5200 Jahre altes Getreide datiert Austausch von Nutzpflanzen um 1000 Jahre zurück
Getreide aus dem Fruchtbaren Halbmond und Rispenhirse aus Nordchina verbreiteten sich vor Tausenden von Jahren über Eurasien. Diese Verbreitung führte in den folgenden Jahrhunderten zu signifikanten kulturellen Veränderungen.
Die neuen Nutzpflanzen wurden schnell in Anbausysteme integriert, die sich die Fruchtfolge zunutze machten. Die dadurch erhöhte Produktivität begünstigte steigende Bevölkerungszahlen. Weiterhin förderte sie auch die Bildung von Staaten in Europa und Asien.
In einer aktuellen Studie zeigt ein internationales, interdisziplinäres Forschungsteam, dass dieser Prozess mindestens 1000 Jahre früher begann als bislang angenommen. Dabei passte sich nicht nur der Mensch seine Anbaumethoden an die rauen Umweltbedingungen an, auch die Pflanzen reagierten mit einem evolutionären Wandel.
Die Studie erschien am 14. Februar in der Fachzeitschrift Nature Plants.
Austausch von Waren, Ideen und Genen
Die historische Seidenstraße ist ein bekannter Begriff. Vielen ist jedoch nicht bekannt, dass bereits 3000 Jahre, bevor dieses Netz organisierter Handelsrouten entstand, der Austausch blühte. Schon zu dieser Zeit tauschten Menschen Waren, Technologien, Ideen und Gene über die Gebirgstäler Zentralasiens hinaus aus.
Dieser Austausch spielte eine Schlüsselrolle für die kulturelle Entwicklung in Europa und Asien und ermöglichte den Transfer von Techniken wie Pferdezucht oder Metallverhüttung nach Ostasien. Die Ausbreitung nordostasiatischer Kulturpflanzen nach Westen sowie südwestasiatischer Kulturpflanzen nach Osten zählt zu den folgenreichsten Effekten dieses Prozesses. Ein Mangel an archäobotanischen Studien in Zentralasien ließ bislang jedoch keinen exakten Schluss zu, wann und wie dieser Prozess erfolgte.
Die aktuelle Studie entstand unter der Leitung der Chinesischen Akademie für Wissenschaften und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte. Sie berichtet über neue Details von Getreidekörnern, die Archäologen vor Kurzem bei Grabungen im Altai-Gebirge fanden.
Getreide älter als gedacht
Die Kohlenstoffdatierung ergab, dass darunter die ältesten Weizen- und Gerstenkörner sind, die jemals so weit nördlich in Asien gefunden wurden. Damit verschiebt sich der Zeitstrahl für die erste landwirtschaftliche Nutzung dieser Region um mindestens ein Jahrtausend.
Zugleich sind diese Getreidekörner die ältesten domestizierten Pflanzen, die bislang in der nördlichen Hälfte Zentralasiens, dem Kern der alten Austauschrouten, gefunden wurden.
Um zu zeigen, wie es den Menschen damals gelang, Getreide in diesen nördlichen Breitengraden zu kultivieren, kombiniert die Studie Daten über Pollen in Sedimenten mit Daten alter Holzkohle und archäobotanischen Überresten aus der Ausgrabungsstätte Tiangtian im chinesischen Altai-Gebirge.
Die Studie verdeutlicht weiterhin, wie anpassungsfähig die Pflanzen auf die neuen Umweltbedingungen reagierten. Außerdem zeigt sie, welche kulturelle Praktiken es den Menschen ermöglichten, in diesen schwer berechenbaren Umgebungen zu überleben.
Die nördliche Ausbreitung der Getreidekörner
Die Urahnen von Weizen und Gerste entwickelten sich ursprünglich in den warmen und trockenen Gebieten des östlichen Mittelmeerraumes und Südwestasiens. Dennoch gelang es den Menschen, diese Gräser 5.500 Kilometer weiter nordöstlich anzubauen.
Dr. Xinying Zhou und seine Kollegen gingen in dieser Studie der Frage nach, wie extrem die Ökologie um Tangtian vor 5000 Jahren, das heißt zur Zeit ihrer Besiedlung, tatsächlich war. Die Höhle liegt hoch im Altai-Gebirge in einer heute kalten und trockenen Landschaft. Die Untersuchung ergab jedoch, dass das Klima damals etwas wärmer und feuchter war als heute.
Diese etwas milderen Bedingungen in der Region waren wahrscheinlich die Folge einer Verschiebung von Luftmassen. Diese brachten warme und feuchte Luft von Süden aus in die Region. Neben der Nutzung dieser spezifischen „Klima-Nische“ durch die frühen Bauern, zeigt die Analyse, dass die Getreidearten sich an die neue Umgebung anpassten.
Weiterhin liefern die Ergebnisse dieser Studie Hinweise darauf, wann es zu welchen evolutionären Veränderungen kam. Darunter zählen neben Änderungen in der Abhängigkeit von der Tageslänge, welche den Pflanzen ihre Blütezeit signalisiert, auch eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber Kälte.
Der transeurasische Austausch und die Verbreitung von Getreide
Die Ausbreitung der Getreidesorten quer durch Innerasien hat in den letzten Jahren in Biologie und Archäologie viel Aufmerksamkeit erfahren. So diskutiert Dr. Spengler, einer der Hauptautoren der Studie, in seinem jüngsten Buch „Fruit from the Sands“, wie die frühen Handelsrouten die menschliche Geschichte und Entwicklung prägten.
Die Vermischung der Feldfrüchte von den entgegengesetzten Enden Asiens führte zur Nutzung von Fruchtfolgezyklen und höherer Produktivität. Diese begünstigen wiederum eine Zunahme der Bevölkerungszahlen und die Bildung von Staaten.
Rispenhirse entwickelte sich zu einer der wichtigsten Nutzpflanzen in Europa, während dies in Ostasien für Weizen gilt. Die Erkenntnis, dass diese Pflanzen früher als bisher angenommen über ganz Eurasien verbreitet waren, werden nachhaltige Auswirkungen haben. So werden in Zukunft die frühen Anbaumethoden, die Geschichte des kulturellen Kontakts und die Veränderungen der jeweiligen Küchen im Laufe der Zeit stärker erforscht werden.
Eröffnung neuer Einblicke
Die neuen Entdeckungen geben Anlass, bisherige Ansichten zu hinterfragen. Zudem lassen sie vermuten, dass kleine, durchmischte menschliche Populationen durch Migration, kulturellen und technologischen Austausch einen nicht unbeachtlichen Einfluss auf die Weltgeschichte hatten.
„Diese Studie präsentiert nicht nur die ältesten Daten für domestiziertes Getreide im Norden Asiens“, so Professor Xiaoqiang Li, Direktor des Instituts für Paläontologie und Paläoanthropologie der Wirbeltiere (IVPP) in Peking. „Sie zeichnet auch den Beginn des transeurasischen Austausches nach, welcher später möglicherweise zur Entwicklung der Seidenstraße führte“.
Dr. Xinying Zhou, Leiter der Studie, betont: „Diese Entdeckung ist ein Beleg für den menschlichen Einfallsreichtum und die beeindruckende ko-evolutionäre Bindung zwischen den Menschen und den Pflanzen, die sie auf ihren Feldern pflegen.“
(Mit Material des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte)
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