Professor sieht Renten in Gefahr: Jubel über Exportüberschüsse unverständlich – sechs Billionen ausstehend
Deutschlands Überschuss in der Leistungsbilanz weise nach aktuellen Berechnungen des Ifo-Instituts – „trotz Exportflaute“ – das vierte Jahr in Folge Höchstwerte aus. „2019 wird er umgerechnet bei 276 Milliarden Dollar liegen“, sagte Christian Grimme, Ökonom beim Ifo-Institut, am 13. September der Nachrichtenagentur Reuters. Nach einigem Abstand folge Japan mit 188 Milliarden Dollar und dann China mit 182 Milliarden Dollar.
Deutschland ist Exportweltmeister
Im Jahr 2018 betrug der Leistungsbilanzüberschuss 228 Milliarden Euro. Das sei Weltrekord, sagte Statistik-Experte Prof. Dr. Walter Krämer in einer kürzlich veröffentlichten Meinung mit dem Titel „Exportüberschüsse kann man nicht essen“.
Wie man über Deutschlands Leistungsbilanzüberschüsse in Jubelstürme ausbrechen kann, müssen mir die Herren DAX-Vorstände und Gewerkschaftsbosse in einer ruhigen Stunde einmal ausführlich erklären“, merkte er an.
Ein Leistungsbilanzüberschuss entsteht, wenn Deutschland mehr exportiert als importiert. Das bedeutet aber auch, dass Deutschland die Waren auf Pump verkauft. Krämer beziffert Deutschlands Forderungen gegen das Ausland mit sechs Billionen Euro.
Beobachter stehen dem hohen Leistungsbilanzüberschuss seit Jahren kritisch gegenüber, unter anderem US-Präsident Donald Trump, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission. Krämer gab zu bedenken, dass es gefährlich werde für Deutschland, wenn das Ausland diese „sechs Billionen Forderungen“ nicht mehr zahlen könne.
Exportüberschüsse sind Luftblasen
Diese sechs Billionen seien teilweise Luftblasen, moniert der Statistik-Experte. Ein Teil des Geldes werde nie in Deutschland ankommen. Dass sogenannte „Schuldenschnitte“ kommen würden, sei „so sicher wie das Amen in der Kirche“. Dann wäre das Geld futsch, die Waren ausgeliefert aber nicht bezahlt – sozusagen verschenkt.
Den Anfang der – noch kommenden – Schuldenschnitte habe Griechenland in 2012 gemacht. 200 Milliarden seien Griechenland gegenüber erlassen worden.
Der „Fake“-Handel Deutschlands
Dass Welthandel für alle Beteiligten einen Nutzen bringe, hätten die bekannten Ökonomen wie Adam Smith und David Ricardo mit ihren Theorien über „Arbeitsteilung“ und „komparative Kostenvorteile“ bereits bewiesen, schreibt Krämer.
Aber in einigen Köpfen Deutschlands scheinen diese Theorie Luft zu sein. Deutschland betreibe keinen wirklichen Handel, erklärt Krämer. Wieso, wenn es doch 6 Billionen Bruttoforderungen gibt? Von einem Austausch könne hier keine Rede sein. Denn Deutschland exportiert mehr als es importiert. Die Bilanz ist also unausgeglichen. Sogar im Tourismusgewerbe bleibe seit Jahren ein Überschuss, gibt der Professor zu bedenken.
Laut dem Ifo-Institut hatte Deutschlands Leistungsbilanz in 2019 einen Überschuss von 276 Mrd. Euro (also 7,1 Prozent gemessen an der Größe der Wirtschaft). Obergrenze dürfte laut der Europäischen Kommission maximal 6 Prozent sein. Auch der Internationale Währungsfonds kritisierte in der Vergangenheit immer wieder, dass dies ein bedenklich hohes Niveau sei und dass Deutschland damit die Weltwirtschaft gefährde.
Das Erwachen kommt später: Sicherer Lebensabend „Ade!“
Besonders betroffen von einem möglichen Schuldenschnitt wären die künftigen Renten. Aber diesem Aspekt werde zu wenig Beachtung geschenkt. Denn Exporteure und Arbeitnehmer bekämen ja „ihr Geld“. Und daher seien sie „dezidiert“, womöglich dem Export besonders entschieden zugeneigt.
Aber man dürfe nicht vergessen, dass Exporteure und deren Arbeitnehmer das Geld nur geliehen bekämen – nämlich von anderen Bundesbürgern. „Eine riesige innerdeutsche Einkommens- und Vermögensverteilung ist das,“ sagt Krämer. Und bei einem möglichen Schuldenschnitt könne das Geld natürlich nicht zurückgezahlt werden, was sich zulasten der staatlichen Altersvorsorge niederschlage.
Internationaler Währungsfonds: Inland stärken
Gita Gopinath, Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds, soll bei einer Veranstaltung im „Think Tank“ des Center for Strategic and International Studies in Washington betont haben, dass es an der Zeit sei, dass Deutschland nun seine eigene Infrastruktur stärke, berichtete Reuters. Gerade angesichts einer „reinen Kosten-Nutzen-Analyse angesichts niedriger Zinsen, wäre es sinnvoll, es jetzt zu tun.“, so Gopinath weiter. (bm mit Material von Reuters)
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