Massengrab der Maya: Isotopenanalyse weist auf Kriegsgefangene hin

Ein Forscher der Universität Bonn untersuchte Knochen aus einem 1.400 Jahre alten Massengrab der Maya von Uxul (Mexiko). Das Ergebnis: Die zerstückelten Überreste stammen vermutlich von Kriegsgefangenen mit hohem sozialen Status.
Titelbild
Nachdem die Körper zerteilt worden waren, wurden die Körperteile auf dem Boden eines künstlichen Wasserspeichers niedergelegt und mit großen Steinblöcken bedeckt.Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn
Epoch Times16. Dezember 2019

Am Boden eines Wasserspeichers der früheren Maya-Stadt Uxul im heutigen Mexiko haben Altamerikanisten der Universität Bonn vor mehreren Jahren Knochen von etwa 20 Menschen gefunden. Diese waren offenbar vor rund 1.400 Jahren getötet und zerstückelt worden. Unklar blieb bislang, ob diese Opfer aus Uxul oder aus anderen Regionen des Mayagebiets stammten.

Dr. Nicolaus Seefeld, der an der Bonner Universität das von der Gerda Henkel Stiftung geförderte Projekt leitet, ist nun einen Schritt weiter. Eine Strontium-Isotopenanalyse der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko (UNAM) ergab, dass einige der Getöteten in mindestens 150 Kilometer Entfernung von Uxul aufgewachsen sind.

Von der Zahnuntersuchung zum Geburtsort

Strontium wird mit der Nahrung aufgenommen und wie Kalzium in Knochen und Zähnen eingelagert. Die Isotopenverhältnisse des Strontiums variieren in Gesteinen und Böden. Für unterschiedliche Regionen auf der Erde gibt es deshalb charakteristische Signaturen.

„Da die Entwicklung des Zahnschmelzes in früher Kindheit abgeschlossen ist, lässt sich anhand des Strontium-Isotopenverhältnisses auf die Region schließen, in der ein Mensch aufgewachsen ist“, sagt Dr. Nicolaus Seefeld in einer Pressemitteilung. Sein Projekt beschäftigt sich neben dem Massengrab von Uxul auch mit der Funktion von ritualisierter Gewalt in der Maya-Gesellschaft.

Gemeinsam mit Forschern des Labors für Isotopengeochemie des Instituts für Geophysik an der UNAM nahm Seefeld im Frühsommer dieses Jahres von insgesamt 13 Individuen winzige Proben aus dem Zahnschmelz.

„Von den restlichen Individuen war es leider nicht möglich, das Strontium-Isotopenverhältnis zu untersuchen, weil die Zähne zu kariös waren und dadurch das Ergebnis verfälscht worden wäre“, berichtet Seefeld.

Nicolaus Seefeld bei der Restaurierung eines Schädels aus dem Massengrab von Uxul. Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Opfer kamen von weither und hatten eine hohe soziale Stellung

Die Resultate der Isotopenanalyse zeigen, dass der Großteil der Opfer in mindestens 150 Kilometer Entfernung von Uxul im südlichen Tiefland, im Bereich des heutigen Guatemala, aufgewachsen war.

„Mindestens ein Erwachsener und auch ein Säugling waren jedoch lokale Bewohner aus Uxul“, sagt der Forscher. Es handelte sich offenbar überwiegend um Menschen von hoher sozialer Stellung, da acht der Individuen aufwendigen Zahnschmuck aus Jade oder Gravuren in den Schneidezähnen aufwiesen.

Bei einem Individuum aus dem Massengrab von Uxul wurden in die oberen Schneidezähne Ornamente eingraviert und zur besseren Sichtbarkeit mit einem schwarzen Pigment ausgefüllt. Diese bislang unbekannte Form von Zahnschmuck spricht für eine sozial herausgehobene Stellung. Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Schnittspuren und Verletzungen von Steinklingen

Detaillierte Untersuchungen ergaben außerdem, dass sich neben mindestens 14 Männern und einer Frau auch einige Jugendliche und ein 18 Monate alter Säugling in dem Massengrab befanden.

Beinahe alle Knochen wiesen Schnittspuren und Verletzungen von Steinklingen auf, deren regelhafte Verteilung verdeutlichen, dass man die Individuen in einem systematischen und geplanten Vorgang zerteilt hatte. Sie wurden außerhalb des Wasserspeichers getötet und enthauptet, dann zerteilt und die Körperteile am Grunde des Speichers niedergelegt.

Schnittspuren an den Muskelansätzen der Langknochen verdeutlichen, dass Haut, Muskeln und Sehnen von den Gliedmaßen entfernt wurden. Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Weiterhin entdeckten die Forscher Hitzespuren an den Knochen, die zeigen, dass die Körper dem Feuer ausgesetzt waren. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich dadurch Haut und Muskeln besser ablösen ließen. Menschliche Bissspuren an den Knochen, die auf Kannibalismus hindeuten sollen, ließen sich aber nicht nachweisen.

Nach der Zerteilung wurden ursprünglich zusammenhängende Körperteile bewusst in möglichst großer Entfernung zueinander niedergelegt. „Darin wird deutlich der Wunsch erkennbar, die physische Einheit der Individuen zu zerstören“, sagt Seefeld.

Brandspuren an den Lendenwirbeln eines erwachsenen Menschen aus dem Massengrab von Uxul. Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Tötung und Zerstückelung als Machtdemonstration

Die neuesten Ergebnisse der Strontium-Isotopenanalyse und der anthropologischen Untersuchungen erlauben nun genauere Rückschlüsse auf die Identität der Opfer und die möglichen Gründe für ihre Tötung.

Durch bildliche Darstellungen ritueller Gewalt bei den klassischen Maya ist bekannt, dass die Enthauptung und Zerstückelung von Menschen meist im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen auftrat. Diese Darstellungen zeigen häufig siegreiche Herrscher, die bevorzugt die Eliten der unterlegenen Stadt zu Kriegsgefangenen machten, um sie später öffentlich zu demütigen und zu töten.

„Deshalb sind die dokumentierten Handlungen aus Uxul nicht als bloßer Ausdruck von Grausamkeit oder Brutalität, sondern als eine Machtdemonstration zu verstehen“, sagt Seefeld.

Schnittspuren (rote Striche) und Frakturen (hellblaue Linie) belegen, dass bei diesem Kopf der Skalp entfernt und daraufhin die Schädeldecke mit gezielten Schlägen abgetrennt wurde. Danach wurde sie rund drei Meter entfernt abgelegt. Foto: Nicolaus Seefeld/Uni Bonn

Befremdliche Handlungsweise

Die plausibelste Erklärung für die aktuelle Datenlage ist, dass es sich bei den meisten bestatteten Individuen um Kriegsgefangene aus einer Stadt im südlichen Maya-Tiefland handelt, die bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Uxul unterlagen. Anschließend wurden diese ehemals einflussreichen Individuen nach Uxul gebracht und dort getötet.

2013 entdeckte Seefeld in der ehemaligen Mayastadt Uxul in Südmexiko bei der Untersuchung des Wasserversorgungssystems einen Brunnen. Während des 7. Jh. n. Chr. begruben die Bewohner von Uxul hier die Überreste von etwa 20 Menschen. Die Ausgrabungen dieses Massengrabs wurden im Rahmen des archäologischen Projekts Uxul von der Abteilung für Altamerikanistik der Universität Bonn durchgeführt.

Seine Ergebnisse stellte Seefeld vor kurzem bei der mitteldeutschen archäologischen Tagung in Halle und bei der Konferenz „Investigadores de la Cultura Maya“ in Campeche in Mexiko vor. (UB/ts)



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