Studie: Naturgewalten zwangen Altes Ägypten in die Knie
Der Untergang des Alten Ägypten unter Kleopatra könnte auch auf Vulkanausbrüche zurückzuführen sein. Das vermuten Forscher um Francis Ludlow vom Trinity College in Dublin im Fachblatt „Nature Communications“.
Demnach trugen die Ausbrüche dazu bei, dass Nilhochwasser ausblieb und beeinflussten dadurch maßgeblich gesellschaftliche Entwicklungen in der sogenannten ptolemäischen Epoche (305-30 v. Chr.)
Anhand von Aufzeichnungen aus dieser Zeit konnten die Forscher zeigen, dass nach Vulkanausbrüchen in weit entfernten Regionen überdurchschnittlich häufig soziale Unruhen begannen. Zwei deutsche Experten sehen die Schlussfolgerungen von Ludlow und seinem Team allerdings mit Skepsis.
Der Wohlstand der Ägypter der ptolemäischen Epoche hing direkt mit dem Fluss Nil zusammen. Regenfälle im äthiopischen Hochland verursachten Hochwasser, das für die Landwirtschaft im Niltal lebenswichtig war. Ausführliche Berichte aus dieser Zeit deuten auf einen Zusammenhang zwischen dem Ausbleiben der Nilflut und sozialen Unruhen hin. Die Ursache für das Ausbleiben des Hochwassers war bisher ungeklärt.
Francis Ludlow hat einen möglichen Zusammenhang zwischen Vulkanausbrüchen und der Nilflut untersucht. Er zeigte, dass die schwächeren Regenfälle und ausbleibendes Hochwasser mit Vulkanausbrüchen zusammenhängen könnten und brachte das mit bislang ungeklärten Phasen des gesellschaftlichen Umbruchs in Verbindung.
Wie hängen weit entfernte Vulkanausbrüche mit Hochwasser und Regen zusammen? „Die Vulkane, um die es sich handelt, stehen in den Tropen, also beispielsweise in Indonesien. Wenn sie ausbrechen, gelangen Schwefelgase in Atmosphärenschichten in über 10 Kilometern Höhe. Dort reagieren sie zu Schwefelaerosolen und reflektieren die Sonneneinstrahlung, so dass die Temperatur auf der Erde sinkt. Weil kalte Luft weniger Wasser aufnehmen kann, regnet es auch weniger“, erklärt Ulrich Cubasch von der Freien Universität Berlin, der an der Studie nicht beteiligt war.
Nach zwei bis drei Jahren würden diese Rückstände abgebaut und gelangten als feiner Staub auf die Erde zurück, führt der Klimatologe aus. In den Eisschichten an Nord- und Südpol würden diese Staubschichten über Jahrtausende konserviert. Wissenschaftler könnten deshalb heute bis auf Jahre genau bestimmen, wann Vulkanausbrüche in der Vergangenheit stattgefunden haben und wie heftig sie waren.
Die Forscher um Ludlow griffen für ihre Studie auch auf Daten zum Wasserstand des Nils seit 600 nach Christus zurück. So konnten sie sehr genau bestimmen, dass in Jahren mit Vulkanausbrüchen der Nilpegel durchschnittlich 22 cm niedriger war als sonst. Anschließend verglichen sie die Daten mit den Berichten, die über die ptolemäische Zeit vorliegen.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Vulkanausbrüche häufig mit dem Beginn von sozialen Umbrüchen einhergingen. Das fehlende Hochwasser könnte Missernten verursacht haben, die wiederum Hungersnöte und gesellschaftliche Veränderungen hervorriefen. Außerdem endeten viele Kriege mit den Nachbarländern in dieser Zeit – möglicherweise, weil die Herrscher gezwungen waren, sich um die Unruhen und die Ernährung der Bevölkerung zu kümmern.
Um 30 vor Christus unterwarf sich Kleopatra den Römern, nachdem Ägypten ein Jahrzehnt von wiederholtem Niedrigwasser, Hungersnöten, Seuchen, Inflation, Korruption und Landflucht durchgemacht hatte, wie Ludlow und sein Team schreiben. Kurz zuvor (44 und 46 v. Chr.) habe es zwei Vulkanausbrüche gegeben, darunter den größten Vulkanausbruch der vergangenen 2500 Jahre.
„Um Kleopatras Ende wurde schon viel spekuliert. Von allen möglichen Gründen würde ich einen Vulkanausbruch nicht an erster Stelle sehen“, sagt hingegen der Althistoriker Holger Sonnabend von der Universität Stuttgart, der an der Studie nicht beteiligt war. Die Schwierigkeiten der ptolemäischen Herrschaft in Ägypten könne man auch ohne die Vulkanausbrüche erklären: eine hohe Steuerlast beispielsweise und soziale Unterschiede zwischen den Landbewohnern und der Bevölkerung florierender Städte wie Alexandria.
Die Wissenschaftler um Ludlow hätten vorwiegend statistische Verbindungen hergestellt, sagt Sonnabend. Um einen Zusammenhang nachweisen zu können, müsse man genauer hinsehen und beispielsweise für einen konkreten Vulkanausbruch auch in Ägyptens Nachbarstaaten nach Hinweisen suchen.
In einem sind sich Historiker Sonnabend und Klimatologe Cubasch einig: Die Vulkanausbrüche seien höchstens ein kleines Mosaiksteinchen, um Vorgänge in der ptolemäischen Epoche zu erklären – wenn auch ein sehr interessantes. (dpa)
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