Die 12 Tugenden eines guten Lehrers
Bruder Agathon hat 1785 ein Manuskript verfasst, in dem er die Qualität und Charakteristika eines guten Lehrers aufzählt, wobei es dem Ordensbruder nicht darum ging, eine Auflistung theoretischer Abhandlungen zu verfassen, sondern ein Konzept auszuarbeiten, welches in der Praxis gelebt werden konnte. Letztendlich gebe der Erfolg und Eifer der Schüler die Qualität des Unterrichts wider.
Ein Verbindungsglied zwischen all den folgenden Tugenden sei die Weisheit und Klugheit, so Bruder Agathon. Erst danach kämen die anderen Charakteristika. Doch am Ende stehe die Milde, sie würde jede Tugend vollenden können und sei die Widerspiegelung der jedem Lehrer innewohnenden Liebe und Güte.
1. Ernsthaftigkeit
Ernsthaftigkeit ist eine Tugend, die das Äußere eines Lehrers ordnet, nach den Regeln der Bescheidenheit, der Höflichkeit und eines ordentlichen Zustandes”, heißt es in Agathons Schriftwerk.
Ein guter Lehrer zeige ein würdevolles Verhalten, dass gezeichnet sei durch Zurückhaltung, Anstand und Heiterkeit aber auch Strenge. Darüber hinaus pflege er ein ruhiges Auftreten wodurch er von den Schülern respektiert und als Vorbild angenommen werden könne, heißt es dort weiter. Allerdings seien tunlichst Strenge im Ton, Grobheit und sarkastische Bemerkungen zu vermeiden.
Sein Hauptziel sei, so heißt es weiter, das Vertrauen der Schüler zu gewinnen, um ihre Tugenden kennenzulernen, zu pflegen und zu entwickeln und um ihre Untugenden und Fehler zu erkennen und wenn auch nicht alle, so doch zumindest so viele wie möglich zu korrigieren.
2. Schweigsamkeit
Wenn du überzeugen willst, wirst du eher durch eine herzliche Stimmung, als mit gelehrten Aussagen Erfolg haben.” – St. Bernhard
Zur Schweigsamkeit führt Agathon auf, dass sie dazu anleite, nicht zu sprechen, wenn man nicht sprechen soll, und zu sprechen, wenn man nicht schweigen soll. Folglich würde diese Tugend zwei Funktionen umfassen. Sie lehre sowohl die Kunst still zu sein, als auch diese, im richtigen Moment zu sprechen, so der Ordensbruder.
Die Atmosphäre im Klassenzimmer spiegelt eben diese beiden Fehlverhalten zwischen Verschlossenheit und Redseligkeit wider. Harmonie und Ruhe fördern die Aufnahmefähigkeit der Schüler.“
3. Demut
Hochmut erniedrigt den Menschen, doch der Demütige kommt zu Ehren.” (Spr. 29, 23)
Entsprechend dem Manusskript würde Demut von Bescheidenheit geleitet und sei das Gegenteil von Hochmut, welcher daraus rühre, die eigenen Fähigkeiten aufzublähen. „Ein Lehrer voller Geltungssucht, der nach Lob trachtet, handelt gegen das Prinzip der Demut“, so Agathon.
Ein guter Lehrer sei bescheiden, er kenne seine eigenen Schwächen und könne auch die der anderen mit ruhigen Herzen annehmen. Demut sei ohne Ehrgeiz und persönliches Streben und beseitigt Eifersucht. Wer es ihm gleichtue oder sogar übertreffe, verdiene Anerkennung ohne Groll, so der Geistliche.
4. Klugheit
Sogar jene Menschen, deren reifes Alter sie mit Erfahrungen beschenkt hat, müssen bereit sein, mehr zu lernen, wenn sie klug sein wollen“, heißt es in Agathons Manuskript.
Schlaue Lehrer würden ihre Schüler mit viel Wissen überschütten, doch kluge Lehrer würden die Temperamente und Charakter ihrer Schüler kennen und den Unterricht entsprechend gestalten. Die wichtigsten Bestandteile von Klugheit würden daraus bestehen, sorgfältig zu überlegen, richtig zu urteilen und alles korrekt einzuordnen, führt der katholische Ordensmann an.
„Ein kluger Lehrer kann seine Prinzipien durch klare und aufrichtige Argumente untermauern. Fehlt es an Klugheit im Unterricht können Langeweile, Interessenlosigkeit, Spott oder Verachtung die Folge sein“, heißt es dazu.
5. göttliche Weisheit
Durch göttliche Weisheit kann Recht und Unrecht in seinem Ursprünglichen klar unterschieden werden“, heißt es in dem alten Schriftwerk.
Und weiter: Weisheit würde ihrerseits der Klugheit entspringen, orientiere sich aber nicht am menschlichen Verstand, sondern an höher gestellten Werten, welche dem Glauben entspringen würden. Darüber hinaus würden beide Tugenden unabhängig voneinander existieren und wären nicht zwangsweise bei allen Aufgaben gleich präsent, führt Agathon auf.
„Ein weiser Lehrer kennt die unendliche Kostbarkeit seines Werkes, liebt sie und erfüllt sie, sodass er stets bemüht ist, sich selbst zu verbessern. Die Weisheit lässt einen Lehrer die Prinzipien seiner Fächer zu erkennen, andernfalls verkünde er nur Formeln und Namen, die seine Schüler rasch vergessen“, erklärt der christliche Lehrer.
6. Geduld
Geduld vollendet das Werk” – Jakobus 1, 4
Zur Geduld erklärt Agathon, dass ein guter Erzieher stets einen kühlen Kopf bewahre, er würde die Sanftmut im Klassenzimmer leben. Geduld lindere Unannehmlichkeiten, indem durch diese Tugend das eigene Herz vor Enttäuschungen bewahrt würde. Dadurch sei es einem Lehrer möglich, „über den Dingen zu stehen“, und sich der Launen, Späße und schlechten Manieren seiner Schüler oder ihren Eltern nicht allzu sehr anzunehmen.
Geduld hielte zudem die Fähigkeiten der Seele innerhalb ihrer gebührenden Grenzen, die sie nicht überschreiten sollten. So verhindere sie jeglichen Ausbruch bei kritischen Gelegenheiten, erklärt Agathon. Sie würde Pläne reifen lassen und mache ihre Ausführung leichter, wohingegen Übereilung oft wohlüberlegte Pläne wertlos machen würde.
„Lehren, ermahnen, Einwände machen und Schüler korrigieren beginnen früher oder später Wurzeln zu schlagen und die Prinzipien der Ehrenhaftigkeit und Rechtschaffenheit senken sich unmerklich in die Herzen der Kinder“, heißt es weiter.
7. Zurückhaltung
Die Zurückhaltung lehrt uns, unser ganzes Verhalten zu regeln, sodass der Schüler nichts bemerkt, was nicht nachahmenswert oder erbaulich in uns wäre”, führt der katholische Ordensmann aus.
So wie die Ernsthaftigkeit das Äußere beeinflusse, würde die Zurückhaltung das Innere reifen lassen. Sie ließe die Selbstbeherrschung reifen, sodass Schüler gelehrt werden könnten, vernünftig über Themen nachzudenken ohne der Emotionalität zu verfallen. Das Vorleben dieser Tugend bringe dem Lehrer ehrlichen Respekt der Schüler ein, erklärt Agathon.
So würden ein Wort, eine Geste oder ein Zwinkern, die zunächst unbedeutend erscheinen würden, die Imagination aktiv werden lassen und zu einer fruchtbaren Quelle von Träumereien, von unberechtigten Folgerungen und von manchmal gefährlichen, moralischen Entscheidungen für die Zukunft werden.
8. Milde, Sanftmut
Sanftmut ist die Blume der Nächstenliebe.” – Franz von Sales, Bischof von Genf
Zur Sanftmut erklärt der Ordensbruder: Ein sanftmütiger Lehrer lebe Beständigkeit, Höflichkeit und Anstand. Er erziehe seine Schüler zu Herr, Geist und Urteil. Dabei solle er die Fehler seiner Schüler nicht übersehen, aber er solle sanft und sorgfältig reagieren und darauf hinweisen. Wenn er tadele, solle er weder bitter noch aggressiv sein, oder sogar beleidigend so Agathon.
Im Allgemeinen könnte dabei zwischen vier Arten der Sanftmut unterschieden werden, heißt es im Manuskript weiter. Die Sanftmut des Geistes bestünde darin, ohne Strenge und Leidenschaft zu urteilen. Die Sanftmut des Herzens ließe einen wünschen, ohne hartnäckig zu sein. Die Sanftmut des Verhaltens würde nach guten Prinzipien handeln, „ohne andere umformen zu wollen“ und die Sanftmut der Führung helfe, schließlich rechtschaffen zu handeln.
9. Eifer
Ein Lehrer wird sein gesetztes Ziel auf dem längsten Weg erreichen, wenn er sich nur aufs Reden beschränkt. Der kürzeste Weg ist der des Beispiels”, so Agathon.
So sei die Aufgabe eines Lehrers, Perfektion zu erreichen, „um den Geist seiner Berufung zu bewahren und nicht der Zerstreuung seines Verstandes oder dem Austrocknen seines Herzens zu unterliegen“, welches das Studium profaner Schriften mit sich bringen würde.
Zudem heißt es in Agathons Manuskript, dass ein eifriger Lehrer stets danach strebe, die Regeln zu beachten, um als gutes Beispiel voranzugehen.
„Obgleich es mehr oder weniger wichtig ist, leicht oder schwer, Gehorsam verlangt oder empfiehlt, wird er es stets mit Freude tun und solange bleiben, wie es die Pflicht verlangt“, so der Geistliche.
10. Wachsamkeit
Die Wachsamkeit eines Lehrers umfasst alles. Sie dirigiert, erhält und inspiriert alles Mögliche”, so Agathon.
Nach seinen Worten müsse ein Lehrer wachsam sein, über die Gedanken seines Geistes, die Regungen seines Herzens und den Gebrauch seiner Sinne. Er müsse wachsam über seine ganze Person sein, damit er nichts Schlechtes tue, was der Ausübung seines Berufs im Wege stünde.
Auf der anderen Seite müsse ein Lehrer stets über seine Schüler wachen. Sobald er – sei es durch Abwesenheit oder Unachtsamkeit – seine Schüler im Stich ließe, böte er dem Bösen ein Einfallstor, die Unschuld seiner Schüler zu rauben. „Denn es ist in der Tat besser Böses zu vermeiden, als Böses zu bestrafen, wenn es einmal begangen wurde“, führt Agathon auf.
Darüber hinaus erklärt er: Einem guten Lehrer würde nichts entgehen, was seine Schüler tun oder ihnen schaden könne. Er sollte nichts unternehmen, was seine Aufsichtspflicht schwächen könnte, auch wenn das hieße, das er einem Vortrag, dem seine Schüler lauschen würden, selbst keine Aufmerksamkeit schenken könne.
11. Frömmigkeit
Die Frömmigkeit ist eine Tugend, die uns hilft, unsere Pflichten gegenüber Gott gegenüber würdig zu erfüllen. Die unendliche Majestät Gottes und seine große Güte erfordern, dass wir ihm die höchst ehrfürchtigste Verehrung zukommen lassen”, so Agathon.
Aus diesem Grund müsse ein Lehrer seinen Schülern zu verstehen geben, was die moralischen Tugenden sind: Glaube, Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit, Güte, Ehrlichkeit, Weisheit, Stärke, Enthaltsamkeit, Mäßigkeit, Bescheidenheit im Sprechen und all ihrem Tun, Respekt und viele andere.
Ein Lehrer solle darüber hinaus seine Schüler nicht nur mit einer soliden Frömmigkeit ausstatten, sondern sie auch in den Gründen dieser Verehrung unterweisen, und die belohnen, die es sich zu Herzen nehmen würden. Dadurch würde der Lehrer in ihnen die Eigenschaften formen, die einen guten Menschen, einen guten Staatsbürger, Familienvater, Magistraten, Soldaten, Geschäftsmann, … ausmachen würden.
12. Großzügigkeit
Ein Lehrer bringt ein sehr großes Opfer, eines, das vollkommen frei ist: Er wird Erzieher der Kinder seines armen Nachbarn”, schrieb Agathon in seinem Manuskript.
Er erklärt weiter: Großmut würde freiwillig ausgeübt werden und sein Ziel sei etwas von besonderer Wichtigkeit. Im Allgemeinen sei einer nicht großmütig, außer er würde seine Rechte zugunsten eines anderen aufgeben, und ihm mehr geben, als er verlangen könne. Aus diesem Grund könne man Großmut als höchste Empfindung ansehen, „als das Motiv aller großen Taten und vielleicht als Wurzel jeder anderen Tugend“.
Obwohl ein Lehrer Vorteile einer beinah unendlichen Wichtigkeit auf seinen Nachbarn übertrage, sei er weit davon entfernt, weltlichen Profit daraus zu schlagen. Er widme nicht nur einen Augenblick, sondern sein ganzes Leben einer Karriere, die höchst ehrenhaft in sich selbst, aber sehr arbeitsreich und mühsam sei.
„Trotzdem beachtet er seinen Beruf als das einzige Ziel: Das Ziel, seine Schüler zu Menschen zu formen, die fähig sind, sich selbst durch einen klaren Verstand zu wichtigen Bürgern zu machen.“ (ts)
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