Wirtschaft sieht massive Risiken im Schuldenpaket – Reformdruck auf Union und SPD wächst

Nachdem in dieser Woche das Schuldenpaket sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat beschlossen worden war, fielen die Reaktionen aus der Wirtschaft verhalten aus. 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz, finanziert über Schulden, sind eine große Hypothek, die die mutmaßliche neue Bundesregierung aus Union und SPD vor ihrem Amtsantritt aufgenommen hat.
Nach der Abstimmung im Bundestag schrieb der Präsident des ifo Instituts in München, Clemens Fuest, auf der Plattform X:
Die heutige Entscheidung war entscheidend für die Sicherheit und Verteidigung Deutschlands und Europas. Doch die schwierige Arbeit hat gerade erst begonnen. Die Entscheidung zur weiteren Verschuldung muss nun durch Strukturreformen und eine überzeugende Strategie für den Verteidigungs- und Infrastrukturausbau ergänzt werden!“
Gemischte Gefühle zum Schuldenpaket
Der Ökonom Fuest ist nicht der einzige Experte, der mit gemischten Gefühlen auf das Schuldenpaket schaut.
Der Direktor des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ (IW), Michael Hüther äußerte sich schon kurz nach Bekanntwerden der Verschuldungspläne von Union und SPD dazu in einer Pressemitteilung. Die geplanten Infrastrukturausgaben könnten der Wirtschaft neuen Schwung verschaffen, befindet Hüther. „Mit ihrer Einigung zu Investitionen und Verteidigung machen die Sondierungspartner Deutschland wieder handlungsfähig“. Entscheidend sei jetzt aber, was die zukünftige Bundesregierung aus der „historischen Chance“ mache, so der IW-Direktor. „Union und SPD dürften nicht der Versuchung erliegen, vorher für Investitionen veranlagte Mittel im Kernhaushalt für soziale Wohltaten umzuwidmen.“
Auch Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht die Politik in der Verantwortung. „Es lastet jetzt eine enorme Verantwortung auf der Politik“, so Adrian in einer Pressemitteilung. „Dieses Finanzpaket kann eine Chance sein – auch für das so dringend notwendige Wirtschaftswachstum und unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
Voraussetzung dafür sei allerdings, dass „die Milliarden klug und effizient eingesetzt werden. Geschieht dies nicht, kann diese massive Verschuldung zu einem enormen Risiko werden. Denn klar ist: Unsere Wirtschaft muss mittelfristig wieder schneller wachsen als Schulden und Kreditzinsen“, so Adrian.
Geld nicht versanden lassen
In Richtung Union und SPD mahnt der DIHK-Präsident, dass die Parteien jetzt in den Koalitionsgesprächen konkret werden müssen. „Dieses Verschuldungspaket kann nur funktionieren, wenn die neue Regierung die strukturellen Probleme in unserem Land konsequent angeht und dringend notwendige Reformen umsetzt – sonst versandet das Geld.“
Endlich der Vergangenheit angehören müssten „quälend lange Genehmigungsprozesse, veraltete Verwaltungen, marode Infrastruktur, hohe Steuern und lähmende Bürokratie“, zählt Adrian in der Pressemitteilung auf. „Die Unternehmerinnen und Unternehmer benötigen wieder mehr Freiraum, um auf breiter Basis erfolgreich sein zu können. Notwendig dazu ist eine verlässliche Wirtschaftspolitik. Die Weltwirtschaft wartet nicht auf uns. Wir müssen wieder fit werden, um vorn mitzuhalten. Wir dürfen diese Chance jetzt nicht vergeben.“
Brandbrief an Union und SPD
Mit einem Brandbrief haben sich jetzt die Präsidenten der vier größten Wirtschaftsverbände, darunter auch Peter Adrian, an CDU/CSU und SPD gewandt. Mit einer eindringlichen Warnung schreiben sie an die Parteispitzen der möglichen Koalitionspartner, dass Deutschland eine „mutige Reformagenda“ für „mehr Dynamik“ brauche.
Das Sondierungsergebnis von CDU/CSU und SPD liefere dafür „noch nicht die ausreichende Grundlage“, erklären die Verbände. Die voraussichtlichen künftigen Regierungspartner müssten deshalb „in den Koalitionsverhandlungen weitergehen“.
Unterschrieben haben den Brief Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, der Präsident des Bundesverbandes der Industrie, Peter Leibinger, DIHK-Präsident Peter Adrian und Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Handwerks. Weiter fordern die Wirtschaftspräsidenten, dass Reformen und Aufschwung „selbsttragend und nicht schuldenfinanziert sein“ müssen.
Arbeitgeber, Industrie, Handelskammer und Handwerk stünden „für konstruktive Gespräche bereit, um den Standort Deutschland attraktiver zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland zu stärken“, heißt es in dem Schreiben weiter. Nötig seien eine spürbare Senkung der Steuerbelastung von Unternehmen, konkurrenzfähige Energiepreise und Bürokratieabbau. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten dabei vereinfacht und verkürzt werden. Zudem müsse ein hinreichendes Fachkräfteangebot gesichert werden.
Risiko einer steigenden Inflation
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt in einer umfassenden Analyse des Finanzpakets von Union und SPD vor steigender Inflation. Ohne inflationsmindernde Reformen könnte das Finanzpaket „das Risiko“ bergen, dass die zusätzlichen Schulden einen Inflationsdruck erzeugen, was zu steigenden Zinsen und dem Verpuffen der erhofften Wachstumsimpulse führt.
Die hohen Staatsausgaben könnten eine Inflationsdynamik anheizen, da die Rüstungsindustrie und Bauwirtschaft nicht alle Aufträge bewältigen können, was zu höheren Preisen führen würde.
Um diese Risiken zu mindern, schlagen die IW-Ökonomen vor, dass die Union und SPD Reformen durchführen. „Angesichts der unweigerlichen fiskalischen Kosten ist es umso wichtiger, dass die zusätzlichen Staatsausgaben effizient eingesetzt werden“, heißt es. Die Vorschläge beinhalten unter anderem die Streichung von Feiertagen, das Ende von Frühverrentungsprogrammen, die Anpassung des Renteneintrittsalters, ein Moratorium für neue Sozialabgaben, strengere Sanktionen für Bürgergeldempfänger, eine Kürzung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer sowie Steuererleichterungen und eine Reform von Genehmigungsverfahren.
Mit Material von afp
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