Genveränderte Seide mehr als 6-mal stärker als Kevlar

So gruselig wie Spinnen für manche sind, so faszinierend ist ihre Seide für Wissenschaft und Technik. Die erstmalige Produktion von Spinnenseide durch genmanipulierte Seidenraupen eröffnet weitere Einsatzgebiete und einen Milliardenmarkt.
Seidenraupen lassen sich gentechnisch so verändern, dass ihre Seide der technisch überlegenen Spinnenseide ähnelt.
Seidenraupen lassen sich gentechnisch so verändern, dass ihre Seide der technisch überlegenen Spinnenseide ähnelt.Foto: iStock
Von 6. Oktober 2023

Spinnweben sind federleicht und doch äußerst reißfest. In der Tat übertrifft ihre Haltbarkeit die jedes anderen bekannten natürlichen oder synthetischen Produkts, einschließlich Stahl. Gleichzeitig ist Seide jedoch ein Naturprodukt und daher nicht in beliebiger Menge herstellbar.

Chinesischen Forschern ist es nun gelungen, Seidenspinnerraupen gentechnisch derart zu verändern, dass sie ebenfalls Spinnenseide herstellen. Die daraus gewonnenen Fasern waren sechsmal widerstandsfähiger als das in kugelsicheren Westen verwendete Kevlar.

Natürliche Anti-Aging-Kur für Seide

Wissenschaftler haben Spinnenseide bereits seit Langem als verlockende, nachhaltige Alternative zu synthetischen Fasern ins Auge gefasst. Sie ist Kunstfasern in ihren technischen Eigenschaften überlegen. Zudem setzt sie weder schädliches Mikroplastik frei, noch muss sie aus fossilen Brennstoffen hergestellt werden. Allerdings gestaltete sich die Suche nach Alternativen in der Natur als nicht unproblematisch.

Spinnen überziehen ihre Fäden mit einer Art Oberflächenbeschichtung aus Glykoproteinen und Lipiden. Diese hilft der Seide, Feuchtigkeit und Sonneneinstrahlung zu widerstehen – eine Anti-Aging-„Hautschicht“, die Spinnen auf ihre Netze auftragen. Dies nachzustellen, war lange Zeit praktisch unmöglich. Ein Durchbruch gelang jüngst Forschern um Junpeng Mi, Doktorand am College of Biological Science and Medical Engineering der Donghua-Universität (Shanghai, China).

Bisherige Verfahren zum Spinnen von künstlicher Spinnenseide hatten Schwierigkeiten, eine solche Oberflächenschicht auf die Seide aufzubringen, erklärte Mi. Weiter sagte er: Gentechnisch veränderte Raupen des Seidenspinners (Bombyx mori) bieten eine Lösung für dieses Problem, da Seidenraupen ihre eigenen Fasern mit einer ähnlichen Schutzschicht überziehen. Und es gibt einen weiteren Vorteil:

„Seidenraupenseide ist derzeit die einzige tierische Seidenfaser, die in großem Maßstab kommerziell genutzt wird. Für sie gibt es etablierte Aufzuchttechniken“, erklärt Mi. „Der Einsatz gentechnisch veränderter Seidenraupen zur Herstellung von Spinnenseide ermöglicht daher eine kostengünstige Kommerzialisierung auch in großem Maßstab.“

Diese Art von Fasern könne als chirurgisches Nahtmaterial verwendet werden, um den weltweiten Bedarf von über 300 Millionen Eingriffen pro Jahr zu decken. „Die Spinnenseidenfasern könnten auch zur Herstellung komfortablerer Kleidungsstücke und neuartiger kugelsicherer Westen verwendet werden“, so Mi. Und sie könnten in intelligenten Materialien, beim Militär, in der Luft- und Raumfahrttechnik und in der Biomedizintechnik Anwendung finden.

Gigantischer Markt für „abweichende Forschung“

In ihrer am 20. September in der Fachzeitschrift „Matter“ veröffentlichten Studie beschreiben Mi und Kollegen die erstmalige Synthese von Spinnenseidenproteine in voller Länge aus Seidenraupen. Demnach schleusten sie mittels Genschere Gene für das Spinnenseidenprotein in die DNA der Seidenraupen und diese wiederum per Injektionen in Hunderttausende befruchtete Seidenraupeneier ein.

Letzteres sei „eine der größten Herausforderungen“ gewesen, anschließend mussten die Forscher jedoch noch sicherstellen, dass die Seidendrüsen der Raupe die neue „Bauanleitung“ korrekt umsetzten und die Faser richtig spinnen. Dazu entwickelte das Team ein „minimales Grundstrukturmodell“ der Seidenraupenseide, eine Art Rezept mit den Mindestanforderungen an die Zusammensetzung der Seide.

„Dieses Konzept […] stellt eine bedeutende Abweichung von der bisherigen Forschung dar“, so Mi. „Wir sind zuversichtlich, dass eine groß angelegte Kommerzialisierung kurz bevorsteht. Die Einführung von über hundert künstlichen Aminosäuren birgt ein grenzenloses Potenzial für künstliche Spinnenseidenfasern“ – ein durchaus lohnendes Geschäft. Die im Jahr 2021 erzeugten 86.311 Tonnen Seide bescherten der Branche einen Umsatz von fast 10 Milliarden US-Dollar. Bis 2028 wird mit einem jährlichen Wachstum von fast zehn Prozent und einem Umsatz von 14,7 Milliarden Dollar gerechnet.

In weiteren Forschungen möchte Mi es zudem schaffen, gentechnisch veränderte Seidenraupen zu entwickeln, die Spinnenseidenfasern sowohl aus natürlichen als auch aus synthetischen Materialien produzieren. Der Markt für die Herstellung von Kunstfasern und Filamenten umfasste 2022 allein in den USA weitere vier Milliarden US-Dollar.



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