Physische Belastung beeinflusst das Gedächtnis
Wie funktioniert das Gedächtnis unter starker körperlicher Belastung in einer Gefahrensituation? Welche Informationen können noch verarbeitet werden und sind erinnerbar? Dieser Frage widmeten sich Wissenschaftler der Metropolitan-Polizei und des US-amerikanischen Force Science Institute.
Laut einer neuen englischen Studie reicht bereits die Verfolgung eines Tatverdächtigen oder eine Schlägerei von nur einer Minute aus, um das Gedächtnis eines Polizei-Beamten entscheidend zu beeinträchtigen.
Dr. Lorraine Hope von der englischen Universität von Portsmouth betonte, dass die Ergebnisse dieser Studie von den Polizei-Beamten, Polizei-Chefs und Gerichten ernst genommen werden sollten.
Glaubwürdigkeit vor Gericht
„Von Polizei-Beamten wird oft erwartet, dass sie sich detailliert daran erinnern, wer was gesagt hat, wie viele Schläge während einer körperlichen Auseinandersetzung oder danach ausgeteilt oder eingesteckt wurden. Die Ergebnisse unserer Tests zeigen, dass das für sie sehr schwer sein könnte“, schrieb sie in einer Erklärung.
„Im Rechtssystem wird großer Wert auf Zeugenaussagen gelegt, insbesondere auf die Aussagen professioneller Zeugen wie Polizei. Ermittler und Gerichtshöfe müssen wissen, dass ein Polizei-Beamter, der sich an keine Details eines Ereignisses, bei dem körperliche Belastung mit im Spiel war, erinnern kann, keinesfalls die Kooperation verweigert oder gar betrügen will. Fehler in der Erinnerung von Polizei-Beamten oder Unterlassungen nach intensiver physischer Belastung sollten nicht ungerechterweise als Unglaubwürdigkeit ausgelegt werden.“ (PTBS = Post Traumatisches BelastungsSyndrom kann auch durch Zusehen ohne Beteiligung ausgelöst werden. Die Red.)
In einem Zustand physischer Verausgabung ist laut Aussagen der Wissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, Informationen zu verarbeiten, beeinträchtigt.
„Wenn die Anstrengung überhandnimmt, neigen die kognitiven Ressourcen dazu, zu schwinden. Die Fähigkeit, vollkommen aufmerksam zu sein, ist gehemmt. Im Endeffekt ist unser Erinnerungsvermögen darauf beschränkt, was wir verarbeiten können“, erklärte Dr. Hope.
Das Experiment
Hope arbeitete bei der Durchführung der Studie mit Experten der Metropolitan-Polizei und des Force Science Institute zusammen. 52 Polizei-beamte mit einem durchschnittlichen Dienstalter von acht Jahren nahmen an der in Winnipeg, Kanada, durchgeführten Studie teil.
Die Polizei-Beamten nahmen an einem Test teil, der im Wesentlichen auf einem Szenario unter Realbedingungen basierte. Dafür wurden die Teilnehmer in Paare aufgeteilt und zunächst kurz über die Flut an bewaffneten Raubüberfällen in der Innenstadt informiert einschließlich Details von Zeugenbeschreibungen der Täter.
Pro Paar sollte dann einer einen schweren hängenden Wassersack angreifen und so lange schlagen und treten, bis er keine Kraft mehr hatte, fortzufahren. Der andere schaute einfach zu.
Daraufhin mussten sich die Polizei-Beamten dem Modell eines Wohnwagens nähern, in dem der bekannte Kriminelle wohnen sollte. Auf dem Weg begegneten sie einer anderen Person. Als sie den Wohnwagen betraten, sahen sie einige Waffen in Greifweite, darunter Pistolen und Messer. Der Kriminelle tauchte dann plötzlich aus einem der Räume auf und schrie aggressiv auf die Beamten ein. Nach diesen Ergebnissen wurden sie auf ihre Erinnerung an die Operation getestet.
Das Ergebnis war, dass die Polizisten, die sich zuvor körperlich verausgabt hatten, nicht in der Lage waren, sich an Details in Zusammenhang mit dem Kriminellen zu erinnern und mehr Fehler machten, verglichen mit denen, die bloß zugeschaut hatten. Sie konnten den Kriminellen auch nur halb so sicher bei einer Gegenüberstellung identifizieren.
Fazit: Wesentliches wird erinnert
Nur ein Drittel der Polizisten, die sich körperlich verausgabt hatten, konnte sich daran erinnern, eine Person auf dem Weg zum Wohnwagen gesehen zu haben, wohingegen alle anderen mindestens ein Beschreibungsmerkmal dieser Person nennen konnten.
Allerdings waren die körperlich belasteten Polizei-Beamten trotzdem in der Lage, sich bedrohliche Aspekte zu merken; beide Gruppen konnten sich an die gleiche Anzahl von Waffen erinnern.
Das könnte bedeuten, dass bei physisch überforderten Personen die Hirnressourcen eher für Risikoeinschätzungen bereitgestellt werden als dafür, sich an Details der Situation und der Tatverdächtigen zu erinnern, berichteten die Forscher.
Englischer Original-Artikel: Physical Exertion Affects Witness Memory
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