Harz als Klebstoff: Der Neandertaler war alles andere als primitiv
Als die Archäologen in den italienischen Höhlen Grotta del Fossellone und Grotta di Sant’Agostino gruben, stießen sie wie erwartet auf unzählige Steinwerkzeuge. Doch zu ihrem Erstaunen, fanden sie an ihnen die Rückstände eines Klebstoffes.
Sie hielten somit den frühen Beweis eines wichtigen technologischen Fortschrittes in der Hand. In der Fachwelt ist diese Art zu kleben auch unter der Bezeichnung „hafting“ bekannt.
Eine klebrige Substanz
Die neue Studie, die unter anderem von Paola Villa vorgelegt wurde, zeigt, dass Neandertaler, die vor etwa 55.000 bis 40.000 Jahren in Europa lebten, das Harz von Pinienbäumen sammelten. Mit dieser klebrigen Substanz klebten sie dann Steinwerkzeuge an Griffe aus Holz oder Knochen.
Die Ergebnisse tragen zu einer wachsenden Zahl von Beweisen bei, die darauf hindeuten, dass der enge Verwandte des Homo sapiens klüger waren, als die Mehrheit der Menschen sich vorstellt.
„Wir finden nach wie vor Beweise dafür, dass die Neandertaler keine minderwertigen Primitiven waren, sondern durchaus in der Lage waren, Dinge zu tun, die traditionell nur dem modernen Menschen zugeschrieben werden“, sagte Villa in einer Mitteilung.
Seltsamen Rückstand auf einer Handvoll Feuersteine
Diese Erkenntnis, fügte Villa hinzu, kam von einer zufälligen Entdeckung in der Grotta del Fossellone und der Grotta di Sant’Agostino, einem Höhlenpaar an der italienischen Westküste.
Diese Höhlen waren die Heimat der Neandertaler, die in der mittleren Altsteinzeit in Europa lebten, Jahrtausende bevor der Homo sapiens den Kontinent betrat. Archäologen entdeckten mehr als 1.000 Steinwerkzeuge an beiden Fundorten. Darunter fanden sich auch Feuersteinstücke, die nicht viel größer als zwei Zentimeter waren.
In einer aktuellen Studie über die Werkzeuge bemerkten Villa und ihre Kollegen einen seltsamen Rückstand auf nur einer Handvoll Feuersteine. Diese Reste schienen von organischem Material zu stammen.
„Manchmal war diese Auflagerung nur anorganisches Sediment. Aber manchmal waren es die Spuren des Klebstoffs, mit dem das Werkzeug in seiner Fassung gehalten wurde“, sagte Villa.
Eine Mischung aus Bienenwachs und Harz
Um dieser merkwürdigen Substanz auf den Grund zu gehen, führte die Studienleiterin Ilaria Degano von der Universität Pisa eine chemische Analyse an 10 Feuersteinen durch. Mithilfe von Gaschromatographie und Massenspektrometrie entdeckten sie, dass sich dabei um Harz von lokalen Kiefern handelte. In einem Fall wurde dies sogar zusätzlich mit Bienenwachs vermischt.
Villa erklärte, dass die Neandertaler nicht nur mit bloßen Händen Steinwerkzeuge benutzten. In zumindest einigen Fällen befestigten sie diese Werkzeuge auch an Griffen, um eine bessere Handhabung zu ermöglichen. „Man braucht Steinwerkzeuge, um Äste von Bäumen abzuschneiden und sie anzuspitzen“, sagte Villa.
Umgang mit Feuer sei für Neandertaler zu jeder Zeit möglich gewesen
Dieser Fund ist jedoch nicht der älteste bekannte Beispiel für „hafting“ durch Neandertalern in Europa. Zwei Abschläge aus dem Steinbruch Campitello in Mittelitalien sind noch älter! Dies deutet darauf hin, dass diese Technik gebräuchlicher war als bisher angenommen.
Die Existenz des „hafting“ liefert zudem weitere Beweise dafür, dass Neandertaler in der Lage waren, ein Feuer zu machen, wann immer sie es wollten, sagte die Archäologin. Dies sei ein Thema, das Wissenschaftler schon lange diskutiert haben.
Weiterhin erzählte sie, dass Kiefernharz trocknet, wenn es der Luft ausgesetzt ist. Infolgedessen mussten die Neandertaler ihn über einen kleinen Brand erwärmen, um einen effektiven Klebstoff herzustellen.
„Dies ist einer von mehreren Beweisen, die deutlich zeigen, dass die Neandertaler in der Lage waren, Feuer zu machen, wann immer sie es brauchten“, sagte Villa.
Den Link zur PDF der Studie finden Sie hier: Hafting of Middle Paleolithic tools in Latium (central Italy): New data from Fossellone and Sant’Agostino caves
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