NZZ zur Oxford-Studie: Teure linke Echokammern ARD und ZDF „kein gutes Zeugnis für Deutschland“

Eine internationale Untersuchung der Universität Oxford mit dem Reuters-Institut für journalistische Studien hatte zum Ergebnis, dass die öffentlich-rechtlichen deutschen Medien ARD, ZDF und Deutschlandradio immer weniger junge Zuschauer haben – und einseitig die Bedürfnisse eines Publikums links der Mitte bedienen. Nur die Nutzer der griechischen ERT stehen noch weiter links.
Titelbild
Fernsehmikrofone mit den Logos von „ARD“/„BR“ und „ZDF“.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 17. September 2019

In einer vielbeachteten Untersuchung der Universität Oxford mit dem Reuters-Institut für journalistische Studien nahmen die Forscher die öffentlich-rechtlichen und die jeweils führenden privaten Medien in acht europäischen Ländern unter die Lupe. Sie untersuchten unter anderem, wie gleichmäßig diese on- und offline präsent sind, welches Publikum die Sender jeweils ansprechen und wie stark das Vertrauen der Nutzer in die jeweiligen Medien ausgeprägt ist.

Was die Ergebnisse der Studie offenbaren, geht insbesondere mit Blick auf die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht immer mit deren Selbstbild konform – und deutet an, dass diese oft auch in unzureichendem Maße ihrem gesetzlichen Auftrag nicht vollständig gerecht werden.

„Unser gemeinsamer, freier Rundfunk“, wie ihn Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Wehling in ihrem vieldiskutierten „Framing-Manual“ Anfang des Jahres nannte, sieht seine Aufgabe darin, „einen Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu leisten und so zu einem funktionierenden demokratischen Gemeinwesen beizutragen“.

„Vielfalt gesellschaftlichen Lebens widerspiegeln“

Als Kennzeichen nennt die ARD selbst „Staatsferne, föderale Struktur und die Programmgestaltung durch und für eine pluralistische Gesellschaft“. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk strebe es an,

die Vielfalt gesellschaftlichen Lebens widerzuspiegeln und den Zusammenhalt des Gemeinwesens wie auch die Integration in Deutschland und Europa zu fördern“.

Den Ergebnissen der Studie aus Oxford zufolge hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk jedoch, was den Erfolg dieses Strebens anbelangt, durchaus noch Luft nach oben. Dies bezieht sich nicht nur auf die ungleichmäßige Altersstruktur der Nutzer, sondern vor allem auch auf deren politisch-weltanschauliche Überzeugungen.

Dass die Altersgruppe von 18 bis 24 Jahre nur sechs Prozent der Gesamtnutzer öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland ausmacht, während der größte Teil der Nutzer 55 Jahre oder älter ist, ist ein Problem, das ARD, ZDF und Deutschlandradio in ähnlicher Form mit allen untersuchten öffentlichen Rundfunkanstalten teilen. Auch im Onlinesegment erreicht man nur noch 19 Prozent der jüngeren Altersgruppe – zwei Prozent weniger als 2016.

Plattformübergreifend erreichen die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender eine Gesamtreichweite von 69 Prozent mit deutlichem Übergewicht an Offline-Nutzern. Die britische BBC liegt mit 78 Prozent an der Spitze der untersuchten Anstalten, vor der finnischen Yle mit 73 Prozent.

BBC, Yle und RTVE als ausgewogener wahrgenommen

Was die deutschen Öffentlich-Rechtlichen allerdings nicht mit jenen anderer Länder teilen, ist die politisch einseitige Ausrichtung, die sich an der Selbsteinstufung der Nutzer offenbart. Demnach erreichen ARD, ZDF und Deutschlandradio fast ausschließlich ein Zuschauersegment, das sich selbst als Mitte-Links bis eindeutig links einstuft. Demgegenüber findet sich keine ausreichend signifikante Anzahl an Nutzern, die sich als rechte Mitte oder rechts einstufen, um diese in der Ergebnisgrafik der Studienautoren abbilden zu können.

Nur die Zuschauer der griechischen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ERT stufen sich als noch weiter links ein – diese erreicht jedoch auch nur einen Marktanteil von 37 Prozent.

Dass es auch anders geht, zeigen die übrigen untersuchten Medienanstalten. Während die französischen Sender FT und RF und die italienische RAI in der Tendenz mehr linke als rechte Nutzer ansprechen, aber in Summe doch auf beiden Seiten des Spektrums Anklang finden, ist das Verhältnis bei BBC, Yle und der spanischen RTVE nahezu ausgewogen. Die tschechischen öffentlich-rechtlichen Anstalten ČT und ČRo werden sogar leicht überwiegend von einem Mitte-Rechts-Publikum genutzt. Tschechien ist auch das einzige Land, in dem öffentlich-rechtliche Medien stärker von einem weiter rechtsstehenden Publikum genutzt werden als die führenden privaten Sender. Der einzige größere Privatsender in den untersuchten Ländern, der ein weit links angesiedeltes Publikum anspricht, ist Spaniens „La Sexta“. 

Nur ERT für rechte Zuschauer noch weniger vertrauenswürdig

Beim Vertrauenslevel zeigen sich ebenfalls zum Teil deutliche Unterschiede. Während die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland auf einer Skala von null bis zehn jeweils 7,1 Punkte bei Nutzern erreichen, die sich als links oder Mitte einstufen, liegt der Wert auf der Rechten nur bei 5,0 – der zweitniedrigste Wert für eine öffentlich-rechtliche Anstalt nach den 3,6 für die griechische ERT.

In den übrigen Ländern ist die Vertrauensspanne zwischen links, Mitte und rechts nirgendwo größer als 1,2 Prozentpunkte – wobei in Tschechien Rechte ihrem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärker vertrauen als andere und insgesamt Yle und BBC die höchsten Vertrauenswerte erreichen. Mit 7,0 Punkten liegt der niedrigste Vertrauenswert für die finnische Medienanstalt Yle – nämlich der unter rechten Nutzern – fast gleichauf mit den höchsten Werten für die deutschen Öffentlich-Rechtlichen.

Dass öffentlich-rechtliche Medien keine „populistischen“ Programme machen müssen, um über die weltanschaulichen Grenzen hinaus als vertrauenswürdig wahrgenommen zu werden, beweisen auch die Ergebnisse zum Teilbereich der Studie, in dem es darum ging, wie weit die jeweiligen Medien sowohl „populistisch“ als auch „nicht populistisch“ denkende Zuseher ansprechen. Der unter rechten Zuschauern beliebte tschechische öffentlich-rechtliche Rundfunk spricht sogar im Verhältnis mehr „Nichtpopulisten“ an als sein deutsches Pendant. Nur in Spanien ist RTVE unter einem populistischen Publikum beliebter als die privaten Sender.

Ausgewogenheit setzt nicht zwingend „Populismus“ voraus

Als Gradmesser für die „populistische“ Orientierung der Nutzer diente den Forschern ein Fragebogen, der unter anderem danach fragte, inwieweit diese denken, eine korrupte politische Elite stehe einem „tugendhaften“ Volk gegenüber, Politiker würden sich nicht für den Willen des Volkes interessieren oder das Volk solle zu jeder bedeutenden politischen Entscheidung direkt befragt werden.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) wertet die Ergebnisse der Untersuchung als Zeichen dafür, dass

die anhaltende Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland berechtigt ist“.

Zudem gehe bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern die einseitige politische Ausrichtung mit überdimensionierten Kosten einher. Die BBC scheine politisch ausgewogener zu berichten und erreiche offenbar mehr junge Menschen. Das Ergebnis sei

kein gutes Zeugnis für Deutschland, das sich den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt leistet“.

Auf Nachfrage der NZZ hieß es vonseiten der ARD, dass eine Berücksichtigung der dritten Programme und der Onlineangebote der regionalen Rundfunkanstalten eine deutlich höhere Reichweite für deren Angebote ergeben hätte. Die „Akzeptanzstudie“ des Instituts GfK hätte im Vorjahr zutage gefördert, dass die ARD mit all ihren Angeboten rund 94 Prozent der Bürger erreiche, auch bei den 14- bis 24-Jährigen seien es 88 Prozent.

Ob diese Berücksichtigung dieser Angebote andere Einschätzungen bezüglich der Ausgewogenheit und Vertrauenswürdigkeit nach sich gezogen hätte, bleibt ungewiss. Die Frage, wieso die BBC im Gegensatz zur ARD für Menschen aus verschiedenen politischen Lagern attraktiv sei, beantwortete die Pressestelle der ARD der NZZ nicht.



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