Xinjiang und das Schicksal der Solarenergie in Deutschland

Können die Ziele der Energiewende ohne die Solarmodule der chinesischen Marktführer erreicht werden? Das erscheint fraglich.
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Deutschland war einmal Spitze in der Solarindustrie – derzeit kommt fast die gesamte Solarwafer-Produktion aus China.Foto: iStock
Von 8. September 2021

Menschenrechte oder Energiewende mit Photovoltaik? Auf diese knappe Formel könnte man ein Problem bringen, das sich mit dem chinesischen Anti-Sanktionsgesetz noch verschärfen wird.

Wo die für die Energiewende notwendigen Solarmodule gefertigt werden, spielt letztendlich keinerlei Rolle: In den Lieferketten der Branche führen nahezu alle Wege zurück nach China, da dort fast alle Siliziumwafer hergestellt werden.

Vor allem die Herstellung von dazu benötigten Vorprodukten wie metallurgisches Silizium, Polysilizium und Wafern erfolgt in Xinjiang, der Region, die durch „Umerziehungscamps“ für Uiguren und andere Minderheiten sowie viel Stacheldraht bekannt ist.

Zwangsarbeit in Xinjiang bei Hoshine Silicon

Als Erstes etwas zur Produktion. Um Solarmodule herstellen zu können, wird aus Quarzbrocken über den Zwischenschritt des metallurgischen Siliziums zunächst (kristallines) Polysilizium produziert. Aus diesem entstehen über weitere technische Verfahren Solarwafer und später Solarzellen, die zu Solarmodulen zusammengefügt werden.

Im Jahr 2020 betrug der Anteil Xinjiangs an der Polysilizium-Produktion für Solarzellen rund 45 Prozent, teilt Johannes Bernreuter, Chef des auf Polysilizium spezialisierten Marktforschungsunternehmens Bernreuter Research, der Epoch Times mit.

Gefragt nach dem Anteil, der möglicherweise in Zwangsarbeit hergestellt wird, schreibt der Fachmann: Der weltgrößte Lieferant von metallurgischem Silizium, Hoshine Silicon, ist in Zwangsarbeit-Programme verwickelt.

Einfuhrverbot für Hoshine-Produkte

Gegen Produkte, die metallurgisches Silizium von Hoshine enthalten, hat der US-Zoll eine sogenannte „Withhold Release Order“ erlassen. Die Einfuhr in die USA ist verboten.

Weltweit gibt es nicht viele große Akteure im Bereich des darauf folgenden Verarbeitungsschrittes zum Polysilizium. Fast alle kaufen bei Hoshine, oder haben es zumindest früher getan.

Hoshine Silicon nannte in diesem Zusammenhang die acht größten Hersteller von Polysilizium seine Kunden. Diese acht hatten 2020 einen Marktanteil an Polysilizium für Solarzellen von mehr als 90 Prozent.

Hat sich etwas verändert?

Drei dieser acht Hersteller reagierten auf die Order des US-Zolls, schreiben die Marktforscher des in Würzburg ansässigen Unternehmens Bernreuter Research.

Einer davon, das südkoreanische Chemieunternehmen OCI, erklärte inzwischen, dass es kein metallurgisches Silizium mehr von Hoshine bezieht. Das Gleiche treffe auf den Hersteller Tongwei zu, Johannes Bernreuter fügt hinzu: „Das kann stimmen, ist aber nicht völlig sicher.“

Der Münchner Chemiekonzern Wacker, der einzige Polysiliziumhersteller Europas, weiche konsequent einer klaren Antwort zu Hoshine aus. Experten vermuten, dass sich Wacker inzwischen aus der Lieferbeziehung mit Hoshine zurückgezogen haben könnte. Daher kommt Bernreuter zu dem Fazit: „Falls OCI, Tongwei und Wacker kein metallurgisches Silizium mehr von Hoshine beziehen, reduziert sich der von Hoshine betroffene (Solar-)Polysilizium-Marktanteil von über 90 auf 55 Prozent.“

Im Prinzip ist es möglich, den Polysilizium-Anteil der Photovoltaik-Industrie in Deutschland und Europa hierzulande zu decken. Die Kapazitäten sind da oder können mittelfristig ausgebaut werden, teilt der Pressesprecher der Wacker Chemie AG mit. Dadurch wird der Engpass bei nicht-chinesischen Solarwafern allerdings nicht behoben.

Notwendige Audits vor Ort kaum möglich

Der Bundesverband Solarwirtschaft nimmt Berichte über die Zwangsarbeit in Xinjiang sehr ernst: „Wir verurteilen jegliche Form der Zwangsarbeit und andere Formen von Menschenrechtsverletzungen und setzen uns als Konsequenz der Berichte für die Verbesserung der Transparenz in den globalen Lieferketten ein.“ Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig weist darauf hin, dass es für die deutsche Solarwirtschaft allein nicht möglich sei, die zur Überprüfung der Vorwürfe notwendigen Audits vor Ort vorzunehmen.

Erschwerend sind zwei Dinge. Zum einen richten sich die Vorwürfe gegen Hersteller von Vorprodukten, die in zahlreichen Endprodukten Anwendung finden, und nicht gegen die direkten Lieferanten oder Modulhersteller. Zum anderen werde Polysilizium oft als Mischprodukt verarbeitet.

Die deutsche Solarbranche war mit dem Unternehmen SolarWorld einst Weltspitze. 2018 ging in Arnstadt in Thüringen der letzte Solarzellenhersteller pleite, aktuell wird in Deutschland im Wesentlichen nur noch Forschung betrieben.

„Wenn [westliche] Länder beim Übergang zu erneuerbaren Energien nicht fast vollständig von Solarprodukten aus China abhängig werden wollen, müssen sie eine wirksame und längst überfällige Industriepolitik für eine nicht-chinesische Solarlieferkette umsetzen“, sagte Bernreuter.

Was ist dafür wichtig? Die Verfügbarkeit von kostengünstiger erneuerbarer Energie wie beispielsweise Wasserkraft in den USA, Kanada, Norwegen oder Malaysia. Da beißt sich – zumindest für Deutschland – die Katze in den Schwanz.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.



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