Grün, grün, grün sind alle meine Kleider
Die „Grüne Woche“ in Berlin – von der lokalen Warenbörse zur Weltmesse
Die Taxifahrer in Berlin haben gut zu tun, wenn sie die Besucher der „Grünen Woche“ nach Hause fahren. Angefüllt mit nationalen und internationalen Gerichten, angetörnt von Bier und Wein und harten Schnäpsen und natürlich erschöpft vom Gang durch die endlos sich hinziehenden Hallen voller Menschen, Pflanzen, Viehzeug und „Fressalien“, sinken die Fahrgäste in die Limousinen. Sie verströmen ein Odeur von Pizza, Döner, Knoblauch und Alkohol und schwadronieren über Biobauern und Viehzucht, als hätten sie nie mit etwas anderem zu tun.
Tatsächlich kann man sich neben den leiblichen Genüssen auch informieren in zahlreichen Lehr- und Sonderschauen, etwa zu EDV und Fischerei, zu Wald und Landschaft, in „Frische Foren“ für empfindliche Agrarprodukte, sowie zukunftsorientierten Themen wie „Grünes Geld“ und „Erneuerbare Energien“.
Vom 21.-30. Januar öffnet die Internationale „Grüne Woche“ Berlin zum 70. Mal ihre Pforten. Sie zählt seit ihrer Einführung 1926 mit 69.000 Ausstellern und insgesamt 28 Millionen Besuchern zu den traditionsreichsten Messen in Deutschland überhaupt.
Grüne Lodenmäntel gaben den Namen
Dabei hatte alles ganz einfach begonnen, seit die deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts ihre Wintertagungen in Berlin abhielt. Zeitgleich wurden nämlich eine Woche lang Lodenmäntel und andere grüne Kleidungsstücke in der ganzen Stadt verkauft. Handwerk und Industrie boten parallel dazu im Tagungsviertel auf offener Straße berufsspezifische Artikel und Verbrauchsgüter an.
Der Landwirt und Mitarbeiter im Berliner Fremdenverkehrsamt Hans-Jürgen von Hake hatte schließlich die zündende Idee und verband die Tagung 1926 erstmals mit einer landwirtschaftlichen Ausstellung am Kaiserdamm. Der schnelle Berliner Witz fand einen Namen, die „Grüne Woche“ war geboren.
Die deutsche Reichshauptstadt selbst nutzte damals ein Fünftel ihres Territoriums für Landwirtschaft und Gartenbau. In ihrem Stadtgebiet lebten 45.000 Pferde, 25.000 Schweine, 21.000 Milchkühe und mehr als eine halbe Million Stück Geflügel. Größtes Exponat der ersten Schau war ein eisenbereifter Universalschlepper mit 100 PS, der als Zeichen für die beginnende Mechanisierung galt.
Kohlköpfe und Kürbisse als Blockadebrecher
Mit den Jahren wurde es immer vielfältiger. Neuigkeiten wie eine Kannenmelkanlage, ein Raupenschlepper oder leistungsfähigere Getreidesorten hatten fortan Premiere. Nach einem Stillstand durch die Jahre des Krieges, des Hungers und der Zerstörungen wurde die „Grüne Woche“ vom Zentralverband der Kleingärtner, Siedler und Boden nutzenden Grundbesitzer mit unglaublicher Zivilcourage 1948 zum ersten Mal wieder eingerichtet. Diesmal zeigten 59 Aussteller während der Berliner Blockade Riesenexemplare von Kastengurken, Kohlrabi, Kopfkohl und fast zentnerschwere Kürbisse. Zeichen des Überlebenskampfes, als man auf öffentlichen Plätzen und Parks Kartoffeln, Kohl und Rüben anbaute.
„Appetit ahoi“
1951 wurde es weltstädtischer, die „Internationale Grüne Woche Berlin“ imponierte den Besuchern. Das Publikum und auch Bundeskanzler Konrad Adenauer staunten über eine Gemüsepyramide, die von einem holländischen Aussteller präsentiert wurde. 1971 wurden die drei Säulen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau mit dem Konzept der Lehr- und Sonderschauen erweitert. Jetzt stand nicht mehr die nach dem Kriege so wichtige Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Nahrungsmitteln im Vordergrund, sondern die ästhetische Seite von Essen und Trinken erfuhr mehr und mehr Beachtung. „Aus der Heimat schmeckt’s am besten“, die Deutsche Wein- und Sektstraße, „Appetit ahoi“ der Fischwirtschaft und immer mehr Blumen legten davon Zeugnis ab. 1981 kam das Internationale Forum Agrarpolitik dazu, 1984 die MultiServa für Gemeinschaftsverpflegungen und 1986 die „Bundesschau Fleischrinder“, später gefolgt von „Schafen“ und „Kaltblutpferden“.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 stand die Messe dann endlich wieder allen Besuchern aus dem nahen Umland und aus den benachbarten Staaten Mittel- und Osteuropas offen. Neu in das Programm aufgenommen – und das mit großem Erfolg – wurden seitdem die Produktmärkte für Bier, Milch, Fleisch/Wurst, Tee/Kräuter/Gewürze und Seafood mit internationaler Beteiligung, und im Jahr 1999 konnte der landwirtschaftliche Bereich der Grünen Woche um die Segmente „Tierzucht“ und „Nachwachsende Rohstoffe“ erweitert werden.
„Erlebnis Bauernhof“
Den Grüne-Woche-Teilnehmern bietet sich vom 21.-30 Januar wieder ein umfangreiches Rahmenprogramm mit über 250 Symposien, Seminaren und Kongressen. Fachveranstaltungen sind unter anderen das Ost-West-Agrarforum mit 1000 hochrangigen Teilnehmern, das Internationale Forum Agrarpolitik mit 800 Teilnehmern, die Verleihung des Förderpreis Ökologischer Landbau, „Erlebnis Bauernhof“ und speziell Pferderassen aus Deutschland, Direktvermarkter und Nachwachsende Rohstoffe. Weitere attraktive Programmpunkte sind die Landmaschinenschau und die MultiServa, sowie die „Heim-Tier & Pflanze“ und der BioMarkt. Mit dem neuen Millennium wurde die Grüne Woche konzeptionell durch zukunftsorientierte Themen wie „Grünes Geld“ und „Erneuerbare Energien“ ergänzt. (www.gruenewoche.de)
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