EBS-Kraftwerke – Bremsen Ersatzbrennstoffe die Energiepreis-Explosion?
Kassel – Hohe Rohölpreise wirken wie eine ansteckende Krankheit. Erdgas und Strom werden ebenfalls teurer. Zur Dämpfung der Preisspirale können Ersatzbrennstoffe (EBS) beitragen, die aus Hausmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall erzeugt werden, gemeinhin Siedlungsabfall genannt. In herkömmlichen Kraftwerken und Zementfabriken ersetzen die EBS bereits Anteile von Kohle, Erdgas und Heizöl. Im Trend liegen derzeit kleine und mittelgroße EBS-Kraftwerke für Industriebetriebe, die sich von der Preisspirale abkoppeln wollen.
Ersatzbrennstoffe zu erzeugen und abzunehmen ist jedoch mit Risiken behaftet. Auf dem Fachkongress „Kasseler Abfallforum“ präsentierte die Prognos AG ein kontroverses Szenario: Danach werden die Hausmüllmengen in Deutschland bis 2022 leicht und Gewerbeabfälle etwas stärker abnehmen. Zur Zeit herrscht noch ein Überangebot an Abfall, es fehlen 2,1 Millionen Tonnen an Behandlungskapazität in Müllverbrennungsanlagen (MVA) und mechanisch-biologischen Anlagen (MBA). Letztere sind ein wesentlicher Lieferant von EBS, indem sie aus feuchtem Hausmüll eine trockene, heizwertreiche Fraktion erzeugen. Einfacher geht das in Sortieranlagen für Gewerbemüll, der zumeist schon vorher trocken ist. 2006 könnten so in Deutschland 6,7 Millionen Tonnen Ersatzbrennstoffe hergestellt werden. Dem steht jedoch nur eine Aufnahmekapazität der Industrie von zwei Millionen Tonnen gegenüber. Prognos geht davon aus, dass Angebot und Nachfrage von EBS erst im Jahr 2012 ausgeglichen sein werden.
Da deutsche Kraft- und Zementwerke je nach Qualität teils hohe Zuzahlungen von bis zu 100 Euro pro Tonne für die Abnahme von EBS verlangen, gehen diese den Weg der geringsten Kosten. Teilmengen gelangen schon in Zementwerke in Belgien, Frankreich, Polen und in der Schweiz. Aus dem Export von EBS ergibt sich eine Unsicherheit für den deutschen Markt. Prognos hält es für möglich, dass die speziellen EBS-Kraftwerke schon 2015 mehr Ersatzbrennstoffe aufnehmen können, als der Markt anbietet. Bis dahin werde es in Deutschland jedoch zunächst große Zwischenlager für Abfall und EBS geben, mit einer Höchstmenge von etwa 12,5 Millionen t im Jahr 2008. Der Markt gleicht einer Achterbahnfahrt. Bislang war die kapitalintensive Einrichtung von Kapazitäten zur Erzeugung und Verwertung der EBS eher verhalten. Die Angst vor Fehlinvestitionen ging um, sowie die Befürchtung, dass der Rohstoff Abfall auf Billigwegen nach Osteuropa abwandert. Hohe Preise für fossile Brennstoffe sorgen dennoch für ein Umdenken.
Steinkohle kostet heute etwa 70 Euro pro Tonne frei Kraftwerk, während pro Tonne EBS bei langfristigen Verträgen rund 60 Euro Tonne bezahlt werden. Steinkohle ist in etwa doppelt so energiereich wie EBS. Nach Berechungen des Ingenieurbüros u&i in Hannover lassen sich in einem mittelgroßen Industriekraftwerk die Stromerzeugungskosten mit Ersatzbrennstoffen halbieren. In der Vergangenheit waren hauptsächlich Zementfabriken Großabnehmer von EBS, unter anderem weil ihre Drehrohröfen weniger störanfällig für Ascheverkrustungen sind als Rost- und Wirbelschichtfeuerungen von Kraftwerken. Nun wagen sich auch andere Branchen mit ausgeklügelter Technik an den Brennstoff heran, der Geld mitbringt. An mehreren Industriestandorten werden für die Strom- und Wärmeversorgung reine EBS-Kraftwerke gebaut, so für das Reifenwerk von Continental in Korbach, die SCA-Papierfabrik in Witzenhausen, beide in Hessen, für die Kupferhütte Norddeutsche Affinerie in Hamburg, für den Kartoffelveredler Pfanni in Stavenhagen, Mecklenburg-Vorpommern, und am ehemaligen Braunkohlekraftwerk im brandenburgischen Großräsche. Bestehende EBS-Kraftwerke gibt es außerdem in Neumünster und Minden. Gute Zukunftschancen werden von Professor Klaus Wiemer, Veranstalter des Kasseler Abfallforums, den bivalenten Kohle-EBS-Kraftwerken eingeräumt: Sie können flexibel beide Brennstoffe aufnehmen und so auf Marktschwankungen besser reagieren.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion