Ist die Impfung „ansteckend“?

Kann ein Geimpfter einen Ungeimpften mit seinen Spike-Proteinen „anstecken“? Dieser wissenschaftliche Beitrag geht der Frage kritisch, aber besonnen nach.
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Arbeiten im Labor.Foto: iStock
Von 25. August 2023

Eine US-Forschergruppe will nachgewiesen haben, dass impfstoffinduzierte Antikörper gegen SARS-CoV-2 von geimpften auf ungeimpfte Personen übertragen werden können. Die Autoren selbst interpretieren ihre Ergebnisse als Beweis dafür, dass COVID-19-Impfungen auch ungeimpften Menschen nützen.

Manche sehen hingegen den Verdacht bestätigt, dass es durch die Impfungen zu sogenanntem „shedding“ kommen könnte, wodurch auch Ungeimpfte einem Risiko für Impfnebenwirkungen ausgesetzt wären. Beide Schlussfolgerungen sind allerdings falsch.

Ob das sogenannte vaccine shedding, also die Impfstoffausscheidung nach einer Impfung, eine ernst zu nehmende Gefahr darstellt, ist eine Frage, die viele beschäftigt. Sind Menschen, die gegen COVID-19 geimpft sind, ansteckend?

Kann der Impfstoff, also in der Regel die verwendete mRNA oder deren Produkt, das virale Spike-Protein, von geimpften auf ungeimpfte Personen übertragen werden? Sollte also der Umgang mit gegen COVID-19 geimpften Personen das Risiko mit sich bringen, dass auch nicht geimpfte Personen Impfnebenwirkungen erleiden könnten?

Vor diesem Hintergrund erregt gerade eine Studie von Wissenschaftlern der University of Colorado erhebliches mediales Aufsehen. Die Forschergruppe untersuchte die Gesichtsmasken, die von Beschäftigten in den Laboren der Abteilung für Immunologie und Mikrobiologie für einen Tag getragen wurden.

Sie fanden heraus, dass spezifische Antikörper gegen Spike-Proteine, sogenannte Immunglobuline (Ig) vom Typ A und G, in den getragenen Masken nachweisbar waren. Das legt den Schluss nahe, dass Antikörper, die als Reaktion auf die Impfung gebildet werden und in den Nasen- und Rachenraum vordringen, über Aerosole ausgeatmet werden können.

Antikörper werden über die Luft übertragen

In einem zweiten Schritt gingen die Wissenschaftler daher der Frage nach, ob solche antikörperbeladenden Aerosole nach dem Ausatmen auch die Übertragung dieser Immunoglobuline von einer Person auf eine andere ermöglichen. Dafür untersuchten sie Nasenabstriche von ungeimpften Kindern, die mit den geimpften Eltern in einem Haushalt lebten. Tatsächlich konnten sie auf diese Weise IgG und IgA im Nasenraum von Kindern nachweisen, die weder eine Impfung gegen COVID-19 erhalten noch eine Infektion mit SARS-CoV-2 überstanden hatten.

Die Autoren stellen gleich am Anfang ihrer Studie unmissverständlich klar, dass nach ihrer Einschätzung die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 eine bemerkenswerte Wirksamkeit gegen schwere Erkrankungen und Todesfälle bewiesen und auch bei neuen SARS-CoV-2-Varianten beibehalten haben. Eine gewagte These angesichts der erdrückenden Beweise, dass die Effektivität aller Impfstoffe nach wenigen Monaten kaum mehr messbar ist, wie selbst das Robert Koch-Institut inzwischen festgestellt hat.

Ihrer Einschätzung folgend, halten die US-Forscher dann auch die von ihnen gemessene Übertragung von Antikörpern auf einen Empfänger uneingeschränkt für nützlich. Impfstoff-induzierte Antikörper vermitteln nach ihrer Interpretation die Übertragung von passiver Immunität über die ausgeatmete Luft.

Kein Nachweis von passiver Immunisierung

Allerdings wäre eine wirkliche Schutzwirkung von der Exposition, also den übertragenen Mengen an Antikörpern, und ihrer Qualität abhängig. Immunität ist mehr als nur das Vorhandensein von Antikörpern. Die Übertragung von spezifischen Immunglobulinen, die gegen bestimmte Erreger oder deren Bestandteile wirksam sind, wird als passive Immunisierung bezeichnet. Das setzt voraus, dass die übertragenen Antikörper einen vorübergehenden Schutz verleihen müssen.

Allerdings unterließen es die Forscher aus Colorado, mögliche protektive Effekte der übertragenen Immunglobuline A und G zu untersuchen. Schützende Eigenschaften der nachgewiesenen Antikörper auf den Epithelien der Schleimhäute wären von ihrer Aktivität, also ihrer neutralisierenden Wirkung abhängig: Das Andocken des Virus an Körperzellen könnte im Prinzip durch Antikörper gehemmt werden, wenn sie die Rezeptor-bindenden Domänen der Spike-Proteine blockieren.

Um solche Effekte festzustellen, hätten Neutralisationstests durchgeführt werden müssen. Das haben die Wissenschaftler allerdings unterlassen.

Eine Infektion induziert qualitativ bessere Antikörper als eine Impfung

Forscher am St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis haben hingegen genau solche Neutralisierungstests mit Antikörpern, die vorher vom Nasenepithel isoliert worden waren, durchgeführt. In ihrer gerade erschienenen Studie hatten sie sowohl Personen, die gegen COVID-19 geimpft waren, als auch Personen, die vorher mit SARS-CoV-2 infiziert waren, auf funktionale Antikörper im Nasen- und Rachenraum untersucht.

Dabei konnten sie feststellen, dass Nasenabstriche von genesenen Personen durchschnittlich eine höhere neutralisierende Aktivität aufwiesen als Nasenabstriche von geimpften Personen. In der infizierten Kohorte reichten wenige Nasenabstriche aus, Coronaviren vollständig zu neutralisieren. Demgegenüber hatten die Nasenabstriche von geimpften Personen kaum neutralisierende Effekte.

Obwohl in der geimpften wie ungeimpften Kohorte ähnlich hohe Antikörpermengen gefunden wurden, wiesen die Antikörper nach einer Infektion also ein breiteres Spektrum an Neutralisierungskapazität auf. Nach diesen Daten würde die ausgeatmete Luft von Genesenen also mehr neutralisierende Antikörper enthalten als die von Geimpften.

Allerdings bleibt unklar, ob es einen Zusammenhang zwischen aufgenommenen Antikörpern und der Anfälligkeit für Virusinfektionen gibt. Ob die geringen Mengen übertragener Antikörper einen protektiven Effekt haben können und ob sie in der Schleimhaut des Empfängers wirksam sind, lässt sich ohne geeignete Untersuchungen nicht feststellen.

Antikörperübertragung ist kein vaccine shedding

Trotz des großen Medienechos ist die Arbeit der Wissenschaftler aus Colorado methodisch wenig anspruchsvoll und statistisch nicht aussagekräftig. Es fehlen wichtige Kontrollexperimente, ausreichende Kohortengrößen und die richtigen Kontrollgruppen, um wirklich belastbare Schlussfolgerungen ziehen zu können. Das dürfte ein Grund sein, warum die Arbeit in einem vergleichsweise wenig beachteten Fachjournal erschienen ist.

Bemerkenswert dabei ist allerdings, dass diese Studie innerhalb nur eines Tages für eine Veröffentlichung akzeptiert wurde. Eine sorgfältige Prüfung durch unabhängige Fachleute, die gewährleisten sollte, dass wissenschaftliche Standards eingehalten wurden und die Arbeit von ausreichender Qualität für eine Publikation ist, dauert in der Regel Wochen bis Monate.

Dass die Studie dennoch auf große Resonanz stößt, liegt möglicherweise daran, dass sie Hinweise enthält, dass induzierte Immunreaktionen bei geimpften Personen möglicherweise Konsequenzen für ungeimpfte Menschen in der Umgebung haben könnten. Während die einen wohlwollend über eine mögliche Herdenimmunität durch passive Immunisierung nachdenken, werden bei anderen Ängste geweckt: Könnte es sein, dass negative Auswirkungen der COVID-19-Impfungen auf diese Weise auch auf ungeimpfte Personen übertragen werden?

Trotz anderslautender Berichte bestätigt die Studie der Universität von Colorado eine solche Gefahr jedoch nicht. Die durch Aerosole übertragenen Antikörpermengen sind gering, und die Immunglobuline verbleiben überwiegend in der Nasen- und Rachenschleimhaut. So ist nicht davon auszugehen, dass diese Übertragungen von Antikörpern überhaupt Effekte auf einen potenziellen Empfänger haben dürften.

Ein Skandal, dass nicht geforscht wird

Die nicht zu unterschätzenden Gefahren genbasierter Impfstoffe gegen COVID-19 liegen vor allem in der Toxizität des Spike-Proteins und der Lipidnanopartikel sowie darin, dass die eingesetzten Nukleinsäuren, also RNA oder DNA, körpereigene Zellen zur Produktion von körperfremden Substanzen umprogrammieren.

In diesem Kontext könnten Antikörper gegen Spike-Proteine eine Rolle bei der Entstehung von pathologischen Immunreaktionen nach Impfungen spielen. Allerdings entsteht der Schaden dann wohl dadurch, dass spezifische Antikörper in großer Menge von eigenen Immunzellen immer wieder neu gebildet werden und diese sich dann gegen Spike-Proteine richten können, die bei geimpften Personen ebenfalls von körpereigenen Zellen produziert werden.

Darüber hinaus ist die Übertragung von Antikörpern kein spezifischer Effekt, der nur nach Impfungen gegen COVID-19 auftritt. Was auch immer sich in den Schleimhäuten des respiratorischen Systems befindet, kann im Prinzip durch Ausatmen oder Husten auf andere übertragen werden. Das betrifft nicht nur Antikörper, sondern auch andere körpereigene Strukturen und Substanzen, genauso wie natürlich dort vorhandene Erreger oder deren Bestandteile.

Mit der Möglichkeit des vaccine shedding hat das jedoch nichts zu tun. Im Prinzip ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass Impfstoffe von einer Person auf eine andere übertragen werden. Es ist aber generell nicht von einer großen Gefahr auszugehen, wenn diese Komponenten auf die natürlichen Barrieren eines potenziellen Empfängers treffen, wie sie zum Beispiel die Schleimschichten des respiratorischen Systems darstellen.

Diese natürlichen Barrieren können allerdings übersprungen werden, wie es zum Beispiel bei einer Bluttransfusion der Fall wäre. Wir wissen beim derzeitigen Stand der Forschung tatsächlich nicht, ob auf diese Weise übertragene Impfstoffe oder Spike-Proteine Effekte beim Empfänger auslösen können. Ob vaccine shedding daher eine reale Gefahr darstellt, bleibt gegenwärtig offen.

Bei aller gerechtfertigten Skepsis gegenüber den neuen genbasierten Impfstoffen ist es wichtig, die Fakten und die veröffentlichten Daten genau zu betrachten. Risiken der mRNA- und DNA-Präparate sind bisher nur unzureichend analysiert, aber es ist davon auszugehen, dass sie erheblich größer sind als offiziell behauptet.

Diese Tatsache wird bisher noch von den meisten Forschern und Medizinern ignoriert. Sorgfältige Untersuchungen möglicher Mechanismen, die zu Gesundheitsrisiken durch genbasierte Impfstoffe führen, sind allerdings von herausragender Bedeutung und sollten angesichts der beispiellosen Anwendung dieser Präparate die höchste Priorität haben.

Das Fehlen solcher Untersuchungen ist ein Skandal und fördert Spekulationen. Wichtig bleibt es daher, immer kritisch zu prüfen, ob Annahmen über denkbare Effekte von den vorhandenen Daten gestützt werden.

Dr. Kay Klapproth ist Biologe mit Schwerpunkt Immunologie. Er hat viele Jahre in Forschung und Lehre gearbeitet, zuletzt als Akademischer Rat der Universität Heidelberg. 

Dieser Artikel erschien zuerst auf „Achgut“ unter dem Titel „Ist die Impfung ‚ansteckend‘“?



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