Gemeinschafts- statt Sklavenarbeit führte zum Bau des größten und ältesten Maya-Monuments

Gemeinsam stark: Eine Entdeckung der University of Arizona legt nahe, dass sich die Maya-Zivilisation schneller entwickelt hat als bislang vermutet. Zudem zeigt sie, dass die soziale Ungleichheit geringer war als in späteren Epochen.
Ausgrabung am Maya-Monument in Aguada Fénix
Ausgrabung von Aguada Fénix.Foto: Takeshi Inomata
Von 15. Juni 2020

Vom Boden aus ist es unmöglich zu erkennen, dass sich unter dem Plateau etwas Außergewöhnliches befindet. Erst vom Himmel aus offenbart sich dank „Laseraugen“ seine wahre Bedeutung: Es ist das größte und älteste Maya-Monument, welches bisher bekannt ist. Bestätigt wird diese Annahme zudem durch Radiokarbondatierungen.

Das Monument befindet sich in Tabasco (Mexiko), nahe der nordwestlichen Grenze Guatemalas. Hier schlummerte die neu entdeckte Stätte von Aguada Fénix bis 2017 unter der Erdoberfläche. Trotzt seiner Größe blieb die Struktur aufgrund des niedrigen Profils so lange unbekannt. Heute ist das Monument noch mehr als 1.400 Meter lang und bis zu 15 Meter hoch erhalten.

Das Monument wurde von einem internationalen Team unter der Leitung von Takeshi Inomata und Daniela Triadan, Professoren an der University of Arizona entdeckt. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Zeitschrift „Nature“.

Blick auf Maya-Fundstätte Aguada Fénix

Blick auf das Hauptplateau von Aguada Fénix. Foto: Takeshi Inomata

Ein Maya-Monument von überragender Größe

Für die Untersuchung des Monuments verwendete das Team die sogenannte Lidar-Technologie (Light Detection and Ranging). Hierfür kommt ein Laser, montiert an einem Flugzeug, zum Einsatz. Damit wird die Erdoberfläche „abgetastet“. Die Laserstrahlen durchdringen dabei die Baumkronen und werden dann von der Erdoberfläche oder darunterliegenden Strukturen reflektiert. Diese Informationen werden anschließend in einem dreidimensionalen Bild wiedergegeben.

Schließlich grub das Team die Stätte stellenweise aus und entnahm 69 Holzkohleproben für eine Radiokarbondatierung. Diese ergaben, dass das Monument irgendwann zwischen 1.000 und 800 vor Christus errichtet wurde. Somit ist es die älteste Maya-Stätte und 50 Jahre älter als der bisherige Rekordhalter, die  Stätte von Ceibal.

Zudem ist das neu entdeckte Monument in Aguada Fénix nicht nur das älteste, sondern auch das größte bekannte Gebäude in der gesamten Maya-Geschichte. Selbst die großen Pyramiden oder Paläste späterer Epochen können sich bei weitem nicht mit dem neu entdeckten Bau messen.

„Bei der Lidar-Untersuchung mit niedriger Auflösung fiel uns diese riesige Plattform auf. Dann führten wir ein hochauflösendes Lidar durch und bestätigten das Vorhandensein eines großen Gebäudes“, sagte Inomata. „Dieses Gebiet ist erschlossen und befindet sich nicht im Dschungel. Obwohl dort Menschen leben, war dieser Ort nicht bekannt, weil er so flach und riesig ist. Es sieht einfach wie eine natürliche Landschaft aus. Aber das Lidar zeigte eine sehr gut geplante Form auf“, so Inomata weiter.

Stark durch Miteinander statt Gegeneinander

Weiterhin erklärte der Forscher, dass die Entdeckung aus einer Zeit großer Veränderungen in Mesoamerika stammt. Dies habe eine Vielzahl von Auswirkungen, so Inomata.

Zum einen gingen Archäologen traditionell davon aus, dass sich die Maya-Zivilisation allmählich entwickelte. So vermutete man, dass kleine Maya-Dörfer zwischen 1.000 und 350 vor Christus zusammen mit der Verwendung von Keramik und Maisanbau entstanden.

Zum anderen ähnelt die Stätte dem älteren olmekischen Zivilisationszentrum San Lorenzo im Westen des mexikanischen Bundesstaates Veracruz. Jedoch fehlen in Aguada Fénix Steinskulpturen, die mit Herrschern und Eliten in Verbindung stehen, wie beispielsweise die kolossalen Köpfe. Dies deute für die Forscher auf eine geringere soziale Ungleichheit in Aguada Fénix hin und unterstreiche die Bedeutung der Gemeinschaftsarbeit in den frühesten Tagen der Maya.

Maya Steinskulptur

Ein kolossaler Steinkopf der Olmeken. Foto: iStock

„Es gab immer eine Debatte darüber, ob die olmekische Zivilisation zur Entwicklung der Maya-Zivilisation führte oder ob die Maya sich unabhängig davon entwickelten“, sagte Inomata. „Daher konzentriert sich unsere Studie auf einen Schlüsselbereich zwischen beiden.“

„Menschen können zusammenarbeiten, um erstaunliche Ergebnisse zu erzielen“

Weiterhin passierte der Bau des Monumentes in Aguada Fénix gleichzeitig mit einer Machtlücke in Mesoamerika. So befand man sich historisch zwischen dem Niedergang der Zivilisation in San Lorenzo und dem Aufstieg eines weiteren olmekischen Zentrums.

Während dieser Zeit gab es einen Austausch neuer Ideen, wie zum Beispiel Bau- und Architekturstile, zwischen verschiedenen Regionen im südlichen Mesoamerika. Die ausgedehnte Hochebene und die baulichen Strukturen lassen vermuten, dass das Monument vom Volk für das Volk gebaut wurde, erklärte Inomata.

„In späteren Epochen gab es mächtige Herrscher und Verwaltungssysteme, in denen dem Volk befohlen wurde, die Arbeit zu verrichten. Aber diese Stätte ist viel älter, und wir sehen keine Beweise für die Anwesenheit mächtiger Eliten. Wir denken, dass sie eher das Ergebnis gemeinschaftlicher Arbeit ist“, sagte er.

Ausgrabung am Maya-Monument in Aguada Fénix

Ausgrabung von Aguada Fénix. Foto: Takeshi Inomata

Die Tatsache, dass monumentale Bauten bereits früher existierten und die Maya-Gesellschaft weniger soziale Ungleichheit besaß, veranlasst die Archäologen, den Bauprozess neu zu überdenken.

„Es ist nicht nur die hierarchische soziale Organisation mit der Elite, die Monumente wie dieses möglich macht“, sagte Inomata. „Diese Art des Verständnisses gibt uns wichtige Hinweise auf menschliche Fähigkeiten und das Potenzial menschlicher Gruppen.“ Und weiter:

Man braucht nicht unbedingt eine gut organisierte Regierung, um diese Art von riesigen Projekten durchzuführen. Menschen können zusammenarbeiten, um erstaunliche Ergebnisse zu erzielen“.

Ein Blick in Maya-Siedlungen werfen

Inomata und sein Team werden ihre Arbeit in Aguada Fénix fortsetzen und eine umfassendere Lidar-Analyse des Gebiets durchführen. Sie wollen Informationen über die umliegenden Stätten sammeln, um zu verstehen, wie sie mit den Olmeken und Mayas interagiert haben. Außerdem sollen Siedlungen um Aguada Fénix in Zukunft stärker untersucht werden.

„Wir haben umfangreiche Informationen über zeremonielle Bauten“, sagte Inomata, „aber wir wollen sehen, wie die Menschen in dieser Zeit gelebt haben und welche Veränderungen im Lebensstil um diese Zeit herum stattfanden.“



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