Umfragehörigkeit verzerrte Berichterstattung der Bundestagswahl 2005

Stimmungen auf das Niveau von Sporttabellen und Ergebnistafeln abgesenkt

Auf den Tag genau vor einem Jahr wählten die Deutschen einen neuen Bundestag. Die Fernsehnachrichten haben die Berichterstattung über den Bundestagswahlkampf 2005 nicht manipuliert, aber sie haben sie stark verzerrt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Studiengang Journalistik der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) unter Leitung des Kommunikationswissenschaftlers Professor Ralf Hohlfeld durchgeführt wurde. Schuld an der Verzerrung sei eine weit verbreitete „Umfragehörigkeit“ unter politischen Journalisten in Deutschland. „Die Nachrichtensendungen haben sich bei der Bundestagswahl vor Jahresfrist nicht auf politische Sachthemen konzentriert, sondern über weite Strecken Meinungsumfragejournalismus betrieben“, sagt Hohlfeld. In der Medienberichterstattung habe es keinen Kanzlerbonus für Gerhard Schröder gegeben; den Oppositionsparteien sei in den Fernsehnachrichtensendungen deutlich mehr Raum zur politischen Darstellung gegeben worden. „Dennoch bestätigte sich der von Schröder am Wahlabend erhobene massive Vorwurf nicht, Fernsehen und Presse hätten planmäßig gegen eine weitere Amtszeit des Kanzlers und die damalige rot-grüne Regierung gearbeitet“, so Hohlfeld.

Auch wenn es keine Medienmanipulation gegeben habe, dürfte die von Ex-Kanzler Schröder angeprangerte Medienmacht einen starken Einfluss auf die Wahlentscheidung gehabt haben. Viele Journalisten seien in Nachrichtensendungen und -magazinen als politische Experten aufgetreten und hätten diese Foren genutzt, um selbst Politik zu machen und um konkrete Wahlempfehlungen auszusprechen. Das regierungskritische Lager habe in der journalistischen Wahlkampfkommentierung ein deutliches Übergewicht gehabt.

Hauptgrund für die verzerrte Berichterstattung sei aber die übergroße Konzentration auf die demoskopische Sonntagsfrage. Die politische Berichterstattung werde immer unpolitischer, weil es im Vorfeld von Wahlen kaum noch um die Vermittlung von Sachpolitik und politischen Programmen gehe, sondern nur noch um den Kampf um Prozentpunkte, das Rennen um die Wählergunst: ZDF-Politbarometer, ARD-deutschlandtrend und RTL-Wahltrend lieferten die Vorlagen für ein immer enger werdendes Zusammenspiel von Medien und Wahlforschung, so dass die abgefragten Wahlabsichten zur eigentlichen Politik geworden seien. „Die Folge ist eine so genannte Horse-Race-Berichterstattung: Politik wird verkürzt auf Zahlen, und politischer Journalismus verkommt zum Wettkampfjournalismus, der komplexe gesellschaftliche Themen, Meinungen und Stimmungen auf das Niveau von Sporttabellen und Ergebnistafeln absenkt“, erklärt Hohlfeld.

Eine Analyse der rund 1000 O-Ton-Statements, die in den vier Wochen vor der Wahl 2005 in den Hauptnachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT.1 veröffentlicht wurden, offenbare, dass sich der Anteil der Parteien-Statements fast punktgenau mit den öffentlich publizierten Wahlumfragen vor der Wahl decke: Rund acht Prozentpunkte Vorsprung für die CDU/CSU gegenüber der SPD. Am Ende wichen sowohl die stark kritisierten Umfragewerte der Meinungsforschungsinstitute als auch die Parteienpräsenz in der Fernsehwahlkampfberichterstattung signifikant vom überraschenden amtlichen Endergebnis 2005 ab. Die Daten legen nahe, dass politische Redakteure die Fernsehberichte nach einer Logik arrangieren, die von aktuellen Meinungsumfragen stark beeinflusst sei. Da diese von den Sendern selbst in Auftrag gegeben würden, entstehe ein Kreislauf journalistischer Selbstkonditionierung, der die Urteilskraft politischer Journalisten lähme.



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