„Wenn LEONI nicht sicher ist, ist es keiner“: Ratlosigkeit nach Übernahme durch chinesischen Konzern

Die Übernahme der LEONI AG durch den chinesischen Elektronikkonzern Luxshare markiert eine weitere Zäsur in der Entwicklung des deutschen Mittelstandes. Der Konzern übernimmt einen Mehrheitsanteil von 50,1 Prozent und die Kabelsparte. Experten warnen vor einem bedrohlichen Trend.
Der Kabel- und Bordnetzspezialist und Autozulieferer Leoni trennt sich von seiner Business Group Automotive Cable Solutions.
Autozulieferer LEONI segelt bald unter chinesischer Flagge.Foto: Daniel Karmann/dpa
Von 19. September 2024

Am Mittwoch, 18. September, verkündete die LEONI AG aus Nürnberg die Übernahme des Mehrheitsanteils von 50,1 Prozent durch den chinesischen Konzern Luxshare. Eine entsprechende Vereinbarung sei unterzeichnet worden. Bisher war der österreichische Unternehmer Stefan Pierer Alleineigentümer des Autozulieferers. Der nun verkaufte Anteil habe einen „mittleren dreistelligen Millionenwert“ aufgewiesen. Dies erklärte ein Sprecher gegenüber Medien. Luxshare sprach von 320 Millionen.

Darüber hinaus gehe die Kabelsparte zu 100 Prozent an ein Joint Venture unter Führung des chinesischen Konzerns, der von der Milliardärin Wang Laichun, auch bekannt als Grace Wang, kontrolliert wird. Eine Zustimmung vonseiten der Wettbewerbsbehörden steht noch aus. LEONI gehört neben Continental und Bosch zu den wichtigsten Zulieferern für die deutsche Automobilindustrie. Das Unternehmen stellt vor allem Komponenten für Kabel- und Bordnetze her.

Pierer: Luxshare ist „perfekter Partner“ für LEONI

2023 hatte Pierer die hoch verschuldete LEONI in sein Alleineigentum übernommen. Im Zuge eines Verfahrens nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hatte er zusätzliches Kapital in Höhe von 150 Millionen Euro in das Unternehmen eingebracht.

Im Gegenzug waren die Anteilsscheine der Altaktionäre auf null gesetzt worden, was scharfe Kritik des Schutzverbandes der Kapitalanleger (SdK) auslöste. Das Unternehmen war zudem im Zuge des Versuchs, eine Insolvenz abzuwenden, von der Börse genommen worden. Nun will Pierer in Luxshare „den perfekten Partner gefunden“ haben, um „den langfristigen Erfolg von LEONI zu sichern“.

Beide Anteilseigner hätten „bewiesen, wie sich mit einem starken Geschäftsmodell neue Märkte für ein Unternehmen gewinnen lassen“. LEONI hatte in den vergangenen Jahren umfangreiche Anstrengungen unternommen, um international zu expandieren. Im Jahr 2022 wurde offenbar, dass sich das Unternehmen dabei erheblich verschuldet hatte. Der Versuch, die Kabelsparte an einen thailändischen Investor zu veräußern, scheiterte.

Autoindustrie als neues Expansionsziel für Luxshare

Luxshare fertigt Produkte aus dem Bereich der Konsumentenelektronik, unter anderem für Apple. So baut der Konzern unter anderem iPhones, aber auch die Vision-Pro-Brille, AirPods und die Apple Watch. Der Umsatz im Vorjahr lag bei umgerechnet knapp 30 Milliarden Euro – eine Steigerung um etwa 50 Prozent gegenüber 2021. Die Autoindustrie trug nur zu vier Prozent zum Auftragsvolumen bei. Dies soll sich nun ändern.

Ende 2023 hatte Luxshare weltweit mehr als 230.000 Mitarbeiter an mehr als 110 Produktionsstandorten. Der Umsatz kam dabei zu 90 Prozent aus dem Ausland. Im Vorjahr lag dieser bei rund 5,46 Milliarden Euro. Die AG beschäftigt weltweit rund 95.000 Mitarbeiter.

Wang Laichun aka Grace Wang begann Ende der 1980er-Jahre als eine der ersten Mitarbeiterinnen des Apple-Zulieferers Foxconn in Shenzhen. Nach etwa zehn Jahren verließ sie das Unternehmen, um zusammen mit ihrem Bruder einen eigenen Auftragsfertiger zu gründen. Dieser machte Foxconn schon bald erfolgreich Konkurrenz.

Wang Laichun als Instrument der Kommunistischen Partei?

Welche Beziehung Wang zur Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) hat, ist nicht in vollem Umfang geklärt. Allerdings gilt es als offenes Geheimnis, dass ein geschäftlicher Erfolg – vor allem in Schlüsselbereichen – in China nicht ohne oder gar gegen den Willen der Partei möglich ist. Vor allem internationale Expansionen sind ohne Rückendeckung des Regimes nicht denkbar.

Es ist wahrscheinlich, dass das Regime den Erfolg von Luxshare wünscht, weil dieser auf Kosten der Konkurrenz aus Taiwan geht. Wang wurde in der Vergangenheit mehrfach vorgeworfen, Geschäftsgeheimnisse eines weiteren taiwanischen Apple-Zulieferers verletzt zu haben.

Auf dem Heimatmarkt hatte Wang schon mehrfach Unternehmen aufgekauft. In Deutschland erwarb sie bereits 2017 die Einheit des Zulieferers ZF, der sich mit Fahrzeugbediensystemen befasst.

„Wirtschaftswoche“: LEONI hatte beste Erfolgsaussichten

Martin Dowideit sieht in der Übernahme von LEONI ein böses Omen für den deutschen Mittelstand. In einem Marktkommentar für die „Wirtschaftswoche“ schreibt er, diese sei das „Ende eines deutschen Zulieferers, der ein Aushängeschild unseres innovativen und einzigartigen Mittelstands sein könnte“.

Was besonders beängstigend sei, sei der Umstand, dass LEONI eigentlich die bestmöglichen Erfolgsaussichten mitgebracht hätte. Das Unternehmen habe eine reiche Tradition gehabt. Auf einem riesigen und schnell wachsenden Markt sei die Konkurrenz begrenzt gewesen. Außerdem hätte man beste Voraussetzungen für Innovationen gehabt. Dennoch endete das Unternehmen in Pleitegefahr, Sparprogrammen und dem nunmehrigen Notverkauf.

Eine überzeugende Erklärung dafür finde er nicht. Doch Dowideit stellt fest:

Wenn es selbst LEONI trifft, ist kein deutscher Weltmarktführer sicher.“



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