Kläranlage statt Landwirtschaft: Neue Quelle für Glyphosat entdeckt

Eine Studie deutscher Forscher legt nahe, dass die hohen Mengen an Glyphosat in europäischen Flüssen nicht aus der Landwirtschaft, sondern unwissentlich aus Kläranlagen stammen. Die eigentliche Quelle liege noch weiter entfernt: die Waschmaschinen.
Kläranlage statt Landwirtschaft: Neue Quelle für Glyphosat entdeckt
Bislang galt der Einsatz von Glyphosat als Herbizid in der Landwirtschaft weltweit als Hauptgrund für seine Präsenz in Gewässern.Foto: kosmos111/iStock
Von 12. September 2024

Ein Forscherteam der Universität Tübingen fand heraus, dass das meiste Glyphosat in europäischen Flüssen wahrscheinlich nicht – wie bisher angenommen – aus Herbiziden stammt, sondern durch Zusätze in Waschmitteln verursacht wird. Für die Studie analysierten Professorin Carolin Huhn aus Tübingen und ihre Kollegen große Datenmengen europäischer und US-amerikanischer Wasserschutzbehörden.

Bislang galt der Einsatz von Glyphosat als Herbizid in der Landwirtschaft weltweit als Hauptgrund für seine Präsenz in Gewässern. Die europäischen Maßnahmen zur Verringerung führten jedoch nicht zu spürbar sinkenden Konzentration. Vielmehr scheint es so, dass eine andere Quelle jahrzehntelang übersehen wurde. Laut den Forschern könnten bestimmte Aminopolyphosphonate, die zum Beispiel in Waschmitteln verwendet werden, im Klärschlamm von Kläranlagen in Glyphosat umgewandelt werden.

Um den Weg von Glyphosat in die Flüsse nachzuvollziehen, analysierten die Forscher lange Zeitreihen von Glyphosatkonzentrationen in Flüssen. Gesammelt wurden diese hauptsächlich von den für den Gewässerschutz zuständigen Behörden in Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden, Luxemburg, England, den Niederlanden und den USA. Einige der Datensätze reichen bis ins Jahr 1997 zurück. Insgesamt bezogen die Forscher Daten von etwa hundert Standorten in ihrer Studie mit ein.

Kein Fußabdruck der Landwirtschaft

Ausgangspunkt für die Studie war die Beobachtung, dass die Menge an Glyphosat in europäischen Flüssen stark von der Saison abhängig ist. So war die Konzentration im Sommer besonders hoch und im Winter deutlich niedriger.

Dies schien jedoch nicht mit dem Einsatz des Herbizids in der Landwirtschaft zusammenzupassen. Wäre das Agrarwesen die Hauptquelle, wären erhöhte Konzentrationen während der Hauptanwendungsphasen im Frühjahr und Herbst sowie nach Regenereignissen zu erwarten. Neben der Landwirtschaft wurde Glyphosat auch zur Verhinderung unerwünschten Pflanzenwachstums in Wohngebieten und in Gleisbetten eingesetzt.

Die aus der Landwirtschaft erwarteten Konzentrationsspitzen wurden indes nur an sehr wenigen Messstellen in Europa beobachtet. So ist das Eintragsmuster anderer Herbizide dem von Glyphosat nahezu entgegengesetzt. Außerdem zeigte sich eine konstante Menge an Glyphosat, die pro Tag in einen Fluss gelangte.

„Im Boden und im Wasser wird Glyphosat teilweise in Aminomethylphosphonsäure, kurz AMPA, umgewandelt. Beide Stoffe können durch Niederschläge in die Flüsse gespült werden“, sagte Huhn. Das sommerliche Hoch und winterliche Tief sei dagegen von Stoffen bekannt, die aus Kläranlagen in die Gewässer gelangen – wie Arzneimittel und Haushaltschemikalien.

Glyphosat aus dem Haushalt

Die Studie lässt somit vermuten, dass die Hauptquelle für Glyphosat in Flüssen aus Abwässern von Kläranlagen stammen muss. „Eine Übersicht zeigt, dass Glyphosat in allen untersuchten Kläranlagen in Europa vorkommt, und seine Konzentration war das ganze Jahr über bemerkenswert konstant“, so Huhn.

„Die detaillierte Analyse der Millionen Einzelwerte zeigt uns, dass kommunale Abwässer eine Rolle spielen. Einige Ergebnisse zeigen uns auch, dass wir eine Quelle für Glyphosat in der Nähe der Haushalte suchen müssen.“ Die Forscher gehen davon aus, dass es einen dominanten Eintrag unabhängig von der Verwendung von Herbiziden geben muss – anders ließen sich die Konzentrationsmuster nicht erklären.

„Alles, was wir an den Daten nicht erklären können, verschwindet, wenn wir davon ausgehen, dass wir es nicht mit Glyphosat aus der Landwirtschaft zu tun haben, sondern mit jenem, das sich aus einer größeren Substanz gebildet hat“, erklärte Huhn.

Die Forscher stellten eine Liste von Kriterien zusammen und identifizierten eine Substanz, die chemisch mit Glyphosat verwandt ist und alle Fragen beantworten könnte. Laut Huhn und ihren Kollegen handelt es sich dabei um ein Umwandlungsprodukt von Aminopolyphosphonaten, die in Europa in großem Umfang und insbesondere in Waschmitteln verwendet werden.

Erste Labortests sind inzwischen abgeschlossen und bestätigen die Hypothese der Glyphosatbildung in Kläranlagen aus diesem Waschmittelzusatz. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: „Wir sehen keine Glyphosatbildung, wenn wir die Bedingungen direkt in der Waschmaschine nachstellen“, so die Forscher.

Bauern unschuldig

Die Ergebnisse könnten erklären, warum es nicht möglich war und sein wird, die Glyphosatbelastung der Flüsse in Europa durch Regelungen für Landwirte zu verringern. Ob dies so ist, müssen künftig unabhängige Studien prüfen. Sollte sich bewahrheiten, dass das Glyphosat größtenteils aus Kläranlagen stammt, müssen auch Behörden und Politiker umdenken.

„Wir sind uns bewusst, dass unsere Ergebnisse weitreichende Auswirkungen haben können, auch für die Industrie und die politischen Entscheidungsträger, aber auch dafür, wie die Überwachung von Oberflächengewässern verbessert werden kann“, so Huhn.

Anders dagegen scheint die Situation in den USA zu sein: So sind die Konzentrationsmuster von Glyphosat in US-Gewässern ähnlich hoch wie die anderer Herbizide, was auf einen dominierenden landwirtschaftlichen Eintrag hinweist. Im Gegensatz zu Europa werden Aminopolyphosphonate zudem in den USA kaum in Waschmitteln verwendet.

Die Studie erschien am 26. Juli 2024 in der Zeitschrift „Water Research“.



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