Zoo Leipzig will Schuppentiere züchten – doch es gibt ein Problem
Tierpfleger Denny Lohse steht in einer winzigen Küche im Zoo Leipzig und rührt einen grauen matschigen Brei an. „Das sind Bienenlarven, Mehlwürmer, Apfel und Eigelb, gemixt und im Reiskocher sanft gegart“, erklärt Lohse.
Er gibt noch ein Löffelchen Heilerde dazu und ein paar Krümel eines Vitamingranulats, und dann geht es ab zu Quesan und Tou-Feng. Die beiden Schuppentiere des Zoos Leipzig warten in ihrem schummrigen Gehege gegenüber des Elefantenbadebeckens schon auf Lohse und sein Futter in den beiden kleinen blauen Plastikschüsseln.
Ein Aussehen wie Tannenzapfen auf vier Beinen
Der graue Brei sei das Erfolgsgeheimnis für die Schuppentierhaltung, sagt Lohse. „Schuppentiere sind extreme Nahrungsspezialisten.“ In freier Wildbahn in Afrika und Asien ernähren sie sich von Ameisen und Termiten. Als einziger Zoo in Europa hält der Leipziger die vom Aussterben bedrohten Tiere, die auch Pangoline genannt werden.
Sie sind vom Kopf bis zur Schwanzspitze mit braunen Schuppen überzogen, was sie ein bisschen wie Tannenzapfen auf vier Beinen aussehen lässt. Quesan und Tou-Feng benötigen keine fünf Minuten, um Lohses Bienenlarven-Brei zu verputzen.
Die beiden Formosa-Ohrenschuppentiere [Anm.d. Formosa ist der alte Name vom heutigen Taiwan] leben seit 2007 beziehungsweise 2009 in Leipzig. „Als moderner Zoo sehen wir unsere Aufgabe darin, über diese bedrohte Tierart zu informieren – und zwar so eindringlich wie möglich“, sagt Seniorkurator Gerd Nötzold. Alle acht Schuppentierarten – es gibt vier asiatische und vier afrikanische – stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN. Voriges Jahr beschloss die Welt-Artenschutzkonferenz zudem einen besseren Schutz. Jeglicher kommerzieller internationaler Handel mit Schuppentieren ist seither verboten.
Aber der Schmuggel blüht
„Schuppentiere sind jedoch ganz massiv vom illegalen Handel betroffen“, sagt Anne Hanschke, Artenschutzreferentin bei der Naturschutzorganisation WWF. „In den vergangenen 16 Jahren sind jährlich Schmuggelwaren von etwa 17.000 Pangolinen aufgegriffen worden.“ Das wahre Ausmaß sei jedoch weit größer. Laut Hanschke wird angenommen, dass maximal ein Viertel des Schmuggels auffliegt. Das hochgerechnet würde knapp 70.000 Schmuggeltiere jedes Jahr ergeben.
In Asien, vor allem in China und Vietnam, gelte ein Pangolin als Delikatesse, sagt Hanschke. Rund 300 Dollar koste ein Kilogramm Fleisch. Je nach Art wiegt ein Schuppentier zwischen 2 und 30 Kilogramm. Auch die Schuppen würden gehandelt, für 1000 bis 3000 Dollar pro Kilogramm.
TCM behandelt gern mit Extrakten von Schuppentieren
Sie werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet. Mit ihrer Art, auf Gefahr zu reagieren, machten es Schuppentiere Wilderern leicht, sagt Tierpfleger Lohse. „Die rollen sich zusammen und können dann einfach eingesammelt und in einen Sack gesteckt werden.“
Wie viele Schuppentiere es weltweit noch gibt, könne niemand genau beziffern, erklärt der IUCN-Schuppentierexperte Dan Challender. Die Tiere sind in freier Wildbahn sehr schwer zu beobachten. Sie sind meist nachtaktiv und leben in Erdhöhlen.
Beim Chinesischen Schuppentier gehe man davon aus, dass die Population seit den 1960er Jahren um 94 Prozent zurückgegangen ist, sagt WWF-Referentin Hanschke. 2003 lebten in China Schätzungen zufolge zwischen 50 000 und 100 000 der Tiere. „Heutzutage dürften es weit weniger sein“. Für alle acht Schuppentier-Arten werde von drastischen Bestandsrückgängen von bis zu 90 Prozent in den nächsten drei Schuppentier-Generationen – etwa 21 Jahren – ausgegangen.
Aus Sicht der IUCN sind verschiedene Maßnahmen nötig, um Schuppentiere zu schützen. Vorschriften müssten verschärft werden, und es müsse versucht werden, die Nachfrage in Asien einzudämmen, erklärt Challender. Zudem sei es natürlich wichtig, die noch vorhandenen natürlichen Vorkommen zu identifizieren und zu bewahren.
Nachzucht im Zoo mit Hindernissen
Wegen der extremen Bedrohung der Schuppentiere versucht der Zoo Leipzig, Nachwuchs zu züchten. „Wir sehen uns als Botschafter der Schuppentiere in den europäischen Zoos“, sagt Seniorkurator Nötzold. Allein: Quesan und Tou-Feng fühlen sich in ihrer etwa 26 Grad warmen und sehr schwülen Höhle zwar offensichtlich wohl, aber mit dem Nachwuchs klappt es nicht. „Er mag sie nicht – sie mag ihn nicht. Wir haben zwar Kameraüberwachung hier im Gehege. Aber wer will schon sagen, woran es liegt“, sagt Pfleger Lohse.
Ende vorigen Jahres kamen daher zwei neue Schuppentiere aus dem Zoo in Taipeh. Mit den Experten in Taiwan arbeiten die Leipziger schon länger zusammen. Die Neuzugänge leben derzeit noch unsichtbar für die Besucher in der rückwärtigen Tierhaltung. Über einen Partnertausch soll es nun doch noch mit der Zucht klappen. „Unsere Strategie ist es außerdem, Begeisterung in anderen Zoos für die Schuppentiere zu wecken“, sagt Nötzold. Er hofft, dass sich mittelfristig zwei, drei andere Tierparks in Europa ähnlich engagieren.
WWF-Referentin Hanschke beurteilt die Schuppentierhaltung in Leipzig als positiv. Einerseits könne man in Zoos nachgezüchtete Pangoline später tatsächlich auswildern. Vor allem könnten Zoos hier aber wichtige Bildungsarbeit leisten. „Man schützt nur, was man liebt. Und man liebt nur, was man kennt“, sagt Hanschke. „Wenn möglichst viele Menschen das Schuppentier kennen, dann steigt die Chance, dass mehr Menschen ihren Schutz unterstützen und man die Probleme in den Griff bekommt.“ (dpa)
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