Studie: Lärmverschmutzung der Meere betrifft mehr Tiere als angenommen
Die Meere werden immer lauter. Sprengungen, Knallkörper, Rammschläge für die Öl- und Gas-Industrie oder die Erneuerbaren dröhnen viele Kilometer weit. Zumindest erstere betreffen außerdem mittlerweile nicht nur den Küstenraum, sondern auch die Tiefsee. Hinzu kommt das Brummen von vielen Tausend Fracht- und Kreuzfahrtschiffen oder, in Küstennähe, von Motoryachten und Jet-Skis.
Fachleute, unter anderem vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven, gehen davon aus, dass der Lärm im Meer durch menschliche Aktivitäten künftig noch zunehmen wird. Das sei bedenklich, weil der Lärm Meerestiere schon heute stark belastet. Er kann Meerestiere in ihrem Verhalten beeinflussen, vertreiben, bei der Nahrungssuche stören oder in extremen Fällen sogar das Gehör von Robben oder Walen schädigen.
Die Forscher fordern, dem Ozean genau zuzuhören und den Lärm endlich weltweit zu regulieren. Die entsprechenden technischen Lösungen gibt es bereits.
50 Jahre Lärmschutz-(studien)
Viele Tiere verständigen sich durch Geräusche und Rufe – Delfine und andere Wale sowie auch Fische, Krebse und andere Wirbellose. Die Kommunikation des Lebens im Meer, die Lautsphäre des Ozeans, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den sich in den Meeren ausbreitenden Lärmteppich mehr und mehr gestört.
Die Probleme liegen auf der Hand. Dennoch ließ sich bislang kaum beziffern, wie stark der Lärm die Meeresorganismen tatsächlich beeinträchtigt. Das liegt daran, dass Tiere abhängig von der Situation, dem Alter, dem Geschlecht oder der Jahreszeit ganz unterschiedlich auf Lärm reagieren. In einer groß angelegten Übersichtsstudie hat ein internationales Team aus 25 Forschen mehr als 500 aktuelle wissenschaftliche Studien zum Meereslärm ausgewertet.
Erstmals könne man genau einschätzen, wie schlimm die Lärmverschmutzung der Meere tatsächlich ist, beziehungsweise welche Meerestiere besonders betroffen sind.
Die verschiedenen Verhaltensweisen, die Tiere bei Lärm zeigen, machten es bislang schwierig, von Einzelbeobachtungen auf das große Ganze zu schließen und die Gefahren des Lärms umfassend zu bewerten“, sagte die Biologin Ilse van Opzeeland vom AWI, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung.
Van Opzeeland ist Koautorin der im Fachjournal „Science“ veröffentlichten Studie. „Unsere Übersichtsstudie ist eine Synthese wissenschaftlich relevanter Noise-Studien seit den 70er Jahren. Sie zeigt, dass der Meereslärm viele sehr unterschiedliche marine Tierarten beeinträchtigt und dass der Lärm bestimmter Geräuschquellen negative Folgen hat“. Beispiele von Ozeangeräuschen finden Sie hier, Stichwort: Themenwelten / Polarklänge.
Unregulierter Klangbrei über alle Frequenzen
Die umfassende Analyse zeigt eindrucksvoll, dass die Tonhöhen des Meereslärms zu einem großen Teil ausgerechnet in jenem Bereich liegen, in dem Meerestiere kommunizieren. Manche Störquellen lärmen über sehr weite Tonhöhen-Bereiche, von ganz tiefen bis zu sehr hohen Tönen. Dazu gehören vor allem kleine und große Schiffe. Aber auch das rappelnde Fanggeschirr von Trawlern oder die Arbeiten auf Öl- und Gasplattformen verschmutzen die Meere mit Lärm.
Dass zum Beispiel Schweinswale in der Nordsee bei Rammarbeiten in Windparks flüchten, wissen wir schon lange“, sagt Ilse van Opzeeland. „Die von uns ausgewerteten Studien zeigen jetzt aber, dass offenbar noch ganz andere Tierarten auf Lärm reagieren – etwa Nesseltiere, zu denen Quallen gehören, und sogar Muscheln.“
Da das Wissen über die Auswirkungen von Meereslärm lange lückenhaft schien, wurde das Thema Meereslärm in der internationalen Meerespolitik im Vergleich zu Aspekten wie der Erwärmung und Ozeanversauerung oder der Verschmutzung der Ozeane durch Schadstoffe und Plastik eher stiefmütterlich behandelt.
Internationale Bemühungen zum Schutz gebe es bisher nicht. Eine Ausnahme sei die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union, die die Lärmbekämpfung klar als Ziel definiert hat. Angesichts ihrer Ergebnisse fordern die Forscher eine stärkere internationale Kooperation.
Schallschutz für Unterwasser-Baustellen und Schiffe
Natürlich lassen sich nicht alle Lärmquellen im Meer wie zum Beispiel der Ausbau der Windkraft und die Handelsschifffahrt komplett abstellen“, sagt Van Opzeeland. „Dennoch lässt sich der Meereslärm durch verschiedene Maßnahmen sehr gut reduzieren.“
In der Nord- und Ostsee zum Beispiel legt man seit einiger Zeit Blasenschleier um die Windradbaustellen, die das Echo der Rammschläge dämpfen. Im östlichen Mittelmeer wiederum führte eine Reduktion der Geschwindigkeiten für Schiffe um rund zwei Knoten (etwa 3,5 km/h) zu einer Minderung des Lärms um rund 50 Prozent.
Und die Explosionen und Schüsse der Luftpulser (Airguns) bei der Rohstoffsuche lassen sich, so die Autoren, durch Geräte ersetzen, die vom Meeresboden aus starke Vibrationen in die Tiefe schicken.
Insofern wolle man mit der Studie auch Hoffnung machen. „Der Trend lässt sich umkehren. Die Meere müssen nicht zwangsläufig lauter werden. Unsere Studie zeigt, wie ernst das Problem ist. Aber auch, dass man den Lärm vor allem durch internationale Zusammenarbeit bekämpfen kann.“
Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der gemäßigten sowie hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 19 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. (AWI/ts)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion