Die Geschichte vom Bau der „Brücke, die nicht gebaut werden kann“
Als John A. Roebling 1866 den Bau der Covington-Cincinnati-Brücke abschloss, war sie die längste Hängebrücke der Welt. Kurz nach der Fertigstellung der Brücke, die den Ohio River überquerte, wurde er mit dem Entwurf der Brooklyn Bridge beauftragt.
Diese Brücke sollte die Länge der Covington-Cincinnati Bridge um ein Drittel übertreffen. Leider verstarb Roebling, bevor er den Bau des in New York City stehenden Bauwerks miterleben konnte, aber sein Sohn Washington und seine Schwiegertochter Emily führten das Projekt an seiner Stelle zu Ende.
In seinem unmittelbaren familiären Umfeld war Roeblings Einfluss wohl am stärksten und ein Vermächtnis ist am engsten mit der Brooklyn Bridge verbunden.
Inspiration für einen jungen Ingenieur
Aber etwa 25 Jahre nach seinem Tod wurde ein junger Ingenieur beinahe zufällig von Roebling beeinflusst und sollte das Vermächtnis des Hängebrückenbauers direkt auf die andere Seite des Landes nach San Francisco weitertragen.
Bevor Joseph Strauss 1892 sein Studium an der University of Cincinnati abschloss, musste er sich in einer Klinik von einer schweren Krankheit erholen. Der 1,60 Meter große Klassensprecher mit Hang zur Poesie fand sich in einem Krankenhauszimmer mit einer Aussicht wieder, die sein Leben verändern sollte.
Durch das Fenster konnte er die Covington-Cincinnati-Brücke sehen. Das Bauwerk sollte ihn zu seiner beruflichen Laufbahn als Brückenbauer inspirieren.
Während seiner Abschlussfeier an der Universität verkündete er, eine Eisenbahnstrecke zu bauen, die über die Beringstraße führen sollte. Seine Ziele waren sehr ambitioniert, wenn nicht gar unmöglich, aber es war dieser Ehrgeiz, der ihn dazu bringen sollte, „die Brücke zu bauen, die nicht gebaut werden konnte“.
Eine Brücke über die Meerenge
Die Idee einer Brücke über die Meerenge von San Francisco wurde bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Erstmals wurde sie 1872 von Charles Crocker geäußert, dem Eisenbahnmagnaten, der zu den „Big Four“ gehörte, die die Central Pacific Railroad gründeten. (Auch Joshua Norton, der Spekulant aus der Zeit des Goldrauschs, der bankrottging und dann verrückt wurde, wird nachgesagt, 1869 die ersten Vorschläge für solch eine Brücke gemacht zu haben, obwohl er kaum ernst genommen wurde.)
Da die Bevölkerung der Bay Area in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts weiterhin exponentiell wuchs, schien eine Brücke über die Meerenge zwingend erforderlich. Doch die Ingenieure standen vor zahlreichen Problemen: Der Pazifische Ozean mit seinen starken Gezeiten mündete direkt in die Meerenge, ganz zu schweigen von den ständigen Windböen, die an der Küste entlang fegten, und dem berühmten Nebel der Stadt.
Außerdem lag die San-Andreas-Verwerfung nur 11 Kilometer vor der Küste der Stadt, was verheerende Erdbeben auslösen konnte, wie die Bürger 1906 feststellen mussten.
Zehn Jahre nach dem Erdbeben wurde das Thema der Brücke erneut ernsthaft aufgegriffen. James H. Wilkins, Redakteur und Herausgeber einer Lokalzeitung sowie ehemaliger Bauingenieur, startete eine Kampagne, um zu verdeutlichen, dass der Bau solch einer Brücke dringend notwendig sei.
„Im Jahr 1872“, schilderte er später, „war ich bei einer Sitzung der Aufsichtsbehörden von Marin anwesend, als Charles Crocker seine Pläne erläuterte, zu denen auch eine Hängebrücke über die Meerenge namens Golden Gate gehörte. Detaillierte Pläne und Kostenvoranschläge für eine solche Brücke wurden damals von den Ingenieuren der Central Pacific erstellt.“
Aber das war fast 50 Jahre her, sodass neue Berechnungen erforderlich waren. Wilkins’ Kampagne weckte die Aufmerksamkeit von Michael M. O’Shaughnessy, dem Stadtingenieur von San Francisco. O’Shaughnessy befragte daraufhin Ingenieure zu ihrer Meinung. Diese war nicht positiv. Der Kostenvoranschlag von 100 Millionen US-Dollar war zu hoch.
Sondierung der Meerenge
Das Interesse an der Brücke blieb weiterhin bestehen, auch wenn es während des Ersten Weltkriegs etwas nachließ, da das Land kurz nach Beginn von Wilkins Kampagne in den Weltkrieg verwickelt wurde. Gegen Ende des Jahres 1918 erwachte das Interesse erneut.
Richard Welch, Mitglied des Aufsichtsrats von San Francisco, beantragte beim Kongress die Genehmigung einer bundesstaatlichen Vermessung der Meerenge, insbesondere zwischen dem Presidio an der Nordspitze der Halbinsel von San Francisco und der Marin-Halbinsel an der Nordseite der Meerenge.
Der Kongress gab dem Antrag statt und das Motorschiff „Natoma“ der United States Coast and Geodetic Survey führte bis Ende Mai 1920 Sondierungen in dem Gebiet durch und legte anschließend ihren Bericht vor.
Der Bericht wurde O’Shaughnessy vorgelegt, der sich daraufhin an drei prominente Brückenbauer wandte: Francis McMath, Gustav Lindenthal und Joseph Strauss. In seinem Brief an sie schrieb er: „Alle sagen, dass es nicht machbar ist und dass es über 100 Millionen Dollar kosten würde, wenn es doch machbar wäre.“
Lindenthal antwortete mit einem Kostenvoranschlag von 50 bis 60 Millionen US-Dollar. McGrath antwortete nicht. Strauss schlug nach einem Gespräch mit O’Shaughnessy vor, dass der Bau für etwa 25 Millionen US-Dollar realisierbar sei.
Strauss, die Bezirke und das Kriegsministerium
Zu diesem Zeitpunkt war Strauss bereits einer der führenden Brückenbauer des Landes. Er hatte seine Karriere als Zeichner bei der New Jersey Steel and Iron Company begonnen und anschließend bei der Chicagoer Lassig Bridge and Iron Works Company gearbeitet.
Er arbeitete mit dem damals wohl größten Brückenbauer Amerikas, Ralph Modjeski, zusammen. Strauss wollte jedoch die Klappbrücke, also die Zugbrücke, weiterentwickeln. Im Jahr 1904 gründete er die Strauss Bascule Bridge Company und sollte im Laufe der Zeit etwa 400 Brücken bauen.
Angesichts seines Rufs war klar, dass Strauss über ein Wissen verfügte, welches kein anderer besaß. Strauss wurde engagiert, aber das eigentliche Genehmigungsprozedere und die Lobbyarbeit hatten gerade erst begonnen, und der Bau sollte noch mehr als ein Jahrzehnt auf sich warten lassen.
Es wurden Körperschaften wie die Association of Bridging the Gate gegründet, der Vertreter aus den umliegenden Bezirken angehörten. Ihr Ziel war es, sicherzustellen, dass alle Bezirke den Bau der Brücke befürworteten, und die Genehmigung des Bundesstaates zur Schaffung eines zusammenhängenden Verwaltungsbezirks zu erhalten, welcher den gesamten Bauprozess sowie die Instandhaltung der Brücke und der Fahrbahn verwalten sollte.
Im Mai 1923 verabschiedete der Kongress des Bundesstaates den Golden Gate Bridge and Highway District Act of California, der es der Vereinigung ermöglichte, den oben genannten Bezirk zu gründen, was dann im Dezember 1928 geschah.
Der Bezirk sollte die Kontrolle über das Projekt haben, aber das Presidio war ein Stützpunkt der US-Armee und unterstand daher der Zuständigkeit des US-Kriegsministeriums. Tatsächlich unterlagen beide Seiten der für die Brücke vorgesehenen Standorte der Zuständigkeit des Ministeriums, und für den Bau benötigte der Bezirk eine Genehmigung des Bundesstaates.
Das Kriegsministerium hatte Bedenken, ob die Brücke die Schifffahrt und Logistik behindern würde und ob die Brücke möglicherweise zu einer Blockade werden könnte, falls sie jemals zerstört werden sollte. Am Heiligabend 1924 erteilte Kriegsminister John Weeks jedoch eine befristete Genehmigung.
Die Vertreter der Bezirke Del Norte, Marin, San Francisco, Sonoma und Teilen der Bezirke Mendocino und Napa bildeten den neuen Golden Gate Bridge and Highway District mit Strauss als leitendem Ingenieur. Strauss war fest entschlossen, „das Größte seiner Art zu bauen, das ein Mensch bauen kann“, und als die ersten Probleme gelöst waren, sollte sich diese Möglichkeit schon bald ergeben.
Planänderungen
Strauss nahm Charles Ellis, Professor für Bau- und Brückentechnik an der University of Illinois, in sein Team auf, um die Entwurfspläne zu überarbeiten und die Tragfähigkeit sicherzustellen. Doch schließlich verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den beiden Männern so sehr, dass Strauss Ellis von seiner Position entließ. Auch erhielt Ellis von Strauss keinerlei Anerkennung für seine Beiträge zu dem Bauprojekt.
Vor diesem Zerwürfnis spielte Ellis jedoch eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Brücke und wurde von Strauss stark mit einbezogen. Er und Leon Moisseiff, der die Manhattan Bridge entworfen hatte, legten Berichte über ihre Bedenken hinsichtlich der von Strauss vorgeschlagenen Auslegerhängebrücke vor.
Es scheint, dass Strauss erst im Sommer 1929 beschloss, seine Idee von einer Auslegerhängebrücke zugunsten einer Hängebrücke aufzugeben.
Gerade als es so aussah, als würde das Golden-Gate-Projekt bald in Angriff genommen werden, schien eine weitere Katastrophe, das Projekt zu verhindern. Der Börsencrash am 29. Oktober 1929 erinnerte an vergangene Jahrzehnte wie das Erdbeben von 1906 und den Ersten Weltkrieg und stürzte das Land schließlich in die Weltwirtschaftskrise.
Genehmigungen und Pläne waren eine Sache, aber die Unterstützung der Bevölkerung für ein so teures Projekt war eine andere. Der Bezirk beschloss, die Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen.
Es gab Widerstand gegen den Bau der Brücke aus unterschiedlichen Gründen von Umweltschützern und Fährbetreibern bis zu Ingenieuren, die das Projekt für undurchführbar hielten. Der Bezirk legte die 35-Millionen-Dollar-Anleihe den Wählern zur Abstimmung vor.
Diese Anleihe verlangte von den Einheimischen, ihre Geschäftsimmobilien, Farmen und Häuser als Bürgschaft zu verwenden. Trotz des hohen persönlichen Risikos wurde die Anleihe am 4. November 1930 mit überwältigender Mehrheit angenommen: 145.057 zu 46.954.
Risikominderung
In dieser Zeit der Geschichte des Großbrückenbaus ging man davon aus, dass pro einer Million Dollar Baukosten ein Todesfall zu beklagen sein würde. Bei 35 Millionen Dollar konnte der Distrikt mit etwa 35 arbeitsbedingten Todesfällen rechnen. Strauss wollte diesen Zustand jedoch nicht so hinnehmen.
Vor Baubeginn führte er neue Sicherheitsmaßnahmen und -ausrüstungen ein, darunter blendfreie Schutzbrillen und obligatorische Schutzhelme, die denen der Bergleute ähnelten. Darüber hinaus gab er in den späteren Bauphasen der Brücke 130.000 Dollar für die Anbringung eines großen Netzes unter der Brücke aus, um stürzende Arbeiter aufzufangen.
Insgesamt rettete dieses Netz 19 Männern das Leben, die sich selbst als Mitglieder des „Halfway-to-Hell Club“ bezeichneten. Elf Männer starben während des vierjährigen Projekts, zehn von ihnen bei einem einzigen Unfall, als ein fünf Tonnen schweres Gerüstteil durch das Netz ins Meer stürzte.
Als die Bauarbeiten begannen, war die Weltwirtschaftskrise bereits in vollem Gange, und es gab keinen Mangel an Männern, die sich dem Großprojekt anschließen wollten, zumal die Bezahlung durch die Gewerkschaft weit über dem lag, was anderswo zu finden war.
Am 22. Dezember 1932 begannen die Arbeiter mit dem Bau einer 518 Meter langen Zufahrtsstraße zum Marin-Ankerplatz der Brücke.
Am 5. Januar 1933 begannen die Bauarbeiten an der Hängebrücke, die später als Golden Gate Bridge bekannt werden sollte. Der erste Teil des Projekts bestand darin, 3,25 Millionen Kubikfuß Erde für die beiden Verankerungen der Brücke zu entfernen.
Ohne diese Verankerungen wog die Brücke etwa 381.000 Tonnen. Ihre höchste Spitze über dem Wasser war 228 Meter hoch, und mit ihrer berühmten „International Orange“-Farbe war sie selbst an nebligen Tagen gut sichtbar.
Die Brücke wurde an 27.572 Drähten aufgehängt, die zusammen genommen mehr als dreimal um den Globus reichen würden. Und in Erinnerung an seine ursprüngliche Inspiration durch Roebling und seinen persönlichen Ehrgeiz trug Strauss‘ Brücke nach ihrer Fertigstellung am 27. Mai 1937 ganze 27 Jahre lang den Titel: Längste Hängebrücke der Welt.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „How the ‚Bridge That Couldn’t Be Built‘ Was Built“. (deutsche Bearbeitung ee/so)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion