Studie: Kinder, die mit Tablet & Co aufwachsen, sehen „Wald vor lauter Bäumen nicht“

Kinder der Alpha-Generation (nach 2010 geboren) wachsen typischerweise mit mobilen Geräten in der Hand auf – und einer anderen Wahrnehmung der Welt. Vorschulkinder, so das Ergebnis einer Studie aus Ungarn, die häufig digitale Geräte wie Tablet oder Handy nutzen, achten dabei oft auf Details statt auf das Ganze.
Epoch Times3. März 2021

Menschen können sich darin unterscheiden, ob sie typischerweise den Wald oder die Bäume sehen, wobei die Mehrheit sich erst auf das Ganze und danach auf die Details konzentriert. Das ist auch bei Kindern so. Oder so war es bis jetzt. Forscher der Eötvös Loránd Universität in Budapest, Ungarn, haben herausgefunden, dass Kinder der sogenannten Alpha-Generation – die nach 2010 geboren wurden und oft digitale Geräte nutzen – oft erst die Bäume sehen.

Diese Kinder, so die Forscher um Studienleiter Ádám Miklósi, wachsen typischerweise mit mobilen Geräten in der Hand auf. Das beeinflusst auch ihren Alltag. Im „Alpha Generation Lab“ untersuchen die Forscher daher, welche Auswirkungen digitale Geräte auf die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung von Kindern haben. Ihre jüngsten Ergebnisse erscheinen im Juli 2021 in der Fachzeitschrift „Computers in Human Behavior“.

Was Sehen Sie? Sagen Sie das Erste, was Ihnen in den Sinn kommt!

Was können Sie auf diesem Bild sehen? Sagen Sie das Erste, was Ihnen in den Sinn kommt! Foto: Alpha Generation Lab / Eötvös Loránd University

Eine Methode, selbst zu prüfen, worauf das eigene Gehirn den Schwerpunkt legt, sind zusammengesetzte Bilder wie oben. Die Antwort auf die Frage „Was können Sie (zuerst) auf diesem Bild sehen?“ verrät Ihren Fokus. Wenn Sie „Stern“ sagen, konzentrieren Sie sich eher auf die Details, wenn Sie „Sonne“ sagen, dann eher auf das globale Muster.

Fokus auf das Ganze verlangsamt unsere Reaktion

„Die Fokussierung auf das globale Bild hilft uns, die Welt in sinnvollen, kohärenten Mustern wahrzunehmen und nicht nur als einen Haufen unzusammenhängender Punkte“, erklärt Veronika Konok, Erstautorin der Studie in einer Pressemitteilung. „Wir verarbeiten automatisch das globale Muster, auch wenn wir beabsichtigen, nur auf die Details zu achten.“

Weiter sagte sie: „Wenn wir uns zum Beispiel nur auf die kleinen Details eines Bildes wie oben konzentrieren müssen, um zu entscheiden, ob sie sonnenförmig sind oder nicht, können wir das große Bild (das sich von den kleinen Formen unterscheiden kann) nicht ignorieren. Das verlangsamt unsere Reaktion. Wenn wir uns jedoch auf das große Bild konzentrieren müssen, verwirren uns die kleinen Details nicht, weil wir sie nicht automatisch verarbeiten.“

„Kinder, die mit mobilen Endgeräten aufwachsen, unterscheiden sich in dieser Fähigkeit“, so die Forscher. Wenn sie beim Anblick einer Sonne auf globaler oder lokaler Ebene einen Knopf drücken müssen, zeige ihre Leistung, dass sie zuerst die Details verarbeiten. Sie würden schneller reagieren, wenn sich das Ziel (Sonne) auf lokaler Ebene befindet. Vorschulkinder, die keine mobilen Geräte benutzen, oder typische Erwachsene reagierten (deutlich) langsamer.

Digitale Geräte verändern, wie Kinder die Welt wahrnehmen

Um zu überprüfen, ob diese Aufmerksamkeitsveränderungen durch die Nutzung mobiler Geräte verursacht werden, rekrutierten die Forscher Vorschulkinder, unabhängig davon, ob sie mobile Geräte nutzen oder nicht, und untersuchten, ob ein kurzes Spiel auf dem Tablet kurzfristig eine Detail-fokussierte Aufmerksamkeit verursacht.

„Interessanterweise reichten sechs Minuten Spielzeit auf einem Tablet aus, um einen Detail-fokussierten Aufmerksamkeitsstil in einer folgenden Aufgabe zu induzieren. Im Gegensatz dazu zeigten Kinder, die mit einem nicht-digitalen Spiel („Hau-den-Lukas“) spielten, den typischen globalen Fokus“, sagte Studienleiter Ádám Miklósi.

Der Gebrauch von digitalen Geräten verändert also die Art und Weise, wie Kinder die Welt wahrnehmen. Die Ergebnisse zeigten nach Aussagen der Forscher jedoch, dass die Art der Erfahrungen, mit denen Kinder konfrontiert werden, sehr wichtig ist. In diesem Alter sei das Gehirn sehr plastisch, sodass solch massive frühe Exposition einen signifikanten Langzeiteffekt haben könne.

Denkweise „wird wahrscheinlich unsere Welt verändern“

„Der atypische Aufmerksamkeitsstil bei Kindern, die Mobiltelefone benutzen, ist nicht unbedingt schlecht, aber mit Sicherheit anders. Das können wir nicht ignorieren – zum Beispiel in der Pädagogik„, ergänzte Forscherkollegin Krisztina Liszkai-Peres. Wahrscheinlich, so die Forscher weiter, bräuchten diese Kinder eine neue Art der Präsentation von Bildungsmaterial.

Wie die Forscher betonen, sind Menschen, die auf Details achten, keineswegs weniger intelligent. Sie seien geschickter im analytischen Denken, aber weniger kreativ. Gleichzeitig hätten sie schwächere soziale Fähigkeiten. Wenn sich dieser Trend nicht ändere, könne es unter den Kindern der neuen Generation mehr wissenschaftliche Denker und weniger künstlerische oder soziale geben. Das wiederum werde wahrscheinlich die Welt, in der wir leben, verändern – in welche Richtung, ließen die Forscher offen. (ts)

(Mit Material der Eötvös Loránd University (ELTE))



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