Zwischen Regen und Marktzwängen: Deutsche Bauern in der Krise

Bei der Getreideernte in Deutschland zeichnen sich schlechte Ergebnisse ab. Normalerweise müssten jetzt die Preise steigen, tun sie aber nicht.
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Die Weizenernte dieses Jahr fällt schlecht aus.Foto: MihailDechev/iStock
Von 11. August 2024

Die Hoffnung auf die Weizenernte war groß, doch vielerorts macht sich bei den Landwirten Enttäuschung breit – nicht nur über die geringen Ernteerträge, sondern auch über die aktuelle Landwirtschaftspolitik. Grund sind die Marktpreise, die durch importiertes Getreide gedrückt werden.

Dort, wo Hannes Kuhnwald, Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern, 120 dt/ha erwartet hat, kommt er laut „agrarheute“ auf 90, manchmal sogar nur auf 65 dt/ha. Auch bei anderen Landwirten konnte Kuhnwald die sonst üblichen Spitzenerträge von 100 bis 120 dt/ha nicht feststellen. „Die besten, die ich bis jetzt gesehen habe, waren bei 90 dt/ha.“

Laut einer Umfrage von „agrarheute“ gaben 60 Prozent der 2.463 Befragten an, dass ihre Ernte unterdurchschnittlich sei. Und auch das Statistische Bundesamt sagte in einer ersten Schätzung von Ende Juni 2024 einen durchschnittlichen Hektarertrag von nur 69,1 Dezitonnen voraus, und damit 1,2 Prozent weniger als 2023.

Wetter als kalkuliertes Berufsrisiko der Bauern

„Dass ich in einem besonders nassen Jahr weniger Getreide in schlechterer Qualität einbringe, gehört zum Berufsrisiko“, sagt Thomas Frenk von der Bundesvertretung der Freien Bauern, der im badischen Nonnenweier einen Ackerbau- und Milchviehbetrieb bewirtschaftet und wegen anhaltender Regenfälle einzelne Flächen bis heute nicht befahren kann.

„Aber wenn wir alle weniger ernten, bedeutete das bisher, dass die Preise anziehen und die Mindererträge zumindest teilweise ausgeglichen werden“, ergänzt Frenk.

Aber das lässt der Weltmarkt nicht zu. Dass eine positive Preisentwicklung aktuell überhaupt nicht zu erkennen sei, liege vorwiegend an der mit Unterstützung der Bundesregierung im Juni „durchgedrückten Verlängerung“ der Zollfreiheit für ukrainische Agrarprodukte, kritisiert der 46-jährige Landwirtschaftsmeister:

„Die Exporte aus der Ukraine sind auf Rekordniveau und ermöglichen den hoch konzentrierten Agrarhandelskonzernen, hierzulande die Preise zu drücken.“ Die Lobbyorganisation für Bauern fasst zusammen: Die kleinen Preise trotz kleiner Ernte kommen zustande, da sich Konzerne durch Billiggetreide aus der Ukraine bereichern dürften.

Die EU hatte am 8. April 2024 entschieden, die Einfuhrzölle und Quoten für ukrainische Agrarexporte in die EU für ein weiteres Jahr bis zum 5. Juni 2025 auszusetzen.

Keine Regulation der Monopole zum Nachteil der Bauern

Schon lange hätte die Ampel Maßnahmen gegen den Preisdruck durch Importe und Monopole ergreifen müssen, bemängelt Frenk, statt ein belangloses Entlastungspaket zu schnüren.

Damit kritisiert er das im Juni durch die Ampel verabschiedete Agrarentlastungspaket, welches die Regierung nach Protesten von Bauern in ganz Deutschland wegen der Streichung von Agrardieselvergünstigungen zugesagt hatte.

Die vom Deutschen Bauernverband als „Päckchen“ kritisierten Zugeständnisse der Regierung an die aufgebrachte Branche soll steuerliche Erleichterungen, weniger Bürokratie und eine stärkere Stellung der Landwirte in der Kette bis zum Handel bewirken.

Konkret will die Ampelkoalition die Landwirte bei der Steuer um rund 150 Millionen Euro in einem Zeitraum von drei Jahren entlasten. Bauernverbandchef Joachim Rukwied beanstandete, dass es zwar in die richtige Richtung gehe, jedoch weit hinter den Anforderungen der Landwirte zurückbleibe.

Bauernverband Teil des Problems?

Für die Freien Bauern, die sich 2020 gegründet hatten und sich als Interessenvertretung für bäuerliche Familienbetriebe sehen, sind der Bauernverband und seine Verquickungen Teil der Problematik.

„Mit Susanne Schulze Bockeloh und Joachim Rukwied sitzen zwei Spitzenfunktionäre des Deutschen Bauernverbandes in den Aufsichtsräten der Agrarhandelskonzerne Agravis und BayWa – da wundert es nicht, dass dem Verband zum Preisdruck nichts Besseres einfällt, als seine uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen.“

Ein großes Problem sei die falsche Wahrnehmung landwirtschaftlicher Interessen durch die Politik.

Bereits bei den Protesten im vergangenen Januar hatten die Freien Bauern eine Wiedereinführung der Einfuhrzölle auf ukrainisches Getreide und eine Entflechtung der Monopole in Lebensmittelindustrie und Lebensmitteleinzelhandel gefordert.

„Wenn der Brotpreis an der Ladentheke in den vergangenen vier Jahren um mehr als ein Drittel gestiegen ist, aber der Getreidepreis nach kurzen Turbulenzen 2022 auf dem Niveau von vor vier Jahren stagniert, dann bedeutet das, dass andere Marktteilnehmer sich auf Kosten von Bauern und Verbrauchern ganz massiv bereichern“, so Frenk.

Mit den großen Konzernen wolle sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir aber offensichtlich nicht anlegen, statt dessen würden die bäuerlichen Betriebe mit immer neuen Steuern und Auflagen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt.

Wieder Bauernprotest im Winter erwartet?

Die Politik dürfe sich nicht von Konzernlobbyisten blenden lassen, sondern müsse den Dialog mit der landwirtschaftlichen Basis suchen, appellieren die Freien Bauern. Finanzieren tut sich ihre GmbH nur aus Mitgliederbeiträgen; kein „fremdes Geld“ könne Einfluss nehmen. Nicht einmal durch Spenden könnten etwaige Abhängigkeiten entstehen, das betont Pressesprecher Reinhard Jung im Gespräch mit der Epoch Times.

Um die großen Fragen habe sich die Bundesregierung bislang herumgedrückt, so Jung. Landwirtschaftsbetriebe hätten keine Möglichkeit, bessere Einkommen zu generieren, solange die wenigen Konzerne den Markt unter sich aufgeteilt hätten. Zudem bestünde durch unregulierte Einfuhren aus dem Ausland die Möglichkeit, die Preise der einheimischen Bauern zu drücken.

Ob es angesichts der immer noch ungelösten Themen tatsächlich wieder zu einem erneuten Aufflammen der Bauernproteste kommen könnte, dazu will sich der Pressesprecher nicht festlegen.

„Das ist schwer vorherzusagen. Diese Explosion des Protests 2019 war auch nicht vorherzusehen. Im letzten Winter gab es durch den Agrardiesel ein Wiederaufflammen der Proteste, davon waren alle betroffen. Insofern war es schon naheliegend, dass es Protest auslösen würde – zumal das Thema im Winter und nicht in der Vegetationsperiode aufkam. In der können die Landwirte nicht einfach mal vom Hof weg.“ 

Viele Faktoren hätten zusammengespielt, dass sich die Proteste so ausgeweitet haben. Auch wenn es noch die gleiche Problematik und keine Lösungen für die Landwirte gebe, könne es sein, „dass sie diesmal sagen: ‚Ach, ist doch sowieso egal.‘ Die Freien Bauern zumindest werden zum Eintreten für die bäuerlichen Interessen aufrufen. Ob es dann daraus wieder eine große Bewegung wird, ist schwer zu prognostizieren“, so Jung.

Bauern seit 2019 gegen Green Deal auf den Straßen

Die sogenannten „Bauernproteste“ sind eine Reihe von Demonstrationen und Protestaktionen, die seit 2019 regelmäßig von Landwirten organisiert werden. Die Bauern protestieren vor allem gegen agrarpolitische Maßnahmen der deutschen und europäischen Regierung, den Green Deal, den sie als existenzbedrohend empfinden.

Im Kern geht es um Überregulierung und Bürokratie: Viele Landwirte fühlen sich durch die immer strengeren Auflagen, insbesondere im Bereich Umwelt- und Tierschutz, gegängelt. Sie kritisieren, dass die agrarpolitischen Entscheidungen oft an den Realitäten der landwirtschaftlichen Praxis vorbeigingen.

Ein weiteres Thema ist der Preisdruck durch Supermärkte und Discounter. Die Landwirte werfen dem Einzelhandel vor, die Preise so weit zu drücken, dass die Erzeuger kaum noch kostendeckend arbeiten können.

Besonders kontrovers ist die sogenannte Düngeverordnung, die 2020 verschärft wurde. Diese zielt darauf ab, die Nitratbelastung im Grundwasser zu senken. Viele Landwirte sehen sich dadurch in ihrer Arbeit massiv eingeschränkt und fürchten, dass die neuen Vorgaben ihre Erträge mindern könnten.

Die Bauern sind auch mit neuen Umwelt- und Klimaschutzauflagen konfrontiert, die von ihnen verlangen, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren und nachhaltiger zu wirtschaften. Sie kritisieren, dass die Last der Umstellung fast ausschließlich auf ihren Schultern liege, während andere Wirtschaftssektoren weniger stark belastet würden.

Die Proteste gipfelten im vergangenen Winter in Traktordemonstrationen, bei denen Bauern mit ihren Fahrzeugen die Innenstädte blockierten – so in Berlin, Hannover und Bonn. Die Bewegung hat eine breite Unterstützung unter den Landwirten.

Neben den Freien Bauern haben sich Initiativen wie Land schafft Verbindung (LsV) gebildet, ursprünglich aus einer Facebook-Gruppe, aus dem der LsV e. V. 2021 entstand. Nach nur gut zwei Jahren brachte es der Verein in Niedersachsen bereits auf 30.000 Mitglieder.



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