Corona im Abwasser: Nachweis und Früherkennung nach einem Jahr Forschung noch zu ungenau
Wie streng die Corona-Beschränkungen in einer Region in Deutschland sind, hängt vom Infektionsgeschehen ab. Die Lage beurteilen die Behörden unter anderem anhand der Zahl positiver Corona-Tests. Dabei gäbe es eine weitere Methode, die durchaus Vorteile bietet: Im Abwasser.
Dass es möglich ist, SARS-CoV-2 im Abwasser nachzuweisen, belegen unter anderem Forschungsergebnisse aus den Niederlanden. [Epoch Times berichtete.] Auch deutscher Forscher beschäftigen sich mit dem Nachweis. Sie kommen zu dem Schluss: Abwasser-Analysen können einen guten Überblick geben, wie stark der Erreger in der Bevölkerung verbreitet ist. Für eine flächendeckende Überwachung sei das System bislang jedoch noch nicht ausgereift genug.
„Unabhängig von der Bereitschaft, sich testen zu lassen“
Zwar befällt das Coronavirus in der Hauptsache die Atemwege, doch Partikel des Erregers lassen sich auch im Stuhl nachweisen. Geht es nach der EU und der Bundesregierung soll die Untersuchung des Abwassers deshalb zu einem wichtigen Instrument in der Früherkennung und Lokalisierung des Infektionsgeschehens werden.
Außerdem seien diese Erhebungen im Gegensatz zu den Testergebnissen weitestgehend vom Wochen- und Feiertagsrhythmus unabhängig. Dadurch könnten sie die Dynamik des Infektionsgeschehens mit etwa zehn Tagen Vorlauf vor den klinischen Fallzahlen abschätzen.
Das hätte nach Ansicht des Bundesforschungsministeriums einige entscheidende Vorteile gegenüber der herkömmlichen Beurteilung der Lage via Tests. Es könnte die Gesamtbevölkerung einschließlich asymptomatisch Infizierter erfasst werden. „Und zwar unabhängig von der Bereitschaft, sich testen zu lassen, oder den vorhandenen Testkapazitäten“, erklärte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Solche Abwasser-Analysen leuchteten somit das Dunkelfeld der Infektionen aus.
Absolute Messwerte bislang nicht vergleichbar
Die EU macht Druck auf die Nationalstaaten. In einer Empfehlung der Kommission vom März heißt es: „Die Mitgliedstaaten werden nachdrücklich aufgefordert, so bald wie möglich, spätestens jedoch bis zum 1. Oktober 2021 ein nationales Abwasserüberwachungssystem“ zur Corona-Früherkennung einzurichten. Die Überwachung sei eine kostengünstige, schnelle und zuverlässige Informationsquelle über die Ausbreitung des Virus. Die EU-Empfehlung ist rechtlich nicht bindend.
In Deutschland arbeiten mehrere Forschungseinrichtungen an dem Thema, an Dutzenden Kläranlagen werden Proben genommen. Doch bislang lässt sich mit der Methode die hiesige Corona-Lage Forschern zufolge nur unzureichend beurteilen. „Einzelmessungen fluktuieren derzeit noch zu stark, um tatsächlich eine Grundlage für politische Entscheidungen darzustellen“, erklärt eine Sprecherin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, deren Forscher maßgeblich an der Untersuchungsmethode arbeiten. Es seien daher methodische Verbesserungen nötig. Derzeit ließen sich lediglich Trends im Infektionsgeschehen abbilden.
Zudem lassen absolute Messwerte der Abwasseruntersuchungen bislang keine Vergleiche zwischen verschiedenen Standorten zu, wie die UFZ-Sprecherin erklärt. Denn die Probe-, Mess- und Analyseverfahren seien bislang nicht standardisiert. Ein einheitlicher Standard befinde sich noch in der Entwicklung und soll in Zukunft durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) erarbeitet werden.
„Wir kriegen im Abwasser alles, aber genau bestimmen, das ist schwierig.“
Dass sich die Abwasseruntersuchungen zur Coronafrüherkennung grundsätzlich eignen, habe man anhand mehrerer Beispiele schon beobachten können, teilt die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) auf Anfrage mit. Mit solchen Untersuchungen habe man beispielsweise in Berchtesgaden (Bayern) regionale Ausbrüche lokalisieren und entsprechende Schritte einleiten können. Im Abwasser eines Schweizer Skigebiets wiesen Forscher die britische Mutante nach, bevor das Bundesamt für Gesundheit entsprechende Fälle bestätigen konnte.
Dennoch dürfte die Methode keine Wunderwaffe sein. Abwasser-Analysen als Früh- und Entwarnungssystem müssten ergänzend zur Teststrategie eingesetzt werden, schreibt das Forschungsministerium.
Die konkrete Zahl der Infizierten lasse sich bisher nicht aus den Proben ableiten, sagt Swetlana Rot, die am Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt die Proben aus vier Standorten in dem Bundesland untersucht. Ebenso sei die Mutantenbestimmung noch nicht ausgereift. „Wir kriegen im Wasser alles – die ganzen RNA-Schnipsel. Wir können schnell bestimmen, ob das Covid-19 ist. Aber genau zu bestimmen, welche Mutante das ist, das ist schwierig.“ (dpa/ts)
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