„Widerrufs-Joker“ für Dieselautos?
Als erstes deutsches Gericht beschäftigt sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit einer Musterfeststellungsklage und nimmt von Freitag an die Autokreditverträge der Mercedes-Benz-Bank unter die Lupe.
Der Klage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden haben sich laut dem Bundesamt für Justiz rund 680 Fahrzeugbesitzer angeschlossen. Sie wollen erreichen, dass die Widerrufsregeln in den Verträgen der Bank für unzulässig erklärt werden und damit auch die Fristen hinfällig sind. Dann, so hoffen sie, könnten sie das Geschäft auch nach Jahren noch rückgängig machen und ihre Autos einfach zurückgeben – nicht nur, aber insbesondere inzwischen ungeliebte Diesel. Anwälte sprechen deshalb auch von einem „Widerrufs-Joker“.
Eine Musterfeststellungsklage einzureichen, ist erst seit dem vergangenen November möglich. Verbraucherschützer können damit stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko.
Aus Sicht der klagenden Schutzgemeinschaft sind diverse Angaben und Regeln in den seit Mitte 2014 geschlossenen Kreditverträgen unklar oder widersprüchlich und damit unzulässig (Az. 6 MK 1/18). Viele Bankkunden haben deshalb auch schon auf eigene Faust geklagt. Die Mercedes-Benz-Bank hält die Musterklage – wie auch alle anderen – für unbegründet. Sie hat angekündigt, sich entschieden dagegen zur Wehr zu setzen.
Ein wichtiger Aspekt gleich zu Beginn des Verfahrens dürfte die Frage sein, ob die Schutzgemeinschaft in solchen Musterverfahren überhaupt klageberechtigt ist. Den Richtern am OLG Braunschweig fehlte es an ausreichenden Nachweisen zur Zahl der Vereinsmitglieder sowie zum satzungsmäßigen Zweck des Vereins. Eine ganz ähnlich lautende Musterklage der Schutzgemeinschaft gegen die VW-Bank haben sie deshalb dort bislang nicht angenommen. Deshalb muss sich demnächst auch der Bundesgerichtshof mit dieser Frage befassen.
Die Stuttgarter Richter halten es außerdem für möglich, dass sie einige Fragen womöglich vorab dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen, um von dort eine Einschätzung zu erhalten. Auch das könnte den weiteren Verlauf des Verfahrens beeinflussen.
Bislang gibt es überhaupt erst zwei Musterverfahren. Das deutlich bekanntere dreht sich um die Klage gegen Volkswagen. Mit ihr wollen die Verbraucherzentralen durchsetzen, dass Autobesitzer, die vom Diesel-Skandal betroffen sind, für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Für dieses Verfahren gibt es noch keinen Termin. (dpa)
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