Wirtschaft in der EU nach Corona – Deutschland weit abgeschlagen
Die neueste EU-Wirtschaftsprognose zeigt, dass nicht nur die deutsche und österreichische Wirtschaft in diesem Jahr schwächer wachsen werden als der EU-Durchschnitt, sondern auch die von Italien, Estland, Finnland, Spanien, Frankreich und Tschechien.
Laut dem österreichischen Thinktank Agenda Austria wird Deutschland im Jahr 2025 das Schlusslicht sein. Die Herbstprognose der EU-Kommission prognostiziert für Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent und für Österreich 3,8 Prozent, während der Durchschnitt der 27 EU-Staaten bei 7,2 Prozent liegt.
Österreich: hohe Staatsausgaben, kein nachhaltiger Erfolg
Beginnen wir mit Österreich. Trotz hoher Staatsausgaben entwickelt sich das Land schwach. Die preisbereinigten Staatsausgaben in Österreich waren durchschnittlich um zehn Prozent höher als 2019 (EU-Durchschnitt neun Prozent).
„Es wurde viel Geld für die Bewältigung der Pandemie und Teuerungskrise ausgegeben, nachhaltiger Erfolg sieht aber anders aus“, bilanziert der Ökonom Hanno Lorenz von Agenda Austria.
Agenda Austria ist ein vom Staat, Parteien, Kammern und Interessenverbänden unabhängiger österreichischer Thinktank, der sich für wirtschaftsliberale Ideen und Reformen einsetzt. Die Organisation führt detaillierte wissenschaftliche Studien durch. Die Grafik ist selbsterklärend:
- https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Ein Blick auf Deutschland
Werfen wir nun einen Blick auf Deutschland. Laut der EU-Prognose wird die Wirtschaftstätigkeit in Deutschland im Jahr 2023 voraussichtlich um 0,3 Prozent sinken.
Die Gründe dafür liegen in einem Verlust der Kaufkraft aufgrund hoher Inflation und einer Verschärfung der Finanzierungsbedingungen. Auch die Auslandsnachfrage hat sich weniger günstig entwickelt als erwartet, was den Handel beeinträchtigt. Die Analysten gehen jedoch davon aus, dass sich die Inlandsnachfrage wieder erholt, angetrieben durch eine reale Lohnerhöhung.
Für das Jahr 2024 wird ein BIP-Wachstum von 0,8 Prozent und für 2025 von 1,2 Prozent erwartet. Diese Prognose berücksichtigt jedoch nicht die Auswirkungen des Klima-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, das zu einem Haushaltsstopp geführt hat.
„Der Industriestandort Deutschland ist insgesamt in Gefahr“
Ein Blick auf die Produktion in Deutschland zeigt, dass die Aufträge kontinuierlich zurückgehen. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sank die Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um minus ein Prozent. Der BDI warnt davor, dass der Industriestandort Deutschland insgesamt in Gefahr ist und Entlastungen schnell beschlossen werden müssen.
„Wir rechnen für das Jahr 2023 nunmehr mit einer stagnierenden Produktion“, so die BDI-Autoren. „Im dritten Quartal produzierten, abgesehen vom Fahrzeugbau und vom sonstigen Fahrzeugbau, nahezu alle Branchen weniger als vor Jahresfrist. Im Ergebnis sank die Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um minus ein Prozent.“
Während das BDI noch im Frühjahr von einem Produktionswachstum von einem Prozent ausging, heißt es nun, dass dieses nicht mehr zu erreichen sein dürfte. Zu erwarten sei, dass die deutschen Warenexporte um zwei Prozent sinken und der weltweite Warenhandel um ein Prozent zurückgeht.
Die Autoren schreiben: „Sämtliche Indikatoren deuten darauf hin, dass der Industriestandort Deutschland insgesamt in Gefahr ist, nicht nur die besonders energieintensiven Wirtschaftszweige. Entlastungen müssen daher in der Breite für alle Industrien wirksam sein und sehr schnell entschieden werden. Die Politik darf ihre Handlungsfähigkeit nicht länger in ergebnislosen Debatten verspielen.“ (Seite 31)
Eine ähnliche Entwicklung beobachtete das Statistische Bundesamt: Trotz sinkender Erzeugerpreise gewerblicher Produkte im Oktober (-11 Prozent verglichen mit 10/2022) lässt die Industrieproduktion nach.
Industrieproduktion in der EU
Im ersten Quartal steigerte sich in der EU die Produktion im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) gegenüber dem Vorjahresquartal um 0,2 Prozent. Stark waren vorwiegend der Fahrzeugbau und die pharmazeutische Industrie. Energieintensive Industrien wie Chemie, Kunststoffe, Papier und Metalle mussten ihre Aktivitäten deutlich zurückfahren. Im zweiten Quartal sank die Produktion im Vorjahresvergleich um minus 1,2 Prozent, im 3. Quartal (Juli + August) fiel die EU-Industrieproduktion gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,2 Prozent.
Was das Verarbeitende Gewerbe anging, zeigen die EU-Daten: der Fahrzeugbau (+14,6 Prozent) und die pharmazeutische Industrie (+10,9 Prozent) stiegen. Energieintensive Industriezweige gingen ähnlich wie im Produzierenden Gewerbe zurück: chemische Industrie (Januar bis August -11,2 Prozent), Papierindustrie (-11,6 Prozent), Gummi- und Kunststoffwaren (-4,9 Prozent). Die auch energieintensive Ernährungs- und Genussmittelindustrie nahm ebenfalls ab (-1,1 Prozent).
In Frankreich stieg die Produktion im Produzierenden Gewerbe im ersten Quartal um 0,3 Prozent, im zweiten Quartal um 1,3 Prozent und im dritten Quartal um 0,8 Prozent. Im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie liegt die Produktion immer noch rund 4 Prozent niedriger.
In Italien sank die Industrieproduktion im Produzierenden Gewerbe im ersten Quartal um 1,3 Prozent, im zweiten Quartal um 3,8 Prozent und im dritten Quartal blieb sie unter dem Vorjahresniveau.
In Spanien stieg die Produktion im Produzierenden Gewerbe im ersten Quartal um 1,2 Prozent, sank im zweiten Quartal um 1,9 Prozent und blieb im dritten Quartal leicht rückläufig.
Und global gesehen?
Global gesehen stieg die globale Industrieproduktion (produzierendes Gewerbe ohne Bau) im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahr leicht um 0,5 Prozent, im zweiten Quartal um 1,5 Prozent und im dritten Quartal um 0,7 Prozent.
Die Prognose für den weltweiten Warenhandel im Jahr 2023 geht von einem Rückgang um ein Prozent aus. So die Daten des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB), auf denen das BDI-Dossier ebenfalls basiert. Es deute wenig auf eine Beschleunigung hin.
Das Fazit der BDI-Autoren lautet nüchtern: „Wir rechnen im Jahr 2023 mit einem Rückgang des weltweiten Warenhandels um ein Prozent. Die Warenexporte aus den entwickelten Volkswirtschaften dürften um mehr als 1,5 Prozent sinken, die Warenexporte aus den Schwellenländern hingegen um einen halben Prozentpunkt steigen.“
Hier kann das BDI-Dossier vollständig gelesen werden, hier die Herbstprognose der EU-Kommission.
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