23. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie in Hamburg
Parasiten. Schon das Wort lässt bei manchen die Hautnerven hochempfindlich auf jeden noch so kleinen Reiz reagieren, sodass selbst das eigene Haar im Nacken ein unbehagliches Kribbeln verursacht: Nervös streicht man drüber – es könnte ja auch irgendetwas Kleines, Gemeines, Krabbelndes sein.
„Das sind Phobien“, sagt dazu Prof. Egbert Tannich. Er gehört zu jenen, die gegen dieses Pseudo-Kribbeln immun sind. Er ist Molekular-Parasitologe am Bernhard-Noch-Institut und vom 5. bis 7. März 2008 Tagungspräsident der 23. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie (DGP).
Mehr als 300 Wissenschaftler aus aller Welt treffen sich in den Räumen des Departements für Chemie an der Universität Hamburg, um sich über ihre neuesten Erkenntnisse auszutauschen: Über ungebetene Gäste, die den Menschen besiedeln wie ein neu entdecktes Land – tierische Einzeller (Protozoen) wie der Malariaerreger Plasmodium, verschiedene Wurmarten wie der Fuchsbandwurm und Ektoparasiten wie Läuse, Flöhe oder Wanzen.
Malaria: kompliziert und doch stabil
Für Parasitologen sind diese winzigen Schmarotzer „interessante Organismen“. „Unglaublich faszinierend“ sei laut Prof. Tannich zum Beispiel, dass es bei Malaria überhaupt zu einer Übertragung kommt. „Das ist extrem kompliziert und dennoch sehr stabil, denn es werden immerhin ein paar hundert Millionen Menschen jedes Jahr infiziert.“ Damit wir das komplexe Geschehen verstehen: „Da muss für den Parasiten eine Anopheles-Mücke vorhanden sein; in dieser Mücke passiert eine ganz komplizierte Entwicklung des Parasiten, und nur wenn diese stattfindet, kann die Mücke Malaria übertragen.“ Anopheles-Mücken gibt es auch in Ostfriesland, aber diese können die Malaria nicht übertragen. Nur in bestimmten Sub-Typen entwickelt sich der Parasit. Andere Mücken töten den Parasiten ab. Warum machen das nicht alle Anopheles-Mücken? „30.000 Parasiten in der Speicheldrüse einer Mücke sind sicher nicht angenehm“, vermutet Tannich. Einige Anopheles-Mücken bilden eine Melaninschicht um die Parasiten abzukapseln, andere können das nicht. Außerdem muss es sich um eine Anopheles-Mücke handeln, die auch an den Menschen geht, damit Malaria übertragen wird, denn manche gehen wiederum nur an Tiere.
Die Furcht ist minimal
250 Wissenschaftler arbeiten im Bernhard-Noch-Institut – und nie sollte einer von ihnen mit einem subphobischen Kribbeln auf der Haut zur Arbeit kommen. Die Furcht sich zu infizieren, sei minimal, sagt Prof. Tannich. In den 20 Jahren, die er im Institut arbeitet, und auch in 30 bis 40 Jahren, die dort manche Medizinisch-technische Assistentin überblickt, sei es auch nie zu einer Infektion gekommen. „Die Bedingungen im Labor müssen ja auch so sein, dass man sich nicht infizieren kann“, sagt Tannich.
Parasiten-Wahn
Es gäbe aber Menschen mit Parasiten-Wahn, erzählt der Professor. Jene schicken irgendwelche Proben ein, die die Mitarbeiter des Instituts sorgfältig untersuchen, gleichgültig, ob es sich da wirklich um Parasiten oder nur um Teppichfusseln oder Wollmäuse handelt. „Wir kriegen auch manchmal Regenwürmer und so weiter geschickt und die Einsender behaupten, das hätten sie sich aus ihrem Bein gezogen“, berichtet er. Und weiter: „Andere haben sich ein eigenes Labor im Keller eingerichtet. Da sie wissen, dass einige Parasiten nachts im Blut sind, nehmen sie sich selbst in der Nacht Blut ab und gucken sich das dann unter dem Mikroskop an.“ Jene seien davon überzeugt, dass sie Parasiten haben. „In Wirklichkeit sind das Fälle für den Psychiater.“
Den Feind kennen
Die Parasitologen erforschen die Kleinstwesen bis ins Detail: So also pflanzen sie sich fort, das passiert also bei ihrem Stoffwechsel. Und – aha – so funktioniert deren sensibles Zusammenspiel mit dem Wirtsorganismus. Wenn man die Angriffspunkte und Interaktionen der Parasiten kennt, kann man dort zielgerichtet mit Medikamenten oder Impfstoffen eingreifen. Die Nachweismethoden für parasitäre Erkrankungen haben sich ebenfalls verfeinert, sodass man Krankheiten bereits in ihren Anfangsstadien behandeln kann.
Semi-Immunität
Erfahrungsgemäß sei die Malaria heute nur dann gefährlich, wenn man sie nicht oder sehr spät behandelt. Selbst wenn man sie nicht behandelt, sterben die Menschen nicht daran – wenn auch ein Europäer, der das erste Mal Malaria bekommt, schwer krank werden würde. Jene, die in Malariagebieten leben und vom Kleinkindalter an mit Malaria infiziert werden, werden mit fünf oder sechs Jahren auch nicht mehr krank, obwohl sie Parasiten im Blut haben. Wenn man in so genannten epidemischen Gebieten den Kindern Blut abnimmt, stellt man fest, dass sechzig Prozent der Kinder Parasiten im Blut haben. Das Phänomen nennt man Semi-Immunität: eine Teil-Immunität, die zwar die Parasiten nicht eliminiert aber dazu führt, dass man nicht mehr daran erkrankt.
Lieber kurz einen Wurm als dauernd Asthma?
Bei vielen Mikroorganismen versteht man noch nicht, warum diese krank machen, während es andere Mikroorganismen gibt, die wir sogar brauchen, wie manche Bakterien im Darm. Parasiten im Menschen scheinen nicht immer schlecht zu sein. Es gibt sogar wissenschaftliche Ansätze, Krankheiten mit Parasiten zu behandeln. Auch darüber soll auf der 23. Jahrestagung diskutiert werden. Als Prof. Tannich seine Laufbahn als Parasitologe begann, fand er in vielen Stuhlproben von Kindern Würmer. Durch die heutigen hygienischen Bedingungen gibt es sie nicht mehr, stattdessen plagen Asthma und Allergien die Menschen. In Ländern dagegen, wo die Menschen noch Wurminfektionen haben, gäbe es Asthma und Allergien eigentlich gar nicht. Darum untersucht man in der Parasitologie, ob der menschliche Körper so etwas wie eine Wurminfektion braucht, um die Abwehr von Fremdkörpern richtig zu trainieren. „Die Menschen mit Würmern sind ja nicht alle krank. So eine Wurminfektion merkt man im Grund gar nicht“, führt Tannich an. Diese These hat man weiter verfolgt und nun beginnt man, bestimmte immunologische Erkrankungen mit Würmern zu behandeln, Colitis ulcerosa zum Beispiel. „Eine Wurminfektion kann man ja heutzutage behandeln“, sagt Tannich.
Die Wissenschaft versucht nun zu verstehen, ob die Würmer einen Stoff im Darm produzieren, den man dann nur noch synthetisch herstellen müsste. – Schließlich kommen viele Patienten eher damit klar, wenn man ihnen eine aufgelöste Brausetablette als einen Wurm verabreicht.
Text erschienen in der Epoch Times Deutschland Nr. 10 (5.Mrz. – 11.Mrz. 2008)
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