Hunga Tonga veränderte Chemie und Dynamik der Atmosphäre

Der Ausbruch des Hunga Tonga im Januar 2022 schickte gewaltige Mengen an Wasser hoch in die Atmosphäre, was zum teilweisen Verlust des schützenden Ozons in der Stratosphäre führte.
Ausbruch des Hunga Tonga
Weiße Wolken aus Wasserdampf steigen am 21. Dezember 2021 über dem Hunga Tonga-Hunga Ha'apai nahe der tonganischen Hauptstadt Nuku'alofa auf.Foto: Mary Lynn Fonua /AFP via Getty Images
Von 26. Dezember 2023

Der Ausbruch des Hunga Tonga im Südpazifik im Januar 2022 löste eine Schockwelle aus, die wortwörtlich auf der ganzen Welt zu spüren war. Die Folgen waren unter anderem Tsunamis im gesamten Pazifikbecken, wobei einige von ihnen Tausende Kilometer entfernte Küsten trafen.

Nun gaben Wissenschaftler der University of Maryland und der Harvard University bekannt, dass der Ausbruch auch längerfristige Auswirkungen hatte: Hunga Tonga veränderte die Chemie und die Dynamik der Erdatmosphäre.

Mehr Wasser in der Atmosphäre

Laut ihrer Studie führte der 12-stündige Ausbruch unter Wasser zu einem Verlust von bis zu sieben Prozent der Ozonschicht über weiten Teilen der südlichen Hemisphäre. Ausschlaggebend für diese atmosphärischen Veränderungen war die schiere Menge an Wasserdampf, die in die Stratosphäre – eine Atmosphärenschicht in sieben bis 50 Kilometern Höhe – gelangte. Dort befindet sich auch die Ozonschicht, die den Planeten und seine Bewohner vor der potenziell schädlichen UV-Strahlung der Sonne schützt.

„Der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai war insofern außergewöhnlich, als er etwa 135 Millionen Kubikmeter Wasser in die normalerweise trockene Stratosphäre einbrachte. Das ist für ein einzelnes Ereignis eine absolut unglaubliche Wassermenge“, sagte David Wilmouth von der Harvard-Universität und Erstautor der Studie. Zum Vergleich: 135 Millionen Kubikmeter Wasser ist die Wassermenge, die etwa 54.000 olympische Schwimmbecken fassen oder knapp ein Fünftel der Müritz.

Mit dieser Studie haben Forscher erstmals die Auswirkung eines Vulkanausbruchs auf einen Großteil der beiden Hemisphären untersucht. Möglich machten dies Satellitendaten und ein globales Modell.

„Mit diesem Ausbruch haben wir Neuland betreten“, erklärt Ross Salawitch, Professor an der University of Maryland und Mitautor der Studie. „In der Geschichte der Satellitenaufzeichnungen haben wir noch nie gesehen, dass so viel Wasserdampf in die Atmosphäre eingeleitet wurde.“

Hunga Tonga stellt neue Rekorde auf

Der Ausbruch des Vulkans war gleichzeitig die größte Explosion, die Wissenschaftler jemals mit modernen Geräten in der Atmosphäre aufzeichneten. Sie war so gewaltig, dass sie selbst die größten Atombombentests und alle anderen Vulkanausbrüche der vergangenen Jahre bei weitem übertraf.

Gleichzeitig schleuderte der Vulkan enorme Mengen an Aerosolen und Gasen tief in die Stratosphäre und darüber hinaus. Einige von diesen Materialien erreichten sogar den unteren Teil der Mesosphäre in knapp 50 Kilometern Höhe, womit Hunga Tonga einen weiteren Rekord aufstellte.

Andere Studien ergaben bereits, dass der Ausbruch den Wasserdampf – das mit Abstand stärkste Treibhausgas – in der Stratosphäre weltweit um zehn Prozent ansteigen ließ, wobei die Konzentration in einigen Gebieten der südlichen Hemisphäre noch höher war.

Das Ziel der Forscher war es nicht nur, zu verfolgen, wie sich der Wasserdampf über den Globus bewegte, sondern auch die Überwachung der Temperatur und den Gehalt an Chlormonoxid, Ozon, Salpetersäure und Chlorwasserstoff in der Stratosphäre. Anschließend verglichen sie die gewonnenen Daten mit Werten, die aus den Jahren 2005 bis 2021 stammen.

Schwefeldioxid bringt Mischung durcheinander

Beim Vergleich der Daten stellten die Forscher fest, dass der Eintrag von Wasserdampf und Schwefeldioxid sowohl die Chemie als auch die Dynamik der Stratosphäre veränderte. Speziell das Schwefeldioxid führte zu einem Anstieg der Sulfataerosole, die Ausgangspunkte für neue chemische Reaktionen boten.

„Bestimmte Reaktionen, die vielleicht gar nicht oder nur langsam ablaufen, können beschleunigt werden, wenn es Aerosole gibt“, so Wilmouth.

Weiterhin besaß der zusätzliche Wasserdampf eine kühlende Wirkung in der Stratosphäre, was zu einer Änderung der Zirkulation führte. Diese Strömungsänderung bewirkte einen Rückgang des Ozons auf der Südhalbkugel und über den Tropen. Den stärksten Rückgang des Ozons stellten die Forscher im Oktober – neun Monate nach dem Ausbruch – fest.

„Ein wichtiger Punkt, den unsere Arbeit veranschaulicht, ist, dass man nicht nur eine Komponente der Stratosphäre stören kann und dies isoliert geschieht“, so Wilmouth. „Die Zyklen sind miteinander verbunden.“

Die Forscher hoffen, ihre Studie fortsetzen und die Auswirkungen des Vulkans über das Jahr 2023 hinaus verfolgen zu können. Derzeit erwarten die Forscher, dass die erhöhte Menge an Wasserdampf noch Jahre in der Atmosphäre verbleiben wird. Wandert er aus den Tropen und den mittleren Breiten zum Südpol, sei zudem mit verstärktem Abbau des Ozons in der Antarktis zu rechnen.

Die Studie erschien am 30. Oktober 2023 im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.



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