Weltbank-Präsident warnt vor massiver Migrationswelle: 800 Millionen Menschen könnten betroffen sein

Der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, warnte auf der Hamburg Sustainability Conference vor einer möglichen massiven Migrationsbewegung aus dem Globalen Süden. Bis zu 800 Millionen junge Menschen könnten sich in den kommenden Jahren auf die Suche nach Arbeit begeben.
Ajay Banga wird neuer Präsident der Weltbank.
Ajay Banga ist der neue Präsident der Weltbank.Foto: Seth Wenig/AP/dpa
Von 16. Oktober 2024

Vor einer möglichen großen Fluchtbewegung hat der Präsident der Weltbank, Ajay Banga, im Rahmen der Hamburg Sustainability Conference der Vereinten Nationen gewarnt. Diese hatte zu Beginn der Vorwoche in der Hansestadt stattgefunden. Er rechnet damit, dass sich bis zu 800 Millionen junge Menschen aus dem Globalen Süden auf den Weg machen könnten, um Arbeit zu suchen.

An der vom Bundesentwicklungsministerium mitgetragenen Veranstaltung nahmen etwa 1.600 Menschen aus 102 Ländern teil. In mehr als 60 Sessions wurden unterschiedliche Zukunftsfragen besprochen. Prominentester deutscher Teilnehmer war Bundeskanzler Olaf Scholz.

Weltbank-Präsident: 600 Millionen Menschen ohne Strom in Afrika nicht eingerechnet

Die Rechnung, die Banga aufstellt, ist einfach. Im Rahmen der Veranstaltung erklärte er:

„In den aufstrebenden Schwellenländern des Globalen Südens werden innerhalb der nächsten 15 Jahre 1,2 Milliarden junge Menschen einen Job suchen. Doch in diesen Ländern gibt es nur rund 400 Millionen Jobs.“

Er rechnet damit, dass dies zu Fluchtbewegungen und Migration in den Norden führen würde. Noch nicht eingerechnet seien dabei etwa 600 Millionen Menschen in Afrika, die „keinen Zugang zu Strom haben und das nicht ewig akzeptieren werden“.

In eine ähnliche Kerbe schlug die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley. Sie nahm die Ausführungen des Weltbank-Präsidenten zum Anlass, ein „neues globales Finanzsystem“ zu entwickeln. Dies wäre im eigenen Interesse der Staaten der Nordhalbkugel. Andernfalls könnte „die Migration von dort zunehmen, was dann zu einem weiteren Problem führt, wie wir es hier in Europa schon sehen“.

Scholz plädiert wie Weltbank für stärkere Einbindung ärmerer Staaten

Bundeskanzler Scholz mahnte, es stehe den Europäern oder Nordamerikanern nicht zu, den südlichen Ländern vorzuschreiben, welchen Lebensstandard sie erreichen dürften. Der Globale Süden müsse seinen Anteil an Wohlstand und Entwicklung haben. Scholz dazu:

„Wir können nicht festlegen, dass es in Afrika, Südamerika und Asien weniger Autos geben soll, als wir heute in Nordamerika oder Europa haben. Sie wollen dieselben Lebensstandards haben, wie wir sie haben.“

Entscheidend sei es, Technologien zu entwickeln, die den Ländern des Südens diesen ermöglichten, allerdings ohne der Umwelt zu schaden, so der Kanzler.

Die Konferenz befasste sich mit der Zukunft technischer Entwicklungen und der Frage einer gerechten Verteilung von Ressourcen und Wohlstand. Ihr Ziel sei es, „konkrete Initiativen zu entwickeln, um die Umsetzung der von allen Staaten der Welt gemeinsam beschlossenen UN-Nachhaltigkeitsziele zu beschleunigen“.

Um möglichen massenhaften Fluchtbewegungen entgegenzuwirken, plädierte Kanzler Scholz für eine stärkere Einbindung des Globalen Südens in das globale Wirtschaftswachstum.

Migrationsforscher: „Dennoch kein massiver Anstieg der Flüchtlingszahlen“

Inwieweit die Warnungen vor Fluchtbewegungen in dieser Größenordnung bis 2040 realistisch sind, ist unter Fachleuten umstritten. Migrationsforscher Hein de Haas wies erst im Mai auf Zahlen der UNO-Flüchtlingshilfe hin. Dieser zufolge gebe es weltweit derzeit etwa 120 Millionen gewaltsam vertriebene Menschen.

Bei mehr als der Hälfte davon handele es sich jedoch um Binnenflüchtlinge, die innerhalb des eigenen Landes Schutz suchten. Weltweit seien etwa 6,8 Millionen Menschen auf der Suche nach Asyl. Allerdings seien die weltweiten Migrationsbewegungen heute damit geringer als allein in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg – und als die globalen Verschiebungen in den Jahrhunderten davor.

Der Unterschied sei, dass europäische Mächte in früheren Jahrhunderten die Richtung der Migrationsbewegungen hauptsächlich selbst bestimmt hätten. Mittlerweile seien sie Ziel von Formen der Migration, bezüglich derer sie nur über begrenzte Kontrollmöglichkeiten verfügten.

In Summe, so de Haas, machten Fluchtbewegungen langfristig gesehen etwa zehn Prozent aller Migrationsbewegungen aus. Dieser Anteil sei ziemlich stabil:

„Den massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen, den uns viele Politiker weismachen wollen, gibt es nicht.“

Vorübergehend führt bessere Entwicklung zu mehr Migration

Grundsätzlich sei auch bessere Entwicklung von Herkunftsländern nicht automatisch mit weniger Migration verbunden – im Gegenteil. Mehr Wohlstand und bessere Infrastruktur machten die Migration weniger gefährlich oder beschwerlich, auch über längere Distanzen. Dies führe über einen bestimmten Zeitraum sogar zu mehr Migration. Es seien allerdings eher die Mittel- und Oberschichten, die sich einen solchen Prozess leisten könnten.

Migranten strebten hauptsächlich dorthin, wo bereits sesshafte Landsleute als „Brückenköpfe“ fungierten. Je wohlhabender eine Gesellschaft werde, desto mehr Menschen könnten sich eine Zukunft im eigenen Land vorstellen. Dies führe dazu, dass die Auswanderung aus den betroffenen Ländern abnehme – und diese selbst zum Ziel von Einwanderung würden.



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