Grünes Benzin bereits marktreif – Bundesregierung bremst CO2-freie Alternative zu E-Autos
„Synthetische Kraftstoffe sind die Zukunft der Mobilität“, ist Joachim Engelmann, Geschäftsführer und Gesellschafter des Chemieanlagenbaus Chemnitz (CAC), überzeugt. „Wir gehen davon aus, dass Autos in Zukunft verstärkt mit synthetisch hergestelltem Benzin oder Diesel fahren werden“. Bis 2030 soll laut Erneuerbarer-Energien-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive II) der EU der erneuerbare Anteil in Kraftstoffen bei 14 Prozent liegen – das ist doppelt so viel wie aktuell.
Der CAC hat einen Prozess zur Erzeugung von grünem, sprich synthetischem, Benzin nur aus Kohlendioxid, Strom und Wasser entwickelt – ganz ohne fossile Brennstoffe. In der Demonstrationsanlage für die wichtigste Prozessstufe, der Umwandlung von Methanol zu Benzin, an der TU Bergakademie Freiberg, wurden bereits zwölf Tonnen (ca. 16.200 Liter) des grünen Benzins produziert und Automobilherstellern zum Testen bereitgestellt.
Alternativen für E-Autos nicht erwünscht: „Forderungen kaum erfüllbar“
Zwar forschen alle großen Automobilisten an Alternativen wie Elektroantrieben oder Brennstoffzellen, doch unterm Strich fällt deren Treibhauspotenzial zurzeit höher aus. Der Vorteil des CAC-Verfahrens besteht darin, dass sich Benzin fast CO2-neutral herstellen lässt, da für die Herstellung nur CO2, Wasser und Strom – idealerweise aus erneuerbaren Quellen – benötigt wird.
„Interessenten für unser Verfahren gibt es viele“, sagt Joachim Engelmann.
Jedoch wurde bisher noch keine großtechnische Anlage errichtet. Eine solche Anlage zu bauen ist unser großes Ziel, denn die Technologie ist marktreif“.
Doch, so sagte Engelmann, der bereits in vielversprechenden Verhandlungen mit einer Raffinerie im Ausland dazu steht: „Deutschland nimmt das Thema nicht ernst genug: Das neue Klimaschutzabkommen nimmt zwar Bezug auf die Flugindustrie oder LKW, aber die PKW wurden bei den synthetischen Kraftstoffen ausgespart. Die Politik hat sich in einem Maße auf das Elektro-Auto fixiert, wie es kaum erfüllt werden kann. Wenn der Staat synthetische Kraftstoffe nicht als strategisches Ziel anerkennt, müssen wir als Anlagenbauer uns an anderen Ländern orientieren, in denen diese Technologien Zukunft haben.“
Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten werden im Rahmen des Forschungsprojektes „C3-Mobility“ vom Bund und dem Freistaat Sachsen gefördert. Dennoch stecken in dem Projekt auch mehr als 50 Prozent Eigenmittel der CAC.
„Power to X“ hat das Potenzial, die Spitzenposition deutscher Automobilhersteller zu bewahren
Allgemein ist die Thematik unter dem Namen Power-to-X bekannt. Mit anderen Worten „aus Strom mach‘ X“, neben Benzin lassen sich aber auch Diesel, Kerosin, Methanol, Ammoniak, Gas oder Flüssiggas aus CO2 und Wasser herstellen.
Auch Wasserstoff lässt sich aus Strom und Wasser gewinnen und ist der erste Prozessschritt im Power-to-X-Verfahren. Mit verschiedenen Katalysatoren kann Wasserstoff im Anschluss in die verschiedenen Kraftstoffe umgewandelt werden.
Das CO2, das für die Herstellung der Kohlenwasserstoffe benötigt wird, stammt aus der Luft oder idealerweise sogar aus Industrieabgasen. Dort liegt der CO2-Gehalt beim bis zu 500-fachen wie in „normaler“ Luft. Wird das Kohlendioxid direkt aus einer Industrieanlage aufgefangen, entstehen dort nahezu keine Abgase.
Das sogenannte „Carbon Capture“ (= Auffangen von Kohlenstoffdioxid) wird zur Win-Win-Situation sowohl für die Industrie als auch für die synthetische Kraftstoffherstellung, die genau dieses CO2 braucht. Der notwendige Wasserstoff wird im Elektrolyseverfahren aus ganz normalem Wasser gewonnen. Dazu braucht man Strom und wenn dieser noch dazu aus nachhaltigen Energiequellen stammt, werden die CO2-Emissionen weiter verringert.
„Der große Vorteil an synthetisch hergestelltem Benzin ist neben dem Hauptziel der Reduzierung von CO2-Emissionen, dass die Automobilhersteller damit ihre Verbrennungsmotoren weiter entwickeln können, dass das saubere Benzin abwärtskompatibel für die Automobil-Bestandsflotte genutzt werden kann und dass es über das bestehende Tankstellennetz auch flächendeckend zur Verfügung steht“, so Engelmann.
„Ungünstige gesetzliche Grundlagen“ behindern Grünes Benzin
Für ein Modellprojekt hat die CAC zusammen mit Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe GmbH (MHPSE) eine komplette Prozesskette inklusive der Stromerzeugung aus Wasserkraft prozesstechnisch entwickelt und simuliert. Ziel des Projektes ist die Herstellung eines synthetisch hochoktanigen Kraftstoffes, welcher nahezu komplett CO2-neutral ist.
„Kohlendioxid als Basis für die Herstellung von synthetischem Benzin zu verwenden ist ein Alleinstellungsmerkmal der CAC-Technologie“, so Joachim Engelmann. „Es gibt zwar weltweite Wettbewerber, die ebenfalls an synthetischen Kraftstoffen forschen beziehungsweise auch Anlagen errichtet haben, doch sie können das CO2 nicht direkt verarbeiten.“
Die Idee, überschüssiges CO2 für die Kraftstoffherstellung zu verwenden, macht aus einem unerwünschten Nebenprodukt ein begehrtes Gut. Industrieunternehmen mit einem hohen CO2-Ausstoß bräuchten das Kohlendioxid gar nicht erst in die Umwelt abzugeben, sondern könnten es gleich als Rohstoff in den Kreislauf zur Kraftstoffgewinnung einleiten.
Die CO2-Einsparung könnte mit Emissionszertifikaten verrechnet werden. „Allerdings sind die gesetzlichen Grundlagen noch nicht zu unseren Gunsten geregelt“, sagt Joachim Engelmann und hofft, dass die Gesetzgebung die Vorteile des neuen Verfahrens bald anerkennt und das in der CAC-Demonstrationsanlage erzeugte synthetische Benzin als sauberen Kraftstoff klassifiziert. (ts/CAC)
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