KONSENSITIVITÄT – gemeinsames, subtiles Fühlen

Von 18. März 2013

Die EtymosophieKolumne von Roland R. Ropers erscheint wöchentlich exklusiv in der EPOCH TIMES Deutschland.

Der sensitive, erkenntniserprobte Mensch ist unkontrollierbaren Emotionen (lat.: emovere = herausbewegen) nicht mehr ausgesetzt, weil sich sein Gefühlsleben am Urgrund seines innersten Wesens stabilisiert hat.

Ein großartiger Weg über die Stationen von greifen, begreifen und reifen. Zwischen Emotion und tiefstem Gefühl (Sensitivität) liegt ein gewaltiger Unterschied. Mitgefühl (engl.: compassion) ist nicht zu verwechseln mit emotionalem Mitleiden.

Hast Du das endlich begriffen? Die berühmte Frage aus dem Bereich einer traumatischen Schüler-Lehrer-Beziehung. Mit Be-Griffen wird vieles fassbar, und gefasst sein bedeutet eigentlich: gehalten sein. Aber Haltlosigkeit, Ungehaltensein und Fassungslosigkeit münden oft in Sprachlosigkeit. Begreifen hat ursprünglich eine Gefühlsqualität. Man fasst etwas an. Man umgreift etwas. Der Engländer gebraucht für das Wort begreifen im Sinne von verstehen: to comprehend (frz.: comprendre; wörtlich: zusammen nehmen). Der Engländer spricht auch von to understand, unter etwas stehen. Das macht keinen Sinn, denn wenn ich etwas durchschaue, verinnerliche, dann stehe ich über den Dingen: to overstand. Wer vom Begreifen zum Verstehen gereift ist, schaut aus einer anderen Perspektive (lat.: perspectare: hindurchblicken).

Immer wieder kommt der Frühling, der Neubeginn des Reifens (engl.: spring, frz.: printemps, von lat.: primus tempus = die erste Zeit), der uns zum lebensfreudigen Springen einlädt; man erlebt dann, wie alles aus dem Ursprung, aus der Urquelle neu hervorkommt. Stets ein wunderbares Erlebnis.

Gleichzeitig müssen wir immer wieder zum Ursprung, zum Urgrund, zum Ursein, in die Zeit-Freiheit zurückfinden, um nicht im Gefühl des Geteilt-Seins gefangen zu bleiben.

Zeit hat mit Teilung, Trennung zu tun. Unsere Zeitbegriffe (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, gestern, heute, morgen, Jahre, Monate Tage, Stunden, Minuten, Sekunden) haben das Holon, das ursprünglich Ganze in Teile zerlegt. Die kleinste Einheit der Zeit ist ein Bruchteil einer Sekunde (lat.: secundus: der Zweite). Auf die Sekunde genau war es aus mit der Einheit.

Kon-Sensitivität bedeutet ein vertrauensvolles gemeinsames Gefühlserlebnis- und –verständnis.

In der Vielfalt von oftmals oberflächlichen Gefühlsinterpretationen kann es leicht zu sehr subjektiven Wahrnehmungen und Interpretationen der raum- und zeitfreien Ur-Wirklichkeit kommen. Nie zuvor wurden so viele Bücher über Nah-Todes-Erfahrungen publiziert wie zur Zeit. Es sind stets sehr subjektive und nicht objektivierbare Schilderungen, die einem anderen nur bedingt Hilfe und Trost spenden können. Das tiefe Erlebnis des Todes vermag niemand zu schildern.

Wer in der vorösterlichen Zeit häufig diverse stundenlange Passionswerke großer Komponisten bei zahllosen Gelegenheiten singen muss, gerät bei mangelnder seelischer Stabilität beim Durchdringen der Texte sehr schnell in eine todesähnliche Situation. Vielen Zuhörern geht es ähnlich. Aber auf der viel tieferen Ebene der Kon-Sensitivität verwandeln sich Emotionen in ein Gefühl, das energetisch balanciert bleibt.

Im 50. Kapitel des „Tao Te King“ von Lao Tse lesen wir:

„Wenn die eine Richtung Leben bedeutet
und die andere Richtung Tod,
so ist ein Drittel der Menschen für das Leben
und ein Drittel für den Tod.
Dann gibt es noch diejenigen,
die das Leben hochschätzen
und sich folglich auf das Reich des Todes zu bewegen.
Auch sie bilden ein Drittel.
Warum ist das so?
Weil sie übermäßig am Leben hängen.

Wer es versteht, richtig zu leben,
kann überall hingehen,
ohne Angst vor dem Nashorn oder dem Tiger.
Er wird auch nicht verwundet werden im Kampf.
Das Nashorn findet an ihm keine Stelle,
wo es sein Horn hineinstoßen könnte,
und der Tiger findet keinen Platz für seine Pranken.
Ebenso finden auch andere Waffen keine Stellen,
wo sie treffen könnten.
Warum ist das so?
Weil es für einen solchen Menschen kein Reich des Todes gibt.“

{R:2}

Der Religionsphilosoph Roland R. Ropers ist Autor und Herausgeber etlicher Bücher:

Was unsere Welt im Innersten zusammenhält: Hans-Peter Dürr im Gespräch mit bedeutenden Vordenkern, Philosophen und Wissenschaftlern von Roland R. Ropers und Thomas Arzt; 2012 im Scorpio Verlag

Eine Welt – Eine Menschheit – Eine Religion von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Gott, Mensch und Welt. Die Drei-Einheit der Wirklichkeit von Raimon Panikkar und Roland R. Ropers

Die Hochzeit von Ost und West: Hoffnung für die Menschheit von Bede Griffiths und Roland R. Ropers

Geburtsstunde des neuen Menschen. Hugo Makibi Enomiya-Lassalle zum 100. Geburtstag von Roland R. Ropers

 

 

 

 



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion