Wirbel um VW-Stammwerk – IG Metall: Stellenabbau ist nicht diskutabel

Schon länger wird bei VW diskutiert, wie sich möglichst viele Jobs im E-Zeitalter sichern lassen - nicht zuletzt am Stammsitz Wolfsburg. Konzernchef Diess soll erneut einige forsche Äußerungen dazu gemacht haben.
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Die Debatte über die künftige Auslastung des Stammwerks Wolfsburg gewinnt an Schärfe. Symbolbild.Foto: iStock
Epoch Times13. Oktober 2021

Droht Volkswagen ein neuer Konflikt um die Zukunft der Jobs beim Wandel zur E-Mobilität? Die Debatte über die Auslastung des Stammwerks Wolfsburg gewinnt jedenfalls an Schärfe – wenige Wochen vor Beschlüssen zu den Investitionen für die kommenden Jahre.

Die bei Europas größtem Autohersteller einflussnehmende IG Metall betonte am Mittwoch: „Klar ist, dass ein Stellenabbau von 30.000 Arbeitsplätzen nicht diskutabel ist.“ Konzernchef Herbert Diess soll nach Informationen aus Unternehmenskreisen in der September-Sitzung des Aufsichtsrats über diese Zahl gesprochen haben. „Davon abgesehen wäre das ein Frontalangriff auf die Transformation unserer Branche.“

Eine andere Quelle berichtete, dabei habe Diess jedoch ein mögliches Langfrist-Szenario vorgetragen, was passieren könnte, falls etwa die Lieferkrise bei Elektronikchips anhalten sollte oder die Terminierung wichtiger VW-Zukunftsprojekte überdacht werden müsse.

In diesem Zusammenhang habe er dann auch die Lage am Hauptsitz offensiv thematisiert, zur Überraschung der Kontrolleure. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet – und auch einen neuen „Eklat“ zwischen Diess und den Aufsehern beschrieben. Von einem Streit dieser Größenordnung war laut anderen Stimmen zunächst nicht die Rede.

Erheblicher Leerlauf in Wolfsburg

Aus dem Umfeld der Arbeitnehmervertreter verlautete, der Topmanager habe bei seinen Gedanken offensichtlich auch eine Parallele zu den hohen Überkapazitäten in den 1990er Jahren gezogen. Damals hatte der Umstieg auf eine Vier-Tage-Woche ermöglicht, dass gut 30.000 VW-Jobs gerettet werden konnten. Aktuell gebe es eine ganz andere Situation.

Gleichwohl ist Europas größter Autobauer unter Druck. Volkswagen hat vor allem in Wolfsburg gerade erheblichen Leerlauf. Mehrfach musste Kurzarbeit für Zehntausende Beschäftigte verlängert werden, weil hier – wie bei anderen Anbietern – wichtige Halbleiter fehlen. Unabhängig von diesen akuten Engpässen gibt es in Teilen der Belegschaft Sorgen um eine ausreichende Werkbelegung in der bevorstehenden Zeit.

Der Betriebsrat forderte etwa bereits, neben dem ab 2025/2026 geplanten Projekt „Trinity“ mindestens ein weiteres Elektromodell in der Konzernzentrale anzusiedeln. Außerdem wird es darauf ankommen, ob weitere Großvorhaben wie der geplante „Tesla-Fighter“ in Hannover oder der Ausbau der konzerneigenen Software-Sparte Cariad zünden.

Steigender Konkurrenzdruck

Grundsätzlich haben Belegschaftsvertretung und Firmenleitung in vielen Punkten dasselbe Ziel. Möglichst bald sollen weitere E-Modelle mit zunehmend selbst entwickelter Vernetzungstechnik folgen – auch angesichts der steigenden Konkurrenz durch den US-Rivalen Tesla mit dessen neuem Werk in Grünheide bei Berlin.

Einen offenen Machtkampf wie Mitte 2020, als Diess Aufsichtsratsmitglieder nach angeblichen Indiskretionen eines kriminellen Verhaltens bezichtigt hatte, gibt es nach dpa-Informationen jedoch nicht. Der VW-Chef soll damals nur dank einer internen Entschuldigung dem Rauswurf zuvorgekommen sein.

In Kürze stehen bei VW frische Entscheidungen über die Verteilung von Investitionen und Modellen auf die einzelnen Standorte im globalen Produktionsnetz an, die weit bis ins laufende Jahrzehnt hineinreichen. „Die schwierige Lage im Werk Wolfsburg bildet einen klaren Schwerpunkt der laufenden Beratungen für die diesjährige Planungsrunde“, sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo jüngst.

Möglicherweise werden bis Mitte November zudem Eckpunkte genannt, wo genau weitere angekündigte Batteriezellwerke entstehen. Dabei rechnen sich auch Niedersachsen und Sachsen Chancen aus, der Betriebsrat hatte zumindest eine zusätzliche Zellfabrik in Deutschland gefordert.

„Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen ist absurd“

Die Mitarbeitervertretung wollte keine Stellung zu den Inhalten der Aufsichtsratsrunde aus dem September nehmen. Sie betonte: „Unabhängig davon gilt aber: Ein Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen – das wäre in der Volkswagen AG jeder vierte – ist absurd und entbehrt jeder Grundlage.“

Diess ist bekannt dafür, dass er seine Überlegungen in Sitzungen oft spontan und – für den Geschmack der Gewerkschaftsseite – „provokativ“ einbringt. Mit dem langjährigen Betriebsratschef Bernd Osterloh, der inzwischen Personalvorstand der VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton ist, lieferte er sich mehrfach einen heftigen Schlagabtausch.

Osterlohs Nachfolgerin Cavallo hatte erklärt, einen ruhigen Ton zu bevorzugen. In der Sache wolle sie allerdings ebenso hart für die Belegschaftsinteressen kämpfen. Cavallo sitzt – wie die Vertreter der Familien Porsche/Piëch und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) – im Präsidium des Volkswagen-Aufsichtsrats.

Diess erhielt gerade im Sommer einen Anschlussvertrag bis zum Herbst 2025. Er legte inzwischen auch eine neue Konzernstrategie vor. Bei der genauen Umsetzung der Elektrifizierung und Digitalisierung sei der Ball nun in seinem Feld, hieß es aus Eigentümerkreisen. (dpa/dl)



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