern digitale Medien einsetzen – nämlich vor allem zum Stressmanagement: „Das Smartphone gibt Eltern Flexibilität und Autonomie zurück und bietet Kontakt zu Gleichaltrigen in einem sonst sehr isolierten Alltag.“

Das Elterndasein ist schön, kann aber auch stressig, langweilig und sehr einsam sein. Das Handy zu nutzen bedeutet, die Einkaufsliste auch unterwegs schreiben zu können, etwas von der Außenwelt mitzubekommen oder Ratschläge von anderen Müttern und Vätern zu erhalten.

„Das lässt Eltern möglicherweise entspannen, was sich wiederum positiv auf den Umgang mit dem Kind und die Feinfühligkeit auswirken kann“, so die Wissenschaftlerin. „Eltern sollten daher lernen ihr Handy so einzusetzen, dass es den größtmöglichen Nutzen bringt, aber die Interaktionen mit den Kindern möglichst wenig stört.“

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