Entschlüsselung des Neandertalergenoms

Epoch Times10. August 2006

In diesem August jährt sich zum 150. Mal die Entdeckung des ersten Neandertalerfossils im Neandertal nahe Düsseldorf. Seither versuchen Paläontologen und Anthropologen aufzudecken, welche Rolle diese Frühmenschen, die in Europa und Teilen Asiens lebten und vor etwa 30.000 Jahren verschwanden, in der Evolution des modernen Menschen gespielt haben. 1997 gelang es dem Molekularbiologen vom Max-Planck-Institut (MPI), Svante Pääbo, erstmals aus den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, stammende DNA-Sequenzen des Neandertalers zu entschlüsseln.

Wie das MPI bekannt gab, will Pääbo jetzt gemeinsam mit der 454 Life Sciences Corporation in Branford, USA, das gesamte drei Milliarden Basenpaare umfassende Neandertalergenom entschlüsseln. Eine von 454 Life Sciences neu entwickelte Technologie macht dies möglich. Sie erlaubt es, direkt Zellkern-DNA aus Neandertalerfossilien zu entnehmen und zu entschlüsseln. Dies war mit bisherigen Methoden praktisch unmöglich. Als ersten Test haben die Projektpartner bereits etwa eine Million Basenpaare der Zellkern-DNA eines 38.000 Jahre alten Neandertalerfossils aus Kroatien entschlüsselt.

Die DNA von Fossilien zu analysieren, ist eine technische Herausforderung, denn sobald der Organismus gestorben ist, werden seine Zellen von Bakterien und Pilzen eingenommen. Ein Großteil der DNA wird dabei zerstört und der geringe Teil, der noch vorhanden ist, zerfällt während der lang andauernden Fossilierung in kleine Stücke und wird chemisch verändert. Wenn Wissenschaftler also winzige Proben alter DNA untersuchen, resultiert der Großteil dieser DNA aus der Kontamination mit Bakterien, Pilzen und von jenen Wissenschaftlern, die zuvor mit den Knochen gearbeitet beziehungsweise sie geborgen haben. In den letzten zwanzig Jahren hat die Arbeitsgruppe von Svante Pääbo Methoden entwickelt, mit deren Hilfe die Authentizität alter DNA festgestellt werden kann, und sie hat technische Lösungen gefunden, um mit den sehr kurzen, chemisch modifizierten DNA-Fragmenten zu arbeiten. Mit Unterstützung von 454 Life Sciences werden die Forscher diese Arbeitstechniken jetzt mit diesen neuen DNA-Sequenzierungsmethoden verbinden, die zur Analyse alter DNA hervorragend geeignet sind.

Neandertaler: die „Kinder Europas“

Im Anschluss soll das Genom des Neandertalers mit den bereits entschlüsselten Genomen von Mensch und Schimpanse verglichen werden. Dies wird helfen, die evolutionäre Verwandtschaft von Mensch und Neandertaler weiter aufzuklären und die genetischen Veränderungen zu identifizieren. Bei heutigen Menschen zeigen sich bei zwei beliebigen Individuen durchschnittlich acht Gen-Abweichungen, beim Vergleich von Neandertaler und heutigem Menschen sind es aber 27. Man erhofft sich auch, mehr Aufschluss darüber zu bekommen, was die heutigen modernen Menschen dazu befähigte, vor etwa 100.000 Jahren Afrika zu verlassen und sich auf der gesamten Welt auszubreiten und warum der Neandertaler plötzlich vor 30.000 Jahren verschwand.

Die Neandertaler sind „Kinder Europas“. Alle heute lebenden Menschen stammen dagegen aus Afrika, ihre Vorfahren erreichten Europa über Asien. Vor 100.000 Jahren gab es eine zweite Auswanderungswelle vom Nahen Osten nach Europa. Warum die Neandertaler damals verschwunden sind, lässt sich bisher nicht klären. Kulturell waren sie den modernen Menschen nicht unterlegen. (jel/idw)

Ralf W. Schmitz und Michael Bolus haben den aktuellen Stand der Forschung, aber auch die abenteuerliche Entdeckung und Wiederentdeckung des Neandertalers in einer Jubiläumsausgabe zusammengefasst: Verlag: Thorbecke, ISBN: 3799590889



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