SIMPLEXITÄT – geistige Faltenlosigkeit

Titelbild
März am Starnberger See.Foto: Roland R. Ropers
Von 11. März 2013

 

Die Etymosophie-Kolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.

Wir leben in einer Welt, die zunehmend komplexer und komplizierter geworden ist. Vielfalt statt Einfachheit, Schwierigkeit anstelle von Leichtigkeit. Die Nicht-Leichtigkeit (engl.: disease) führt zu einer Fülle von kaum noch heilbaren Krankheiten. Der Mensch sollte sich während seines Lebens wie auch die Blumen ständig entfalten und wird stattdessen bereits im Kindheitsstadium zusammengefaltet; Komplikation kommt von lat.: plica = die Falte. Eine tragische Entwicklung, die zum Kollaps führen muss. Das Wort simplex oder simpel hat mit lat.: sine plica (ohne Falte) zu tun. Einfachheit ist etwas anderes. Wer einfältig ist, ist uniplex – ein Wort, das es bislang nicht gibt. Konfessionen, die diversen Glaubenssysteme sind komplex und voller Probleme. Religion hingegen ist stets simplex und immer von der Urquelle gespeist.

Heute sind wir in der Lage, für alle Weisheits-Traditionen der Welt offen zu sein, wo wir die Einheit in der Tiefendimension, die alle gemeinsam haben, erfahren. Und dies ist selbstverständlich die mystische Dimension. Wenn die alten Strukturen zusammenbrechen und die traditionellen Formen verschwinden, dann tritt genau in diesem Chaos eine neue Form, eine Struktur, eine neue Seins- und Bewusstseins-Ordnung zum Vorschein.

Vom griechischen Verb: „myein“ (= Augen und Mund schließen) abgeleitet, meint Mystik wie auch Mysterium das „Eingeweihtwerden“ in einen Weg, der die „simplicitas mystica“, die wesenhaft erfahrene Eins-Werdung des menschlichen Selbst mit der Wirklichkeit des Universums, dem Urgrund des Seins zum Ziel hat. Das griechische Substantiv „mystiká“ bedeutet das, was nicht ausgesprochen werden kann. Es geht um die tiefste Ebene von Schauen und Erkenntnis.

Aus dem Sanskrit-Wort „vidya“ (Wissen und Erkenntnis) stammt das lat. Verb „videre“ (sehen). Je unfocussierter das Sehen wird, umso tiefgreifender werden Schauen und Erkenntnis. Die geistige Faltenlosigkeit erzeugt das Gefühl von Glückseligkeit. Dann wird der Mensch von innen heraus ausstrahlungskräftig und kann getrost auf jegliche Anstrahlung von außen verzichten.

 

Im 49. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:

„Der Weise macht sich keine Sorgen um sein eigenes Leben.
Er macht sich die Bedürfnisse der Menschen zu eigen.
Ich bin gut zu denen, die gut sind.
Aber ich bin auch gut zu denen, die nicht gut sind,
denn so vermehre ich die Güte.
Ich vertraue den Menschen,
die vertrauensvoll sind,
und ich vertraue den Menschen,
die nicht vertrauensvoll sind,
denn so vermehre ich das Vertrauen.
Der Weise hält sich zurück
Und ist bescheiden in dieser Welt.
Man sieht ihn, man hört ihn,
und er behandelt alle Menschen wie Kinder.“

 

Roland R. RopersRoland R. RopersFoto: The Epoch Times

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers

 



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