Grenzen der Gewinnung von Lithium aus Geothermie

Ein Team des Karlsruher Instituts für Technologie zieht Bilanz zur Gewinnung von Lithium aus Thermalwässern in Deutschland. Mögliche Fördermengen und der Zeithorizont beschränken das Potenzial.
Ein Arbeiter steht auf dem Bohrturm am Geothermie-Bohrplatz der Deutschen ErdWärme.
Ein Arbeiter steht auf dem Bohrturm am Geothermie-Bohrplatz der Deutschen ErdWärme.Foto: Uwe Anspach/dpa
Von 3. November 2022

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Wasser aus der Tiefe pumpen, Lithium abtrennen und daraus Batterien für die Elektromobilität produzieren. Die Idee vom umweltverträglichen und regionalen Lithium als Nebenprodukt der Geothermie scheint vielversprechend. Doch inwiefern sich der heimische Abbau wirklich lohnt, war bislang nicht ausreichend geklärt.

Ein Team des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat nun den Forschungsstand zusammengefasst, Rohstoffmärkte analysiert und Technologien bewertet. Demnach könnten in Deutschland theoretisch Tausende Tonnen Lithium pro Jahr gefördert werden. Zentrale Fragen bleiben jedoch weiterhin offen.

Lithium als Schlüssel der Energiewende

Für die von der Politik geplante Energiewende benötigt Europa viele Batterien und dazu genügend Lithium, um sie zu produzieren. Die Europäische Union stuft Lithium entsprechend als kritischen Rohstoff ein – es droht ein Lithiumdefizit. Zudem gibt es ein weiteres Problem:

„[Deutschland ist] vollständig auf Importe angewiesen, weltweit stammen 80 Prozent des Lithiums aus Chile und Australien“, erklärte Mitte Oktober Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. „Gleichzeitig nehmen wir erhebliche Umweltkosten beim konventionellen Abbau in diesen Ländern in Kauf, etwa negative Auswirkungen auf das Grundwasser.“

Bei der Lithiumgewinnung in Geothermiekraftwerken soll dagegen die bestehende Infrastruktur in Europa genutzt werden. Durch sie werden bereits große Mengen Thermalwasser mit teilweise hohem Lithiumgehalt gefördert. Nach der Energieproduktion soll das Lithium dabei technologisch abgetrennt und das Wasser, wie im Kraftwerkbetrieb üblich, in den Untergrund zurückgeführt werden.

„Grundsätzlich sehen wir die Technologie sehr positiv. Flächenverbrauch und Umweltkosten wären gering, genauso die Transportkosten“, so Goldberg. Um zu klären, welchen Beitrag heimisches Lithium zukünftig realistisch leisten kann, hat Goldberg mit seinen Kollegen am AGW das verfügbare Wissen zusammengetragen und analysiert. Dadurch konnten sie erstmals für Deutschland das mögliche Potenzial berechnen.

Regionale Gewinnung als ökologische Ergänzung

Wie viel Lithium gewonnen werden kann, ist dabei nicht nur von der jeweiligen Lithiumkonzentration im Wasser abhängig. Eine bedeutende Rolle spiele auch die standortabhängige Fließrate und die Reservoirgröße – also wie viel Lithium überhaupt im Boden ist. Für ihre Schätzung haben die Forscher potenzielle Standorte in Deutschland betrachtet, die Rohstoffmärkte analysiert und unterschiedliche Technologien hinsichtlich ihrer Effizienz, Anwendbarkeit und Integrationsfähigkeit für die geothermische Energieproduktion bewertet.

„Auf dieser Basis halten wir bei einer optimistischen Abschätzung eine jährliche Produktion von ungefähr 2.600 bis 4.700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden“, sagt Dr. Fabian Nitschke vom AGW. „Damit könnten wir etwa 2 bis 13 Prozent des Jahresbedarfs der geplanten Batteriefertigung in Deutschland decken.“

Durch den Zubau weiterer Geothermiekraftwerke sei eine Steigerung der Fördermengen denkbar. Es dauere allerdings mindestens fünf Jahre, bis ein neu geplantes Kraftwerk in Betrieb geht. „Angesichts des globalen prognostizierten Lithiumdefizits und der geplanten Batteriefertigung wird sich die Lage speziell für Deutschland rasch zuspitzen. Das Lithium aus der Geothermie kann mittelfristig also nur eine Ergänzung darstellen“, so Nitschke.

Karte mit deutschen Geothermiestandorte und dem Vorkommen von Lithium

Geothermiestandorte mit Lithiumgehalten und Fließraten sowie die geplante Batteriezellfertigungen in Deutschland. Foto: Goldberg et al. (2022b), CC BY 4.0

Unterschiedliche Technologien im direkten Vergleich

Noch sind die Prognosen von vielen Unsicherheiten geprägt: Die Größe und die Herkunft der Lithiumvorkommen in den Geothermalsystemen sowie die Reaktion der Reservoire auf eine kontinuierliche Förderung werden zurzeit erforscht. Zudem befinden sich die Technologien zur Extraktion in einem frühen bis mittleren Entwicklungsstadium – entscheidende Entwicklungsstufen sowie Langzeittests stehen noch aus.

„Im direkten Vergleich zeigten sich allerdings bereits spezifische Vor- und Nachteile, die für eine wirtschaftliche Lithiumextraktion besonders relevant sind“, sagt Dr. Tobias Kluge vom AGW. „So wirken sich der Bedarf an zusätzlichen Rohstoffen, Schäden durch Ablagerungen an Bohrlöchern, Extraktionseinheiten und der Energieverbrauch direkt auf die Wirtschaftlichkeit aus.“

Ob die Lithiumgewinnung mittels Geothermiekraftwerke in Deutschland letztendlich realisiert wird, hängt aber nicht nur von Technik und Standorten ab. Vielmehr seien auch gesellschaftliche Unterstützung und Akzeptanz notwendig.

Valentin Goldberg betont: „Unsere Veröffentlichungen im Magazin „Grundwasser“ richten sich deshalb nicht nur an ein Fachpublikum. Vielmehr wollen wir Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, aber auch allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben, sich direkt und unabhängig über Chancen und Herausforderungen zu informieren.“ Zudem biete die Arbeit nun eine Basis für zukünftige Forschung und Entwicklung zu diesem Thema.

Die Forscher veröffentlichten zwei Studien in „Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie“ zu den Schwerpunkten „Literaturvergleich bestehender Extraktionstechnologien“ [1] und „Potenziale und Produktionsszenarien in Deutschland“ [2].

Quellen:

[1] Goldberg et al. (2022a); doi.org/10.1007/s00767-022-00522-5

[2] Goldberg et al. (2022b); doi.org/10.1007/s00767-022-00523-4

(Mit Material des KIT)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 69, vom 5. November 2022.



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