Wirtschaftswarntag: „Es brennt lichterloh“ – Unternehmer protestieren gegen wirtschaftliche Stagnation
Deutschlands Wirtschaft liegt am Boden. In diesem Jahr wird sich vermutlich auch nicht viel ändern. Die Bundesregierung hat ihre Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft im Jahr 2025 erheblich nach unten korrigiert. Laut dem am Mittwoch veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr voraussichtlich nur um 0,3 Prozent zulegen. Noch vor drei Monaten hatte das Bundeswirtschaftsministerium ein Wachstum von 1,1 Prozent erwartet.
In ihrer ursprünglichen Prognose für 2025 hatte die damalige Ampelkoalition positive Impulse durch eine sogenannte „Wachstumsinitiative“ einkalkuliert. Diese sah unter anderem verbesserte Abschreibungsbedingungen zur Förderung von Investitionen, staatliche Maßnahmen zur Senkung der Strompreise und Anreize für eine längere Erwerbstätigkeit vor. Da die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrach, konnten wesentliche Teile dieser Initiative nicht umgesetzt werden.
Deutschlands Wirtschaft ist der Geduldsfaden allerdings inzwischen geplatzt. Ein Bündnis aus rund 100 Wirtschaftsverbänden forderte am Mittwoch auf dem sogenannten „Wirtschaftswarntag“ von der nächsten Bundesregierung einen Richtungswechsel in der Wirtschaftspolitik. Am Brandenburger Tor fand um 13:00 Uhr die zentrale Kundgebung statt.
Wirtschaft geht auf die Straße
Der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), Torsten Alsleben, sagte im Interview mit Epoch Times, dass die Demonstration organisiert wurde, weil die wirtschaftliche Lage in Deutschland äußerst kritisch sei. Viele Unternehmen befinden sich in einem Existenzkampf oder können nicht mehr sinnvoll investieren. Standortentscheidungen fallen zunehmend gegen Deutschland aus. Aufgrund dieser dramatischen Situation gehen nun auch Unternehmer auf die Straße – etwas, das sie normalerweise nicht tun. Alsleben gehört zu den Organisatoren der Aktion der Wirtschaft.
Den „Wirtschaftswarntag“ habe man schon vor Monaten geplant, erzählt Alsleben weiter. Mit den Neuwahlen sei aber eine Dynamik in die Sache gekommen. Die Unternehmen hätten plötzlich die Chance gesehen, etwas zu verändern, indem sie auf den Wahlkampf Einfluss nehmen. Das Zeichen an die Politik soll eindeutig sein, so der INSM-Geschäftsführer: „Ihr müsst was ändern , es kann so nicht weitergehen. Sonst wird Deutschland in ein paar Jahren anders aussehen als jetzt.“
„Es brennt inzwischen lichterloh“, sagte die Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, in Berlin. „Eine Regierung, die ihren Bürgern eine echte und gute Perspektive auf sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten will, muss Weichen stellen, um die großen Strukturprobleme zu lösen“, so Ostermann weiter.
Mit Verweis auf die schwache Konjunktur fordern die Verbände, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt des Wahlkampfs vor der Bundestagswahl am 23. Februar zu stellen. Zentrale Forderungen sind eine geringere Steuerbelastung, weniger bürokratische Vorgaben, gedeckelte Sozialabgaben, geringere Energiekosten und mehr Flexibilität im Arbeitsrecht.
Lange Zeit Exportweltmeister
Die Wirtschaftskraft Deutschlands fußt zu mehr als einem Viertel auf Industrie. Dort ist die Produktion inzwischen deutlich niedriger geworden als noch vor fünf Jahren. Das rechnete der Bundesverband der Deutschen Industrie gerade erst vor. „Um Deutschland wieder in die Spur zu bekommen, muss die Regierung endlich großangelegte strukturelle Reformen und Investitionen angehen. Wir müssen unseren Staat modernisieren und Deutschland als international starken Partner aufstellen“, sagte BDI-Präsident Peter Leibinger jüngst auf der Jahresauftakt-Pressekonferenz seines Verbands.
Die Krise sei mehr als die Konsequenz der „doppelten Schockwirkung aus Pandemie und den wirtschaftlichen Folgen des Angriffskrieges auf die Ukraine“. Die Probleme, mit denen auch die Industrie zu kämpfen hat, seien das Ergebnis einer „strukturellen Schwäche des Standorts Deutschland“. Seit Sommer 2018 falle die Industrie zurück, so Leibinger.
Über viele Jahrzehnte hinweg gründete sich das deutsche Geschäftsmodell auf einem ganz einfachen Prinzip: Rohstoffe und Einzelteile wurden im Ausland preiswert eingekauft und in Deutschland zum begehrten Qualitätsmerkmal „Made in Germany“ aufgepeppt. Dabei spielte billige Energie eine wichtige Rolle.
Der Ukraine-Krieg 2022, die daraus folgende Energiekrise, die Inflation und der von der Ampelregierung vorangetriebene Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft stellten das bisherige Geschäftsmodell infrage und ließen die Energiepreise steigen. Das wurde vor allem für energieintensive Betriebe zunehmend eine große Herausforderung. „Wichtige Wirtschaftsbereiche wie der Maschinenbau und elektrische Ausrüstungen gaben besonders nach, während sich die chemische Industrie nach den starken Rückgängen des Jahres 2023 auf niedrigem Niveau stabilisiert hat“, heißt es dazu im Wirtschaftsbericht 2025.
Bürokratiekosten bei Problemen weit oben
Von der Politik erwarten die Unternehmen deshalb die Absenkung der Energiekosten, um wieder wettbewerbsfähig zu sein. Weit oben auf dem Wunschzettel der Unternehmen steht aber ein ganz anderes Problem: die Absenkung der Bürokratiekosten.
Laut dem „Bürokratie-Index“ des Münchner ifo-Instituts kostet der Bürokratieaufwand für Berichts- und Dokumentationspflichten oder das Durchlaufen von Planungs- und Genehmigungsverfahren die Unternehmen jährlich 65 Milliarden Euro. Weiter gehen laut dem ifo-Institut dadurch jährlich 146 Milliarden an Wirtschaftsleistung verloren.
„Das große Ausmaß der Kosten durch die Bürokratie verdeutlicht die Dringlichkeit des Reformbedarfs. Die Kosten von Nichtstun sind riesig, gemessen am Wachstumspotenzial, das im Bürokratieabbau schlummert“, kommentierte Oliver Falck, Leiter des ifo Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien im November das Ergebnis des Bürokratie-Index.
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung könne eine wichtige Rolle zur Verringerung des bürokratischen Aufwands spielen. „Würde Deutschland bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung auf das Niveau von Dänemark aufschließen, wäre die Wirtschaftsleistung um 96 Milliarden Euro pro Jahr höher“, erklärt Falck.
Die Stimmung bei deutschen Unternehmen ist also schlecht, lange schon bevor sie am Mittwoch auf die Straße gingen. Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung ist groß. Anstatt vor Ort in Deutschland zu investieren, suchen viele Unternehmen attraktive Standorte außerhalb Deutschlands. In einer aktuellen Umfrage des BDI aus dem Januar gab rund ein Drittel der Unternehmen an, Forschungs- und Entwicklungsbereiche bereits ins Ausland verlagert zu haben. BDI-Präsident Peter Leibinger warnte, diese Abwanderung bedrohe den Wirtschaftsstandort Deutschland „im Kern“.
Die wichtigsten Gründe für die Verlagerung sind in erster Linie die Kosten (58 Prozent), eine geringere Bürokratie im Ausland (47 Prozent) sowie eine höhere Innovationsbereitschaft an ausländischen Standorten (34 Prozent). Zudem sind fast zwei Drittel der Unternehmen (64 Prozent) der Ansicht, dass ausländische Wettbewerber neue Ideen und Technologien einfacher umsetzen können.
Wohnen und Arbeiten im ländlichen Raum attraktiver machen
In einem dringenden Appell an die Vorsitzenden der Bundestagsparteien fordern Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger und die Spitzen von vier weiteren großen Verbänden die Politik auf, nach der Wahl verstärkt Unternehmen in ländlichen Regionen zu fördern. In dem Schreiben, das nach eigenen Aussagen unter anderem der „Rheinischen Post“ (RP) vorliegt, kritisieren sie, dass sich die Politik in den vergangenen Legislaturperioden zu stark auf die gesellschaftlichen und sozialen Belange der Metropolen konzentriert habe. „Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Beschäftigten im ländlichen Raum benötigen wieder die ihnen gebührende Wertschätzung“, betonen Dulger und die Verbandschefs.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion