Wie ein Darmbakterium zum Pesterreger wurde

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Diese elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Pestbakterium Yersinia pestis.Foto: Robert-Koch-Institut/dpa/dpa
Epoch Times30. Juni 2015
Nur zwei kleine Änderungen im Erbgut haben aus einem relativ harmlosen Darmbakterium den gefährlichen Pesterreger gemacht. Das haben amerikanische Wissenschaftler anhand von genetischen Analysen und Versuchen mit Mäusen herausgefunden.

Wyndham Lathem und seine Kollegen von der Northwestern University Feinberg School of Medicine in Chicago untersuchten die Fähigkeiten verschiedener Pesterregerstämme, die Krankheit auszulösen. Über ihre Ergebnisse berichten sie in der Fachzeitschrift „Nature Communications“.

Das Bakterium Yersinia pestis verursacht die lebensgefährliche Pest. Es hat sich aus dem Darmbakterium Yersinia pseudotuberculosis entwickelt, das Krankheiten im Verdauungstrakt auslösen kann, ohne einem Säugetier oder dem Menschen wirklich gefährlich zu werden. „Jedoch ist nicht bekannt, wann Yersinia pestis die Fähigkeit erwarb, eine fulminante Lungenentzündung zu verursachen“, schreiben die Forscher.

Sie gingen von der Beobachtung aus, dass moderne Pesterreger in der Lage sind, das Enzym Pla herzustellen. Einige ältere Stämme, die noch in Wühlmäusen zu finden sind, können dies nicht. Dazu gehört Pestoides F, der bei Mäusen keine Lungenentzündung auslöst. Das Team um Lathem versetzte Pestoides F durch eine genetische Veränderung in die Lage, Pla zu produzieren. Prompt löste der Erreger Lungenentzündungen aus.

Umgekehrt nahmen die Mikrobiologen dem modernen Erreger CO92 die genetische Fähigkeit, Pla zu synthetisieren. CO92-Bakterien konnten sich zwar vermehren, aber in der Regel keine Lungenerkrankung erzeugen. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass das Oberflächenprotein Pla die entscheidende Rolle spielt bei der Frage, wie stark sich der Pesterreger in der Lunge vermehrt. Die Möglichkeit, Pla herzustellen, erhielt der Pesterreger durch ein Plasmid, einen ringförmigen Erbgutträger außerhalb der Chromosomen. Lathem und Kollegen vermuten, dass Yersinia pestis das Plasmid durch Genaustausch mit anderen Darmbakterien erworben hat.

Das Gen zur Herstellung von Pla unterscheidet sich bei älteren und jüngeren Stämmen an der Position 259: Die sogenannte I-Variante wurde durch die T-Variante ersetzt. Beide Varianten lösen die Lungenentzündung aus, doch nur bei der jüngeren T-Variante greift die Erkrankung auch rasch auf andere Organe wie die Milz über. Die Forscher sehen dies als Beleg dafür an, dass die Mutation von der I- zur T-Variante den Pesterreger befähigte, sich im ganzen Körper zu verbreiten. Erst mit dieser genetischen Ausstattung sei es möglich gewesen, dass das Bakterium die großen Pestpandemien in der späten Antike und im Mittelalter auslöst.

Dass Yersinia pestis zunächst fähig war, eine Lungenentzündung auszulösen und erst später durch den Befall von Lymphknoten die Beulenpest, ist eine neue Sicht der Dinge. Bisher war die Wissenschaft von der umgekehrten Reihenfolge ausgegangen. Für das Forscherteam zeigen seine Ergebnisse, dass der Weg zu einem gefährlichen Krankheitserreger manchmal sehr kurz ist: „Diese Forschung hilft uns, besser zu verstehen, wie Bakterien sich an neue Wirtsumgebungen anpassen und Krankheiten auslösen, indem sie nur kleine Stücke von DNA erwerben“, sagt Lathem nach einer Mitteilung seiner Universität.

Einer früheren genetischen Studie zufolge ist der Pesterreger zu mehreren Zeitpunkten der Geschichte aus seinen Reservoiren bei Nagetieren aufgetaucht und hat Pandemien bei Menschen ausgelöst. Zwar seien einige Erregerstämme ausgestorben, doch noch immer gebe es weltweit unter Nagtieren Varianten des Bakteriums, die erneut Pandemien auslösen könnten, schreiben die Forscher um David Wagner von der Northern Arizona University im Journal „The Lancet Infectious Diseases“. Allerdings sei eine große Pandemie aufgrund heutiger Antibiotika unwahrscheinlich.

Die Krankheit flackert weiterhin vor allem in Afrika immer wieder auf. Die Weltgesundheitsorganisation zählte allein 2013 insgesamt 783 Fälle, 126 der Erkrankten starben. Am stärksten betroffen sind demnach Madagaskar, der Kongo aber auch Peru.

(dpa)

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