Antarktissaison beendet: Polarstern in Bremerhaven eingetroffen

Das Forschungsschiff Polarstern ist nach einem halben Jahr auf der Südhalbkugel in seinen Heimathafen Bremerhaven zurückgekehrt. Nach einer vom Meereis geprägten Saison wird der Eisbrecher jetzt in der Werft darauf vorbereitet, ab September die größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten durchzuführen.
Titelbild
Das Forschungsschiff Polarstern.Foto: Nina-Marie Lesic
Epoch Times29. Juni 2019

Meterdickes Meereis soweit das Auge reicht: Als das Forschungsschiff Polarstern auf dem zentralen Fahrtabschnitt der Saison im März des Jahres Kurs auf das Larsen C Schelfeis im antarktischen Weddellmeer nehmen wollte, war kein Durchkommen möglich.

Statt den Meeresboden und seine Bewohner unter dem abgebrochenen Rieseneisberg A68 genau zu untersuchen, mussten die Wissenschaftler ein alternatives Forschungsprogramm auf die Beine stellen.

Meereis genauso dick, wie vor 13 Jahren

Glück im Unglück für die Meereisforscher des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

„Wir hatten erstmals seit 13 Jahren wieder die Gelegenheit, die Eisdicke im nordwestlichen Weddellmeer zu bestimmen und die Beschaffenheit von Eis und aufliegendem Schnee und der davon abhängigen Mikroorganismen im Eis genau zu untersuchen“, berichtet Prof. Christian Haas.

Polarstern in der Ferne, aufgenommen bei einer Eisstation der Meereisgruppe auf der Expedition PS118 ins westliche Weddellmeer, Antarktis. Foto: Erika Allhusen

Keine Überraschung für den Meeresforscher

„Das Meereis hatte eine Dicke von durchschnittlich drei bis vier Metern und hat sich damit seit unserer letzten Polarstern-Expedition im Jahr 2006 nicht verändert“, so der AWI-Geophysiker weiter.

Überrascht sei er von diesem Ergebnis nicht gewesen: „Auch die Meereisausdehnung hat sich in vielen Teilen des gesamten Südozeans über Jahrzehnte kaum verändert, obwohl es regionale Unterschiede und kurzzeitige Schwankungen gibt. Mehr Informationen dazu werden regelmäßig im Meereisportal des AWI präsentiert.“

Das Meereis-Team der Polarstern-Expediton PS118 in das westlichen Weddellmeer, Antarktis. Foto: Erika Allhusen

Der AWI-Meereisforscher hatte bereits im Vorfeld Satellitenaufnahmen studiert. Ob diese Fernerkundungsdaten die Beschaffenheit und Dicke des Meereises korrekt abbilden, ist eine der Fragestellungen, die Christian Haas mit seinem Team bearbeitet hat. So unternahmen die Forscher Messflüge mit dem Bordhelikopter, der einen elektromagnetischen Eisdickensensor, den sogenannten EM-Bird, über das Eis schleppt.

Einen weiteren elektromagnetischen Sensor auf einem Schlitten zogen die Forscher zu Fuß über das Eis. Auf den Eisschollen erbohrten sie auch Eiskerne, um die biophysikalischen Eigenschaften und die im Eis enthaltene Biomasse zu bestimmen. All diese Daten gehen in die Verbesserung der Satellitenprodukte ein, denn je genauer man die Verhältnisse vor Ort kennt, desto besser lassen sich die zugehörigen Satellitendaten später kalibrieren und interpretieren.

Meereiskern, erbohrt auf der Polarstern Expedition PS118 ins westliche Weddellmeer, Antarktis. Foto: Erika Allhusen

Mit Tiefseeroboter auf den Meeresgrund geschaut

Flexibler mussten die internationalen Forschungsteams aus Biologen und Geologen sein, die ursprünglich Bodenbeschaffenheit und Artenvielfalt vor dem Larsen C Schelfeis untersuchen wollten. Anstatt die Besiedlung unter dem riesigen abgebrochenen Eisberg zu analysieren, entschlossen sie sich, die Auswirkungen der Meereisbedeckung auf Sedimente und die Lebenswelt am Meeresboden zu erforschen.

Dichtes, dickes Eis verhindert nämlich Algenwachstum und Primärproduktion im Ozean und führt somit zu einer wüstenartigen Verödung des Meeresbodens. Entlang eines Gradienten vom dichten Meereis über lockere Eisbedeckung bis ins offene Wasser fischten sie mit Netzen in der Wassersäule, nahmen Proben vom Meeresgrund und setzten einen Tiefseeroboter ein, der die Lebewesen am Boden fotografierte und filmte.

Ihre so gewonnenen Proben und Daten werten sie jetzt in den Heimatinstituten aus. So konnten sie – auch ohne den Blick unter das ehemalige Larsen C-Schelfeis – wichtige Daten zu den weitgehend unbekannten ökologischen Verhältnisse im Weddellmeer sammeln.

Aktuelle Luftaufnahme des Eisbergs A68. Meereisphysiker des Alfred-Wegener-Instituts sind im Rahmen eines Messflugs zur Meereisdicke mit einem Bordhelikopter am Eisberg vorbeigeflogen. Das Forschungsschiff Polarstern selbst konnte wegen der Meereisbedingungen das Schelfeis nicht erreichen. Foto: Stefanie Arndt

Überblick der Antarktissaison 2018/19 der Polarstern

· Start in Bremerhaven am 10. November 2018 – Überfahrt mit Ausbildung für Studierende der Polmar-Graduiertenschule; Ankunft in Kapstadt, Südafrika, am 11. Dezember 2018 (PS116)

· Start in Kapstadt am 15. Dezember 2018 – Ozeanographische Langzeituntersuchungen im Weddellmeer und Versorgung Neumayer-Station III; Ankunft in Punta Arenas, Chile, am 7. Februar 2019 (PS117)

· Start in Punta Arenas am 18. Februar 2019 – Larsen C Schelfeisgebiet mit Meereisphysik, Biologie, Ozeanographie, Geologie, Bathymetrie, Ankunft in Punta Arenas am 10. April 2019 (PS118)

· Start in Punta Arenas am 15. April 2019 – geowissenschaftliche Arbeiten im Scotia-Meer; Ankunft Port Stanley (Südshetlandinseln) 31. Mai 2019 (PS119)

· Start in Port Stanley am 2. Juni 2019: South North Atlantic Transit SoNoAT Ausbildung und Netzwerkbildung wissenschaftlicher Nachwuchs; planmäßige Ankunft in Bremerhaven 29. Juni 2019 (PS120). Tatsächlich erreichte sie bereits gestern Abend den Heimathafen.

Die POGO-Stipendiaten 2018/19 bei einem Erste-Hilfe-Training.

Ausblick auf kommende Expeditionen der Polarstern

Die Polarstern liegt bis Mitte August 2019 in der Bremerhavener Lloyd Werft. Dort finden einerseits routinemäßige Wartungs- und Reparaturarbeiten statt. Andererseits werden Schutzmaßnahmen für die anstehende Überwinterung in der Arktis ergriffen, wie zum Beispiel der Einbau einer neuen Tankheizung.

Mitte August startet die Polarstern dann für eine biologisch-ozeanographische Expedition zum Langzeit-Observatorium AWI Hausgarten in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen.

Das Forschungsschiff Polarstern des Alfred-Wegener-Instituts beim Aufbruch aus dem Heimathafen Bremerhaven im November 2018. Foto: Folke Mehrtens

Mitte September wird das Schiff im norwegischen Tromsø dann für die größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten ausgerüstet: MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate). Am 20. September 2019 wird der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern vom norwegischen Tromsø in die Arktis aufbrechen und ein Jahr lang fest eingefroren im arktischen Eis durch das Nordpolarmeer driften.

Versorgt von weiteren Eisbrechern und Flugzeugen werden insgesamt 600 Menschen aus 17 Ländern an der Expedition teilnehmen. Ein Vielfaches an Wissenschaftlern wird mit den Daten arbeiten, um die Klima- und Ökosystemforschung auf ein neues Niveau zu heben. Erst im Oktober 2020 wird die Polarstern dann wieder in ihrem Heimathafen Bremerhaven zurückerwartet. (ts)

Die Polarstern 2010 im Eismeer der Arktis. Foto: AWI



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